Warum die fetten Jahre vorbei sind, was es mit dem digitalen Bauamt auf sich hat und warum 2024 im Zeichen des Klimaschutzes stehen wird: Im Gespräch mit der BZ zieht Landrat Dietmar Allgaier Bilanz für das Jahr 2023 und gibt einen Ausblick auf das kommende Jahr.
Kreis Ludwigsburg Was nach den fetten Jahren kommt
Landrat Dietmar Allgaier zieht am Jahresende Bilanz und gibt einen Ausblick auf 2024. Sinkende Steuereinnahmen und fehlendes Personal führen dazu, dass der Kreis Leistungen kürzen wird.
Herr Allgaier, im Januar 2024 können Sie Ihr Bergfest feiern. Haben Sie es schon bereut, Landrat geworden zu sein?
Dietmar Allgaier: Nein, auf keinen Fall. Aber die vier Jahre waren schon sehr intensiv, sie sind regelrecht vorbeigeflogen.
Wie war das Jubiläumsjahr zu 50 Jahre Kreisreform?
Kurz gesagt: Rundum gelungen. Es war ein schönes Jubiläumsjahr, und die positive Resonanz, die wir sowohl beim Landkreisfeschd als auch bei den zahlreichen begleitenden Veranstaltungen, wie zum Beispiel der Landkreisolympiade, erfahren durften, hat uns sehr gefreut. Es ist schön zu sehen, wie solche Ereignisse das Landratsamt den Bürgerinnen und Bürgern näher bringt.
Stichwort Krisen: Sind die fetten Jahre im Kreis jetzt vorbei?
Ich fürchte ja. Die Steuereinnahmen und die Steuerkraft in den Gemeinden gehen zurück, die Ausgaben steigen. Die kommunalen Haushalte rutschen mehr und mehr in schwierige Situationen. Nur noch sechs von 39 Städten und Gemeinden schließen mit einem positivem Ergebnishaushalt ab.
Die Liquidität des Kreises sinkt, die Schulden im Kernhaushalt und bei den Kliniken steigen. Was bedeutet diese Entwicklung?
Ich befürchte, dass wir unsere Haushalte stärker konsolidieren und prüfen müssen, in welchen Bereichen wir freiwillige Leistungen reduzieren, die wir heute noch als selbstverständlich ansehen. Nicht nur aus monetären Gründen, sondern weil uns in den öffentlichen Verwaltungen auch das Personal fehlt. Es haben sich Besitzstände in den fetten Jahren aufgebaut, wir werden nicht umhin kommen, hier zu reduzieren.
Über welche Bereiche werden Sie nachdenken?
Wir fördern in vielen Bereichen – von der Kultur bis zum Umwelt- und Naturschutz, von der Mobilität bis in den Bereich Soziales. Unsere Aufgabe wird es sein zu schauen, wo wir Zuschüsse reduzieren können, ohne unsere Kernaufgaben zu beschneiden.
Die zum Teil längeren Bearbeitungszeiten spürt der Bürger heute schon. Ich weiß, dass das auch zu Kritik führt, aber bei gleichbleibendem Personal haben wir immer mehr Aufgaben zu bewältigen, etwa bei den Sozialleistungen oder in der Ausländerbehörde aufgrund der Geflüchteten. Wir wollen mehr Prozesse digitalisieren: Ab dem nächsten Jahr wird es das digitale Bauamt geben, bei dem man Bauanträge digital einreichen und bearbeiten kann. Wir werden auch Prozesse innerhalb der Verwaltung optimieren. Letztlich muss man abwägen, was man sich noch leisten kann. Der Kreishaushalt ist ohnehin relativ unflexibel, weil er über die Hälfte vom Sozialetat geprägt wird.
Die Sozialausgaben sind keine Stellschrauben?
Nein, das sind fixe Vorgaben. Bei den Kosten für Migranten bekommen wir nicht mehr alles vom Gesetzgeber erstattet. Es bleibt immer noch ein Betrag übrig, den wir finanzieren müssen. Zurzeit kommen immer mehr unbegleitete Minderjährige zu uns, was sich auch auf die Voraussetzungen der Wohnformen auswirkt. Die Zahl der Minderjährigen nimmt insgesamt zu und Baden-Württemberg hinkt bei der Quote hinterher.
Der Schanzacker als möglicher Standort für eine Landeserstaufnahme (Lea) wird baurechtlich geprüft.
