Kiosk-Automaten ziehen junge, auch ganz junge Jugendliche an“, sagt Birgit Schmolke-El Titi. Sie leitet den Bereich Suchthilfen bei der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz. „Die hochpotenten Vapes, die darin angeboten werden, sind so bunt gestaltet, dass sie ganz klar Jugendliche ansprechen sollen“, ergänzt Matthias Liegl und sagt weiter: „So viele Zigaretten kann ein Jugendlicher kaum rauchen, so hoch ist der Nikotingehalt in den Vapes.“ Liegl ist Schmolke-El Titis Pendant beim Kreisdiakonieverband Ludwigsburg. Caritas und Diakonie sind die Träger von „#Chillout“, der Jugend- und Drogenberatung im Landkreis Ludwigsburg.
Kreis Ludwigsburg Sucht-Experten warnen vor Drogen aus dem Automaten
Die Jugend- und Drogenberatungsstelle „Chillout“ im Landkreis Ludwigsburg warnt vor vorübergehend legalen Drogen aus Kiosk-Automaten. Hoch im Kurs steht derzeit Lachgas, das gefährlicher ist als viele denken.
Jugendschutz reicht nicht aus
Die beiden Leiter der Suchthilfe haben zum Pressegespräch geladen, um nochmals klar zu sagen: „Ein angemessener Jugendschutz ist nach unseren Eindrücken aktuell keineswegs gewährleistet.“ Das Angebot in den Kiosk-Automaten sei auf Jugendliche zugeschnitten: Neben Süßigkeiten, Chips, Soft- und Energydrinks werden hochpotente Vapes mit bis zu 20 Milligramm Nikotin und unter anderem auch synthetische Cannabinoide verkauft (die BZ berichtete) sowie Lachgas-Kartuschen.
Ein Ausweis eines 18-Jährigen sei schnell besorgt, eine Kontrollfunktion gebe es an den Automaten nicht, so Schmolke-El Titi. Natürlich verdienen die Betreiber damit Geld. „Aber auch die Aufstellerbetreiber sind in der Verantwortung“, kritisiert Liegl. Aktuell liege bei den Jugendlichen Lachgas hoch im Kurs. Lachgas (Distickstoffmonoxid, eine Verbindung aus Stickstoff und Sauerstoff, wird schon lange als Narkosemittel eingesetzt. Es wirkt beruhigend und schmerzlindernd und löst einen kurzen Zustand von Euphorie aus. Lachgas kommt auch in der Küche zum Einsatz, zum Aufschlagen von Sahne. Im Supermarkt werden mit Lachgas gefüllte Kapseln für Sahnespender verkauft. „Aber auch in vielen Kiosk-Automaten werden Lachgas-Kartuschen vermarkt – und die sind extra bunt gestaltet“, sagt Schmolke-El Titi. Denn das Gas, das in Deutschland nicht als Droge eingestuft wird, wird seit einiger Zeit vor allem von jungen Menschen als Partydroge genutzt.
Ein großes Problem sei dabei auch die Verherrlichung in der Musikszene. Vor allem im Hip-Hop drehen sich viele Songtexte um den Drogenkonsum. Dass der Konsum von Lachgas, das in einen Luftballon geleitet und daraus dann inhaliert wird, nicht ungefährlich ist, konnte am Rapper „Haftbefehl“ beobachtet werden. 2022 musste er seine Tour abbrechen. Die „gesundheitlichen Gründe“ für den Abbruch waren die Nebenwirkungen seines exzessiven Lachgas-Konsums.
„Bei häufigem Konsum kann Lachgas das Knochenmark und das Nervensystem schwer schädigen. Bekannt ist, dass Lachgas die chemische Struktur des Vitamins B 12 verändert, sodass es dem Körper nicht mehr zur Verfügung steht“, sagt Liegl. Aber auch ein starkes psychisches Abhängigkeitspotenzial soll das Gas haben. Der genaue Mechanismus sei noch nicht erforscht. Es gab aber schon Todesfälle – auch im Kreis.
Da Lachgas, ebenso wie verschiedene CBD- oder Cannabinoid-Produkte legal erworben werden kann, suggeriere das eine falsche Harmlosigkeit, auch da Warn- und Aufklärungshinweise fehlen. Mittlerweile spricht sich Rapper „Haftbefehl“ aufgrund seiner schlechten Erfahrungen für ein Lachgas-Verbot aus; ebenso Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der den Verkauf von Lachgas an Jugendliche verbieten will. Die Gesetzesänderung soll nach der Sommerpause umgesetzt werden. In den Niederlanden ist das bereits geschehen, Gleiches gilt für Großbritannien. Lediglich kleine Patronen für Sahnespender sind noch frei erhältlich. Bunt verpackte Kiosk-Kartuschen sind illegal.
Gesetz kommt kaum hinterher
Das Problem ist, dass die Hersteller von sogenannten „Legal Highs“ (vorübergehend legale Drogen) Gesetzeslücken nutzen, um ihre Produkte zu vermarkten. „Das Hase-und-Igel-Spiel wird bleiben“, so Liegl. Bis die Substanzen durch das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpsG) verboten werden können, wurden sie bereits in großen Mengen konsumiert – und auch Nachfolgeprodukte, die aufgrund einer kleinen Änderung in der Molekularstruktur wieder legal sind, stehen zumeist schon in den Startlöchern. „Das ist hochriskant, da die Stoffe nicht erforscht sind. Das ist wirklich alles andere als harmlos“, sagt Schmolke-El Titi.
Jugend- und Drogenberatung „#Chillout“ im Landkreis Ludwigsburg
„Chillout“ ist ein Kooperationsangebot von Caritas und Diakonie im Kreis Ludwigsburg. Finanziert wird es durch Kreis, Sozialministerium Baden-Württemberg sowie die Träger, Caritas und Diakonie. Niederlassungen gibt es in Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen und Kornwestheim. Die Beratung ist konfessionsunabhängig, kostenlos und unterliegt der Schweigepflicht. www.drogenberatung-chillout.de