Kreis Ludwigsburg Rettungsdienste: Zu viele Einsätze sind Bagatellen

Von Frank Ruppert
Eine Frau vom Rettungsdienst mit einer Jacke vom Deutschen Roten Kreuz mit Schriftzug Rettungsdienst auf dem Rücken. Foto: mago//Reiss

Sanitäter retten täglich Leben. Oft fahren sie allerdings auch unnötig raus. Das führt zu einer großen Belastung, sagt ein Sanitäter aus dem Kreis. Er hat mit seinem Verein Inside-Team ganz Baden-Württemberg im Blick. Verbesserungen im System sind sein Ziel.

40 Prozent der Einsätze, zu denen Riccardo Lardino als Notfallsanitäter gerufen wird, sind Bagatellfälle, sagt der 34-Jährige aus Ludwigsburg. Er arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Region Stuttgart im Rettungsdienst, seit 2016 im Kreis Ludwigsburg, und gehört zu den Gründern des Vereins Inside-Team.

Er setzt sich mit dem Verein für eine Verbesserung des Rettungsdiensts in Baden-Württemberg ein. Besonders treiben ihn derzeit die hohe Anzahl an Bagatellen um. „Viele Menschen nutzen die Rettungsdienste, um schneller an Untersuchungstermine zu kommen“, sagt Lardino. Wer mehrere Monate auf eine Untersuchung beim Facharzt warten muss, denkt sich offensichtlich das ein oder andere Mal, dass er schneller zum Ziel kommt, wenn er als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wird.

Rolle der Notrufzentralen

Kann man diese Fälle nicht vorab aussieben und gar nicht erst einen Rettungswagen hinschicken? Hier kommt für Lardino ein Fehler im System dazu. Die Disponenten in der Notrufzentrale sind im Zweifel verantwortlich, wenn jemand zu Schaden kommt und sie keinen Rettungsdienst geschickt haben, sondern etwa an den Ärztlichen Notdienst verweisen. „Deshalb schicken sie zur Sicherheit lieber Notfallsanitäter los“, sagt Lardino.

Den Disponenten wirft er das Verhalten, das auch so von deren Arbeitgeber vorgeschrieben sei, deshalb nicht vor. Kommen die Sanitäter dann vor Ort an und es bestätigt sich der Eindruck, dass kein echter Notfall vorliegt, „können wir eigentlich gegen den Wunsch des Patienten den Transport zum Krankenhaus nicht verweigern“. Lediglich ein Arzt dürfe sicher feststellen, dass kein lebensbedrohlicher Fall vorliege. Also kommt es, wie Lardino erzählt, auch schon mal vor, dass sie Menschen mit einem grippalen Infekt mitnehmen müssen, obwohl auch ein Arztbesuch ausgereicht hätte. „Wir sind einmal zu einem Patienten gefahren, der Verstopfung hatte und über Bauchschmerzen geklagt hat“, berichtet Lardino. Eigentlich zunächst kein Fall für einen Notfallsanitäter, dennoch mussten sie ausrücken. Das Ergebnis: „Als wir da waren, hat sich der Patienten vor uns entleert, leider nicht auf der Toilette“, berichtet der 34-Jährige.

Lardino hat auch Erfahrungen jenseits des Landkreises sammeln können. Weil landesweit ein Mangel an Notfallsanitätern besteht, gibt es eine Börse, in der Kreise ihren aktuellen Bedarf eintragen können. Sanitäter können dann dort einzelne Schichten übernehmen. Das wird gut bezahlt. Lardino macht das regelmäßig, aber vor allem deshalb, weil er an dem Einblick in andere Landkreise interessiert ist. „Der Kreis Ludwigsburg steht vergleichsweise noch gut da. Das liegt auch an dem Ballungsraum. In ländlicheren Gebieten kann man schon mal 20 bis 30 Minuten auf den nächsten Rettungswagen warten.“ Gerade deswegen ärgern ihn Bagatelleinsätze so. „So lange wir bei einem solchen Einsatz sind, können wir sonst nirgends helfen“, erklärt er.

Folgen der Belastung

Die Personalsituation bessere sich langsam, aber dennoch verlangt der Job einem alles ab. Lardino hat mit seinen 34 Jahren durch die vielen Nachtschichten, die er früher ableistete, Schlafstörungen. Auch Herz-Kreislauf-Störungen seien bei Kollegen keine Seltenheit, erklärt Lardino. Er appelliert daher an die Bevölkerung, den Ärztlichen Notdienst zu nutzen und die Arbeitsbelastung der Sanitäter nicht unnötig zu erhöhen.

Auch würde er sich mehr Entscheidungsbefugnisse für Sanitäter und Disponenten wünschen, um mit den Bagatellfällen besser umgehen zu können. Die Hoffnung auf politische Änderungen hat er so gut wie aufgegeben. Landes- und Bundespolitikern fehle es an Expertise, und bei Anhörungen zu neuen Gesetzen würden zwar Rettungsdienste gehört, aber nicht die Sanitäter. Auch um die Sicht der Angestellten im Rettungsdienst weiter publik zu machen, hat er den Verein Inside-Team mitgegründet.

 
 
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