Diese Prüfung müssen wir abwarten, aber die Kommunikation des Landes ist in diesem Zusammenhang nicht besonders vertrauenserweckend verlaufen. Auch wenn ich das Dilemma des Landes durch die Zuweisung der Geflüchteten verstehe – es gibt Schutzgüter, die man nicht infrage stellen kann. Es ist kein gutes Miteinander mehr, wenn der Ministerpräsident ankündigt, die Entscheidung über die Erstaufnahme über Städte und Gemeinden hinweg zu treffen. Ich habe von Beginn an meine Bedenken gegen die Lea auf dem Schanzacker geäußert. Es sprechen viele Sachargumente gegen dieses Vorhaben – von den baurechtlichen Vorgaben, über die Bedeutung des Geländes als Grünzug und damit für die Erholung unserer Bürgerinnen und Bürger und für den Naturschutz bis hin zur ebenso schwierigen wie kostspieligen Erschließung des Geländes.
Welche Entwicklungen erwarten Sie beim Öffentlichen Personennahverkehr?
In der Region Stuttgart haben wir ein sehr gutes Angebot. Wir optimieren von Jahr zu Jahr: Wir investieren 60 Millionen Euro pro Jahr vom Landkreis aus, passen die Taktungen an, auch bei der Strohgäubahn. Bei der Stadtbahn Ludwigsburg sind wir einen erheblichen Schritt weitergekommen und haben eine Machbarkeitsstudie Richtung Rems-Murr-Kreis auf den Weg gebracht. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch die On-Demand-Verkehre auf den Weg bringen. Wir bereiten den Klimamobilitätsplan vor, der unter anderem dafür sorgen soll, dass mehr Busse elektrifiziert werden.
Welche Entwicklung gab es bei der Bürgergenossenschaft Wohnen?
Im Immobilienbereich gab es aufgrund der steigenden Inflation, des veränderten Zinsniveaus und der militärischen Auseinandersetzungen einen Einbruch. Zum Vergleich: 2021 haben wir 48 Millionen Euro an Grunderwerbssteuern eingenommen. Jetzt rechnen wir noch mit 35 Millionen.
Auf das Niveau der früheren Jahre werden wir nicht mehr kommen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum. Mit unserer Bürgergenossenschaft werden wir die Wohnungsnot nicht gravierend lindern, aber einen kleinen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen leisten. 2024 wird es für das erste Projekt den Spatenstich in Bönnigheim geben.
Sind Sie zufrieden mit dem Stand der Digitalisierung in der Verwaltung?
Zufrieden bin ich noch nicht, weil noch zu viel fehlt. Aber wir sind gut vorangekommen, vor allem in den Beruflichen Schulen.
Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel um?
Auch wir Verwaltungen müssen uns als attraktiver Arbeitgeber aufstellen. Wir diskutieren gerade darüber, den Azubis E-Scooter bereitzustellen. Das sind die sogenannten kleinen „Soft Skills“. Wir arbeiten auch an einem neuen Personalmarketingkonzept und haben Personalbindungsprozesse. Wir versuchen uns da gut aufzustellen. Was das mobile Arbeiten angeht, arbeiten wir seit wenigen Wochen an einer strategischen Raumplanung für ein Landratsamt der Zukunft. Wie das Ergebnis aussehen wird, hängt von dem Umstellungsprozess auf die elektronische Akte ab, da sind wir mittendrin.
Was erwarten Sie vom Jahr 2024?
Bei der Krankenhausreform muss die strukturelle Unterfinanzierung angegangen werden, hier sind schnelle Entscheidungen gefragt, damit auch große Häuser wie die RKH Kliniken nicht in weitere Finanzierungsnöte kommen.
Außerdem stehen die Kommunalwahlen an und der Kreistag wird neu gewählt. Mit dem bisherigen Gremium habe ich sehr gut zusammengearbeitet. Ich schätze sehr, dass die Mitglieder die Themen des Landkreises sachorientiert und fachkundig begleitet haben. Wir haben in der jetzigen Legislaturperiode vieles auf den Weg gebracht.
Ich freue mich auf das Jahr des Klimaschutzes 2024: Wir schreiben das Klimaschutzkonzept fort, im März planen wir eine Klimakonferenz mit Verbänden und Institutionen auf kommunaler Ebene und mit den jeweiligen Partnerregionen.
Die Verwaltung hat sich dazu verpflichtet, bis 2035 klimaneutral zu werden. Wir sind dabei auf einem sehr guten Weg. Die Klimalotsen sind etabliert und bei den Mitarbeitern gibt es eine starke Sensibilisierung für das Thema.
Vielen Dank für das Gespräch.