Kreis Ludwigsburg Tempo-Falle auf zwei Rädern

Von Helena Hadzic
Pedelec-Fahrer unterschätzen oft, wie schnell sie fahren. Foto: Imago / Funke Foto Services //Jörg Schimmel

In der Region gibt es immer mehr Unfälle mit Pedelecs. Zu den Gefahren einer Fahrt zählen vor allem das Gewicht des Rads, die Geschwindigkeit und der Verlust des Tempogefühls.

Besonders schnell ist Rebekka S. (Name geändert) aus dem Kreis Ludwigsburg nicht gefahren, immerhin wollte sie mit ihrem Pedelec auch nur die Straße überqueren. Sie erinnert sich noch daran, wie sie plötzlich regungslos auf dem Boden lag und höllische Schmerzen hatte. Nicht wegen eines Zusammenstoßes mit einem Auto oder etwa einem Motorrad – nein, Rebekka S. verlor lediglich das Gleichgewicht, als sie mit vier Kilometer pro Stunde auf die andere Straßenseite fuhr.

„Das Gewicht des Pedelecs hat mich einfach runter gezogen, wie aus dem Nichts“, erzählt die 35-jährige erfahrene Radfahrerin. Was erst einmal nach einem harmlosen Sturz klingt, hatte letztlich einen Bruch des Oberarmkopfes – also die Kugel des Schultergelenks – zur Folge. Es kann aber noch schlimmer kommen: Erst kürzlich erlag in Ludwigsburg ein 78-Jähriger Pedelec-Fahrer nach einem Sturz seinen Verletzungen. Wie gefährlich ist also eine Fahrt mit dem Pedelec?

Mehr Unfälle im Kreis

Dem Statistischen Bundesamt zufolge besaßen im Jahr 2022 bundesweit etwa 16 Prozent aller Haushalte ein Pedelec. Das schlägt sich in der Unfallstatistik nieder. Deren Zahl stieg Polizeipräsidium Ludwigsburg im Kreis auf 204 Fälle im Jahr 2023, nachdem es 2022 noch 188 gewesen waren.

Das Datenportal Statista.de weist seit 2022 eine rückläufige Nachfrage nach Pedelecs und E-Bikes aus. Gleichzeitig steigt die Zahl der Unfälle, auch solcher mit schweren Verletzungen oder gar tödlichen Folgen.

Aber warum eigentlich? Verletzungen werden dadurch begünstigt, dass die Fahrer meist keine Schutzkleidung tragen, wie beispielsweise Motorradfahrer, erklärt Steffen Grabenstein, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg

Die häufigste Unfall-Ursache mit immerhin 18,2 Prozent ist laut Sicherheitsbericht 2023 des Ludwigsburger Polizeipräsidiums – die Geschwindigkeit. Gewöhnliche Pedelecs erreichen bis zu 25 Kilometer pro Stunde, ein Speed-Pedelec bis zu 45 km/h.

Der Knackpunkt an der Sache: „Du kannst das Tempo nicht mehr deinem Fahrgefühl zuordnen“, weiß Rebekka S. „Egal ob du einen Hügel hoch- oder hinunterfährst, es fühlt sich immer gleich an. Dein Gefühl sagt dir schlicht nicht mehr, dass du einen Gang runterschalten solltest“, sagt sie. Zudem werde man als ungeübte Person häufig von der Geschwindigkeit überrascht, mit der Beschleunigung erreiche man schneller eine höhere Geschwindigkeit, als es beim Fahrrad der Fall sei, meint Grabenstein.

Ob das Pedelec deswegen gefährlicher als ein gewöhnliches Fahrrad ist? Nicht unbedingt, findet der Pressesprecher. „Grundsätzlich eine höhere Unfallgefahr von Pedelecs zu unterstellen, wäre aus meiner Sicht nicht sachgerecht, da zu einem Unfall immer viele Einflussfaktoren gehören“, erklärt er. Faktoren wie beispielsweise andere Verkehrsteilnehmer. Oder auch das Gewicht des Zweirads, wie etwa bei Rebekka S.

Zurück bleiben Narben

Acht Schrauben, eine Metallplatte und zwei Operationen waren nötig, um die Schulter von Rebekka S. wieder geradezubiegen. „Viele Leute unterschätzen das Gewicht, das habe ich auch“, sagt sie heute. Zurückgeblieben ist eine große Narben-Wucherung an ihrer Schulter, die sie täglich an den Unfall erinnert. „Ich kann nicht einmal zum Bäcker gehen, ohne gefragt zu werden, unter welches Messer ich mich gelegt habe“, erzählt sie. Seit dem Unfall fährt die nur noch Fahrrad, auf ein Pedelec ist sie nie wieder gestiegen.

 
 
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