Kreis Ludwigsburg Rasern auf der Spur

Von Claudia Mocek
Messdienst-Koordinator Sven Haug erläutert die Technik des Enforcement Trailers, den die Polizei regelmäßig einsetzt. Foto: /Claudia Mocek

Mit Kontrollen will die Polizei die Bevölkerung sensibilisieren. Dabei setzt sie verschiedene Messsysteme ein. Ein Blick hinter die Kulisse von Trailer, Laserkameras und Videoüberwachung

Zu schnelles Fahren ist laut Polizeipräsidium Ludwigsburg die dritthäufigste Ursache von Unfällen. Bei Zusammenstößen mit Schwerverletzten oder Getöteten in dessen Zuständigkeitsbereich ist es sogar die Hauptursache. 2024 gab es rund 150.000 Geschwindigkeitsverstöße, daraus resultierten über 2.000 Fahrverbote. Diese Tendenz hält auch in diesem Jahr an: Im Januar und Februar war überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache von schweren Unfällen außerhalb der Autobahn. Daher will die Polizei die Geschwindigkeitsüberwachungen intensivieren – außerorts und auf der Autobahn.

„Das sind die einzigen Bereiche, in denen wir messen dürfen“, sagt Messdienst-Koordinator Sven Haug. Innerorts, wie etwa auf der Schwieberdinger Straße in Ludwigsburg, wo am 20. März zwei junge Frauen bei einem Raserunfall starben, dürfen ausschließlich die Städte und Gemeinden selbst kontrollieren, erklärt Pressesprecher Steffen Grabenstein. Welche Messsysteme eingesetzt werden und wie die Blitzer funktionieren, hat die Polizei vergangene Woche auf dem Gelände der Verkehrspolizeiinspektion Ludwigsburg in Stuttgart-Vaihingen demonstriert.

Die Klappe des Enforcement Trailers von Vitronic ist geöffnet. Wie ein futuristisches graues Iglu schaut der semi-stationäre Anhänger aus. In seinem Inneren ist kompakt viel Technik untergebracht: Ein großer runder Blitz, zwei Laser, viele Sicherungen, ein Feuerlöscher, eine Fernbedienung und acht gelbe Akkus enthält das graue Gefährt. Acht bis zehn Tage halten die Batterien vor, dann müssen sie wieder geladen werden. Je nach Einsatzort können damit schon rund 15.000 Verstöße fotografiert werden, sagt Sven Haug.

Kontrollen werden angekündigt

Ab wann sich der Einsatz denn rechnet? „Für uns muss es sich nicht rechnen“, sagt der Koordinator. Mithilfe der Kontrollen sollen Verstöße geahndet werden. Doch das eigentliche Ziel der Polizeimaßnahmen sei es nicht, Bußgelder zu generieren, sondern die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen, betont Grabenstein. Daher werden Kontrollen zum Teil auch öffentlich angekündigt. „Um ein Bewusstsein bei den Verkehrsteilnehmern zu schaffen“, sagt er. Weil es nach wie vor zu viele Unfälle gibt, schon in diesem Jahr bereits sieben mit tödlichem Ausgang, „werden wir präventiv tätig, uns geht es nicht darum, hinterlistig zu sein“, sagt Haug. Daher sei eine Kontrollaktion eigentlich dann erfolgreich, wenn nur wenige Auto- und Motorradfahrer geblitzt werden – weil sich fast alle an die geltenden Geschwindigkeitsvorgaben halten.

Immer wieder zieht der Blitzer den Frust erwischter Raser auf sich. Manche versuchen dann, den Trailer, der in der Anschaffung zwischen 160.000 und 180.000 Euro kostet, zu beschmieren oder zu beschädigen. Doch die Glasscheibe besteht aus Panzerglas und der gesamte Trailer ist alarmgesichert. Sobald jemand seine Wut an dem Blitzer auslässt, macht sich eine Streife auf den Weg.

Vier Fahrbahnen überwacht

Neben dem einen Trailer verfügt die Polizei auch über zwei mobile Geschwindigkeitsmesssysteme, die mit Lasern arbeiten. Dabei können bis zu vier Fahrbahnen gleichzeitig überwacht werden. Zwei Kameras, die in einem Abstand von bis zu 70 Metern voneinander entfernt aufgebaut werden, erfassen die vorbeifahrenden Fahrzeuge. „Die Kameras müssen nicht eingemessen werden“, sagt Haug. Eine halbe bis eine Stunde benötigt sein sechsköpfiges Team, von dem immer zwei gemeinsam im Einsatz sind, um die Messstation aufzubauen. Die Kameras und das Messsystem sind per WLAN-Box und Antenne miteinander verbunden und können Geschwindigkeiten bis zu 250 Stundenkilometer messen.

