Kreis Ludwigsburg Wie man einen Killer schnappt

Von Helena Hadzic
Clemens R., Ermittler bei der Kriminalpolizei, vor seinem Arbeitsplatz: Das Polizeipräsidium Ludwigsburg. Foto: /Oliver Bürkle

Clemens R. arbeitet seit 12 Jahren als Ermittler bei der Kriminalpolizei. Was für Fälle er bearbeitet, wie er auf Spurensuche geht und was der Job mit ihm macht, erzählt er im Gespräch mit der BZ.

Eine riesige, weiße Pinnwand mit einem Zeitstrahl, der die Ereignisse wiedergibt, ein paar Fotos von Verdächtigen und Informationen. Mit einer heißen Tasse Kaffee steht ein Kripo-Ermittler vor ihr und grübelt. Der Dampf der braunen Brühe steigt ihm in die Nase, während er ein Foto fokussiert. Er überlegt – könnte das der Mörder sein? Was wie eine typische Szene aus einem Krimi wirkt, ist das Leben von Clemens R., denn er ist Ermittler beim der Kriminalpolizei Ludwigsburg. Seit zwölf Jahren nun schon deckt der 38-Jährige Verbrechen auf, darunter auch grausame Tötungsdelikte. Dass der Job kein leichter ist, zeigen die vielen Filme und Serien über Kriminalfälle.

Oder doch nicht? „So wie in einer Krimiserie laufen Ermittlungen in Wirklichkeit nicht ab“, sagt Victoria Zahler, Pressesprecherin bei der Polizei Ludwigsburg, vorneweg. Das weiß sie so genau, weil auch sie mal bei der Kriminalpolizei war. Ihr Fachgebiet waren allerdings Fälle im Bereich des Betrugs und der Wirtschaftskriminalität.

Was Clemens R. jedoch bestätigen kann: „Der Zeitstrahl auf der Pinnwand kommt zum Einsatz, allerdings bei größeren Fällen“, sagt der Kripo-Ermittler. Im Gespräch mit der BZ erzählt er, was für Fälle er bearbeitet, wie sein Arbeitsalltag aussieht und sogar welches Verbrechen ihn am meisten erschüttert hat.

Zur Feuerwehr, zur Polizei oder doch Astronaut werden?

Besonders auffällig ist Clemens R. nicht gekleidet – ein weißes T-Shirt und ein Hemd darüber. Was ihn allerdings zum Ermittler macht, ist die Marke um seinen Hals. Darauf steht geschrieben „Kriminalpolizei“. Wie er dazu kam? „Als kleiner Junge hat man drei Möglichkeiten: Man kann Feuerwehrmann werden, zur Polizei zu gehen oder Astronaut werden“, sagt der Kripo-Ermittler. Offensichtlich hat das mit der Astronauten-Karriere nicht so gut geklappt, seine zweite Wahl fiel auf die Polizei. „Weil ich den Beruf einfach schon immer interessant fand und sehr neugierig bin“, sagt er.

Nach seinem Studium zum „Bachelor of Arts – Polizeivollzugsdienst / Police Service“, musste er sich dann ein weiteres Mal entscheiden: Geht er zu Schutzpolizei oder zur Kripo? Die Männer und Frauen der Schutzpolizei sind übrigens die in der blauen Polizeiuniform, die unter anderem auf Streife sind.

„Vor Gericht bin ich immer noch aufgeregt“

Für Clemens R. war klar: Er möchte Ermittlungsverfahren zu Ende bearbeiten, sie ausermitteln, bis keine Fragen mehr offen sind, auch wenn er selbst nicht aus einer Polizeifamilie kommt. So kam er nach Ludwigsburg. Sein erster Fall mit 26 Jahren waren ein paar Kinder, die zwischen Heuballen geklettert sind, gezündelt und damit einen Brand ausgelöst haben, erzählt er. „Natürlich war ich bei meinem ersten Fall noch etwas unbeholfener, auch bei Vernehmungen oder vor Gericht war ich aufgeregt“, erinnert sich Clemens R. „Wobei, bei Gericht bin ich noch heute aufgeregt“, gibt er lachend zu.

Über die Jahre allerdings wächst er in die Rolle des Kripo-Ermittlers hinein, und mit jedem Fall wächst auch seine Erfahrung. Heute übernimmt er alle möglichen Fälle, die im Dezernat 1 anfallen. Das sind beispielsweise Tötungsdelikte, Brandstiftungen, tödliche Arbeitsunfälle oder beispielsweise auch Suizidfälle.

Jeder Fall sei anders, betont Clemens R., immer wieder aufs Neue müsse er sich in unbekannte Gewässer begeben. „Es wird also nie langweilig“, meint er. Nach einem speziellen Schema oder Muster arbeitet er daher weniger. Es gehe vielmehr darum, sich wie etwa bei einem Tötungsdelikt, in den Täter hineinzuversetzen und einzufühlen.

