Kreis Ludwigsburg Wie sich die Bestattungskultur wandelt

Von Frank Ruppert
Ein katholischer Pfarrer trägt einen Weihwasserkessel auf dem Weg zur Grabstelle bei einer Beerdigung Foto: Imago/Winfried Rothermel

Mehr Urnen- und Baumgräber, neue Trauerfeier-Formen: Kirchen wollen den Wandel mitgestalten und gleichzeitig christliche Bräuche erhalten.

Kreis Ludwigsburg. Im Landkreis Ludwigsburg lasse sich sehr schön ablesen, wie sich die Friedhofskultur insgesamt verändert, meint Wolfgang Müller. Er hat die Profilstelle Trauerpastoral beim katholischen Dekanat Ludwigsburg inne, beschäftigt sich somit hauptsächlich mit Trauer und Bestattungen. Er begleitet die Gemeinden und die Seelsorger in ihrer Arbeit zum Trauerpastoral.

Er schafft Fortbildungen für Trauergruppen und zur Trauerbegleitung und ist Ansprechpartner für alle Fragen zum Thema Trauer und Tod. „Zahlreiche Kommunen haben bereits ihre Friedhöfe weiterentwickelt, andere sind mittendrin. Dabei ist es vor allem der Druck, dass Flächen nicht mehr den gewünschten Ertrag bringen. Gerade auf herkömmlichen Friedhöfen häufen sich Leerstellen in Grabfeldern, weil Gräber nicht mehr verlängert werden oder das früher beliebte Familiengrab so nicht mehr aufrecht erhalten wird“, führt Müller weiter aus.

Bestattungsorte außerhalb der Traditionen

Ausgelöst wurden diese Entwicklungen laut Müller durch die Friedwälder und Ruheforste. Seither nutzen Menschen zum ersten Mal die Möglichkeit, den Bestattungsort für sich selbst oder Angehörige ganz neu und außerhalb der bis dahin gewohnten Traditionen zu wählen. „Inzwischen gibt es kaum mehr einen Friedhof, auf dem es nicht auch die Möglichkeit zur Baumbestattung und/oder zur anonymen oder halbanonymen Bestattung gibt“, sagt der Trauerexperte. Das habe auch einen wertvollen psychologischen Grund. Denn für die Trauernden sei es bei Friedwäldern oftmals sehr mühsam, zum Grab zu kommen. Dieser Erinnerungsort sei aber für Trauerprozesse oft wichtig. Und da helfe eine Erreichbarkeit vor Ort den Menschen durchaus.

Alexander König, katholischer Dekan in Ludwigsburg, bestätigt den Eindruck und sagt, dass es mittlerweile mehr Urnenbeisetzungen als Erdbestattungen gebe. Etwa 1000 Bestattungen finden jährlich in den Gemeinden des Dekanats statt. Bei den Urnenbeisetzungen gehe der Trend hin zu nur einer Trauerfeier.

Früher habe es in der Regel zuerst die Trauerfeier und dann nach der Einäscherung die Beisetzung der Urne gegeben. Heutzutage sei die Urne von Anfang an bei der Feier dabei. „Die Trauer wird dann nicht auf zwei Feiern verteilt, wo bei der ersten Feier das Grab fehlt, bei der späteren Beisetzung der feierliche Rahmen. Sondern die Familie und die Angehörigen kommen bei der Urnentrauerfeier einmal zu einer Zeremonie zusammen, die im ersten Teil das Leben der verstorbenen Angehörigen in den Blick nimmt und im zweiten Teil am Grab eine Stätte schafft, die der Erinnerung dient“, sagt König.

Veränderungen als Herausforderung für Pfarrer

Für Eberhard Feucht, Dekan im evangelischen Kirchenbezirk Besigheim, liegt der Wandel der Bestattungskultur unter anderem darin, dass die Angehörigen neben der seelsorgerischen Begleitung vor allem Wert darauf legen, dass individuelle Wünsche und das Leben des Verstorbenen bei der Gestaltung des Abschieds und der Trauerfeier berücksichtigt werden. „Hinzu kommt die Beobachtung, dass das Ritual der Trauerfeier den Menschen oft fremd geworden ist und daher im Rahmen des Trauergesprächs erklärt werden muss“, sagt Feucht.

Der Theologe meint aber auch, dass die Bestattungskultur zu allen Zeiten einem Wandel unterlegen habe. Für ihn sei wichtig, „in einer postmodernen Gesellschaft den Schatz der christlichen Botschaft und einer christlichen Trauerfeier neu zu entdecken“. Die Veränderungen erforderten von Pfarrerinnen und Pfarrern ein Höchstmaß an Empathie und Flexibilität.

Ganz unabhängig von der Trauerfeier stellt Feucht fest, dass es immer weniger traditionelle Erdbestattungen gibt und dafür mehr Feuerbestattungen oder Bestattungen in einem Friedwald nachgefragt werden. Für den Besigheimer Dekan ist das eine Entwicklung, die er kritisch begleitet: „Mir fällt auf, dass für viele Angehörige erst im Nachhinein die Bedeutung einer Grabstätte auf dem ortsnahen Friedhof wichtig wird, sozusagen in dem Sinne, dass der Verstorbene noch ,eine Adresse’ hat.“ Zugleich komme ein wichtiger sozialer und seelsorgerischer Aspekt hinzu: Auf dem Friedhof treffe man Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen.

Frank Dettinger, Beauftragter für Pressearbeit im evangelischen Kirchenbezirk Vaihingen-Ditzingen, sieht auch einen Trend hin zu kürzeren Formen. So gebe es zum Teil Trauerfeiern direkt am Grab. „Die christliche Bestattungskultur ist – wie schon immer – im Wandel und wird es weiter bleiben.“

Das Dekanat
Ludwigsburg ist fast deckungsgleich mit dem Landkreis Ludwigsburg. Etwa 111 000 Katholikinnen und Katholiken leben in 45 katholischen Kirchengemeinden (davon zwölf Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache). Diese sind in 13 Seelsorgeeinheiten zusammengefasst. 2021 wurden insgesamt 958 Bestattungen im Bereich des Dekanats verzeichnet.

Der Evangelische Kirchenbezirk
Besigheim umfasst 14 Kirchengemeinden und rund 39 000 evangelischen Gemeindeglieder. 2021 gab es im Bezirk 574 Bestattungen evangelischer Konfession, neun katholischer sowie 16 andere.

 
 
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