Wenn jemand darüber nachdenkt, ein Pflegekind aufzunehmen – trauen Sie sich einfach“, rät Petra Schmid. Gemeinsam mit ihrem Mann Thomas hat sie in den vergangenen acht Jahren 14 Kinder für rund vier bis sechs Monate als Bereitschaftspflegeeltern aufgenommen – vom Neugeborenen bis zu Zehnjährigen. Die beiden, die selbst zwei Kinder haben, leben im Landkreis Ludwigsburg. Weil Pflegeeltern zum Schutz der Kinder aber anonym bleiben, möchten sie ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Mit der BZ haben sie über ihre Erfahrungen gesprochen.
Kreis Ludwigsburg Wenn Kinder in Not geraten
Als Bereitschaftspflegeeltern betreuen die Schmids seit acht Jahren Kinder, die in einer Notsituation aus ihren Familien genommen wurden. Ein Erfahrungsbericht.
Zu viert in den Urlaub gefahren
Es war im Mai 2016, als der erste Anruf kam. Die Schmids hatten das Seminar für Pflegeeltern absolviert, als ihnen ein Geschwisterpaar, anderthalb und drei Jahre alt, anvertraut wurde. „Im August sind wir dann mit vier Kindern in den Urlaub gefahren“, erinnert sich Thomas Schmid. In den ersten Wochen würden sich die Kinder stark anpassen. „Erst danach öffnen sie sich“, sagt Petra Schmid, die zunächst noch gearbeitet hatte, sich dann aber für die Betreuung der Pflegekinder entschieden hat: „Ich sage den Kindern immer: Wenn du sprechen willst, ich bin da.“
Die Schicksale der Pflegekinder, die vom Jugendamt aus prekären Situationen in den Ursprungsfamilien geholt werden, kennen die Pflegeeltern nur zum Teil. Thomas Schmid sagt, dass er im Detail auch gar nicht wissen möchte, was die Kinder mitgemacht haben. „Wenn sie bei uns gelandet sind, ist es für mich ein Kind, um das wir uns kümmern“, sagt er und weiter: „Das ist wie ein Auftrag an uns.“ Aber wenn Kinder das Essen herunterschlingen aus Angst, nicht genug zu bekommen, erstaunt danach fragen, ob sie nicht geschlagen werden oder ob es keine Spinnen im Haus gibt, bekommen die Schmids einen Eindruck davon, was sie erlebt haben.
Den meisten Pflegekindern fehle im Alltag die Struktur – das gemeinsame Essen, das Spielen, das Lernen für die Schule, das Familienleben jenseits von Handy und Spielekonsole. Zunächst gehe es darum, dass das Kind bei den Schmids zur Ruhe kommen kann. Je nach Alter gehen die Kinder dort zur Schule oder in den Kindergarten. Wobei die Schmids kritisieren, dass es nicht leicht sei, einen Kitaplatz zu bekommen. Hier wäre es schön, wenn die Kommunen Plätze für solche Fälle vorhalten würden.
Ob Arzt- oder Friseurbesuch: Dafür müssen die Pflegeeltern das Einverständnis der Eltern einholen. Alle sieben bis 14 Tage haben die Kinder Umgang mit ihren leiblichen Eltern. Petra Schmid ist es wichtig, diese nicht zu verurteilen, sondern ihnen wertschätzend zu begegnen: „Niemand behandelt sein Kind absichtlich schlecht“, ist sie überzeugt. Neben dieser Wertschätzung braucht es vor allem Humor, um Pflegeeltern zu werden, findet sie: Man müsse einen schlechten Tag auch mal abhaken können.
Wenn die Kinder die Schmids wieder verlassen, bekommen sie ein Buch mit vielen Fotos mit, damit sie sich an die dort verbrachte Zeit erinnern. Unter den Pflegekindern der Schmids waren Kinder bis zu zehn Jahren, aus unterschiedlichen Kulturen und mit verschiedenen Religionen und Hautfarben. „Wenn die Kinder bei uns sind, gehen sie auch mit uns in die Kirche“, sagt Thomas Schmid. Vielen gefalle das gut. Den Schmids geht es darum, dass die Kinder am Leben der Familie teilnehmen. Was sie jedoch störe, ist, wenn Kinder mit anderer Hautfarbe angestarrt werden.
Auch ein Neugeborenes mit Downsyndrom haben die Schmids schon betreut. Doch da die Familie keine Ausstattung mehr für Säuglinge vorrätig hatte, sei die Betreuung intensiv gewesen. „Mittlerweile können wir nein sagen“, sagt Petra Schmid: „das ist wichtig.“ Und die beiden haben sich darauf verständigt, keine Babys mehr zu aufzunehmen. Da viele Bereitschaftspflegestellen gerne Säuglinge aufnehmen, sei das kein Problem.
Die Zusammenarbeit mit dem Amt laufe in der Regel gut. Wegen des Geldes nehmen die Schmids aber keine Kinder auf: „Wir zahlen eher etwas drauf“, sagt Thomas Schmid.
Schönster Moment
Er wünscht sich, dass Pflegeeltern mehr Infos über die Kinder bekommen, wenn sie die Familie wieder verlassen haben, vor allem auch wenn sie in die Zuständigkeit eines anderen Amtes gewechselt sind – wie es beim ersten Geschwisterpaar gewesen sei.
Bei einem Kind wissen die Schmids genau, wie es weiterging – sie haben es mit fast zwei Jahren als Bereitschaftspflegeeltern übernommen, damals nahm das Mädchen die Hand von Thomas Schmid und ging mit ihnen nach Hause. Ein Moment, der ihm sehr naheging. Mittlerweile sind die beiden Vollzeitpflegeeltern des Kindes, das zunächst kaum alleine bleiben konnte. Als die Pflegetochter nach einer Diskussion entrüstet sagte „dann gehe ich jetzt in mein Zimmer“, sei das für sie der schönste Moment gewesen, sagt Petra Schmid.