Wird in einer Tempo 100-Zone kontrolliert, werden Autofahrer erfasst, die mit 109 Stundenkilometer oder mehr unterwegs sind. Vom Messergebnis wird eine Toleranz abgezogen. Diese liegt bei einer Geschwindigkeit von über 100 Stundenkilometern bei drei Prozent, bis Tempo 100 wird eine Toleranz von drei Stundenkilometern abgezogen. Auch Motorradfahrer hat das Messsystem im Blick: Das Nummernschild ist bei den Zweirädern hinten angebracht und da es keine Halterhaftung gibt, sei es nötig, den Fahrer auch von vorne abzulichten. Das besorgt die zweite Kamera, die im Bruchteil einer Sekunde mit dem Sensor kommuniziert.

Abstand: Halbe Tacholänge

Der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug muss eine halbe Tacholänge betragen, bei Tempo 100 sind dies 50 Meter. Ab einem Abstand von weniger als fünf Zehntel des halben Tachowertes, bei Tempo 100 sind das 25 Meter, bewegen sich die Autofahrer laut Bußgeldkatalog im Punktebereich. Ob jemand zu nahe auffährt, prüft ein Verkehrskontrollsystems, das mit Photogrammetrie arbeitet. Dabei nehmen mehrere mit Kabel verbundene Kameras Bilder auf. Diese werden anschließend übereinandergelegt und in präzise Modelle verwandelt. Mithilfe einer Weg-Zeit-Berechnung lässt sich so der genaue Abstand bestimmen. Das System wird vor allem auf Brücken über der Autobahn eingesetzt. Der Aufbau dauert länger, da zunächst eine Strecke eingemessen werden muss, die dann als Referenz dient. Zwei Beamte steuern das Kontrollsystem von einem Bus aus. Und obwohl das Verfahren standardisiert ist, werden sämtliche Ergebnisse überprüft.

„Wir machen Videos“

Während die Blitzer den Verkehr vom Straßenrand aus kontrollieren, fährt Oliver Pieratzki von der spezialisierten Verkehrsüberwachung Rasern direkt hinterher. Sein Fahrzeug ist mit einem Video-Distanz-Messgerät ausgestattet. Eine Kamera filmt das Geschehen vor dem Fahrzeug, eine andere die Situation hinter dem Auto. Auf einem Bildschirm neben dem Lenkrad sehen die Beamten die Aufnahmen. Die Videos werden noch auf Kassetten mitgeschnitten, das Aufnahmegerät befindet sich im Kofferraum. Obwohl die Messeinheiten geeicht, standardisiert und zugelassen sind, wird im Nachgang ausgewertet. Die hochauflösenden Videokameras sind mit festen Brennweiten ausgestattet, um Abstände präzise berechnen zu können.

Pieratzki und seine Mitarbeiter kennen die beliebten Raserstrecken, sie werden erst tätig, sobald den Fahrern ein Fahrverbot droht. Dann fahren sie hinter den Rasern her und filmen diese – und das bei hohem Tempo. Sobald einem Wagen gefolgt wird, erscheint in der Heckscheibe der Schriftzug „Polizei“. „Wir wollen verhindern, dass jemand glaubt, dass wir uns ein Rennen liefern“, sagt Pieratzki.

Training auf dem Hockenheimring

Um sich auf die Einsätze vorzubereiten, werden Sicherheitstrainings auf dem Hockenheimring absolviert. Die technische Schulung dauert eine Woche. Das System dokumentiert neben der Geschwindigkeit auch Abstände und riskante Überholmanöver: „Wir haben auch öfter Mehrfachtäter, die zu schnell unterwegs sind, zu wenig Abstand einhalten und auf dem Standstreifen überholen.“ Wer Rasern auf der Spur ist, muss nicht nur sicher fahren und die Technik souverän einsetzen, sondern auch sensibel reagieren: Denn wenn ein Raser glaubt, das Fahrzeug hinter ihm wolle ihn jagen, erhöhe er unter Umständen noch das Tempo und gefährdet sich selbst und andere. Die Beamten müssen einschätzen, wann und wo sie die Kontrollfahrt abbrechen und den Raser – dann mit Blaulicht – von der Autobahn holen. Dort werden sie belehrt und können sich das Video noch vor Ort anschauen. Ob sie einsichtig seien? „Manche ja“, sagt Oliver Pieratzki.

 
 
- Anzeige -