Mit der Zeit entwickle man ein Gespür und auch die Nase, die man als Ermittler braucht. Etwas, was nicht immer einfach ist, besonders nicht, wenn man, wie Clemens R. an bis zu 15 Fällen gleichzeitig arbeitet. Im Schnitt dauert die Bearbeitung eines Falls, an dem je nach Größe bis zu 30 Beamte arbeiten können, zwischen zwei und sechs Monate. Im Falle einer Haftsache, also der Festnahme und Inhaftierung eines Tatverdächtigen während der Ermittlungen, ist das nach gesetzlicher Vorgabe auch die maximale Bearbeitungszeit.

Dennoch gibt es auch ältere Fälle, sogenannte „Cold Cases“, die nicht etwa in einem Kellerschrank verstauben. „Auch an den alten Ermittlungen wird stets weitergearbeitet, gerade wenn sich – auch durch die technologische Entwicklung – neue Beweise auftun“, merkt Pressesprecherin Victoria Zahler an. An diesen arbeiten zwei Kolleginnen beim Kriminalkommissariat Ludwigsburg, die die Akten immer wieder sichten.

Kaltblütige Verbrechen, die erschüttern – selbst die Ermittler

Unter den Fällen, die Clemens R. bearbeitet, gibt es auch einige kaltblütige Verbrechen, die auch ihm nahe gehen, unter anderem, weil er selbst Vater ist. Fälle wie beispielsweise der eines Mannes aus dem Landkreis, der seine Familie umgebracht hat. Oder auch der Fall der im Alter von 17 Jahren ermordeten Tabitha E. aus Asperg, an dem Clemens R. ebenfalls als Ermittler beteiligt war. „So etwas ist natürlich erschreckend, aber man muss trotzdem objektiv und professionell an einen solchen Fall herangehen, auch wenn es schwer fällt“, sagt er. Leichen habe er bereits öfter gesehen – gewöhnen könne man sich in der Form nie daran, obgleich er gelernt hat, damit umzugehen.

„Natürlich macht das etwas mit einem, das geht nicht spurlos an mir vorbei“, erzählt er. Den Kopf bekommt er frei, indem er sich nach einem solchen Arbeitstag auf sein Rad schwingt und nach Hause fährt, Zeit mit Frau und Kind verbringt oder aber mit seinen Kollegen spricht.

„Man wird nicht alleine gelassen, sondern redet darüber – das hilft“, erzählt der Ludwigsburger. Auch wird seitens der Polizei psychologische Beratung angeboten – gerade bei jenen Fällen, die bis ins Marl erschüttern und nachhallen. „Es ist aber wichtig, eine gewisse Distanz zu bewahren“. Zu viel Mitgefühl im Job sei hinderlich, zu wenig Empathie auch – denn bei Vernehmungen von Zeugen sowie Angehörigen des Opfers oder Täters sei es wichtig, auf die Menschen eingehen zu können und schlicht „menschlich“ zu sein. Was die Täter betrifft, sei Objektivität gefragt, betont er in diesem Zusammenhang.

Ob er schon einmal aggressiv angegangen wurde oder womöglich körperlich angegriffen? „Tatsächlich noch nie“, so Clemens R., denn er verfolgt eine einfache. aber wirkungsvolle Strategie: „Wenn man den Menschen mit Respekt begegnet, bekommt man diesen auch Respekt zurück, selbst bei Vernehmungen“, sagt er. Die schwierigsten Fälle sind jedoch Brandstiftungen, findet er. Diese bleiben auch häufigsten unaufgeklärt. „Je länger es brennt, desto mehr wird zerstört. Die Beweise zu finden, kann auch schon mal herausfordernd sein.“

Eintauchen in private Haushalte, Leben und Tragödien

Ob er ein bestimmtes Ritual hat, bevor er sich an die Arbeit macht? „Morgens ist das sicherlich der erste Kaffee, oder auch der zweite“, sagt er lachend. Natürlich nur, wenn er nicht gerade aus aktuellem Anlass abends zum Einsatz gerufen wird, oder aber am Wochenende. Die Ersten an einem Tatort, sind die Leute sind meist die Beamten des Streifendienstes und die Leute von der Spurensicherung. Erst danach muss Clemens R. ans Werk und in die privaten Haushalte, Leben und oftmals Tragödien eintauchen.

Damit möchte er für Gerechtigkeit sorgen und die Straßen wieder sicher machen. „Letztendlich ist es ein Beruf, der einen Wert hat – ich mache etwas sinnvolles“, so Clemens R.

 
 
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