Wir sind keine typische Selbsthilfegruppe“, sagt Ute Neitzel. Vor zehn Jahren gründete sie die Selbsthilfegruppe (SHG) Lily Ludwigsburg. Ein Hilfsangebot, das sich an Betroffene mit der Diagnose Lipödem oder Lymphödem wendet. „Wir sitzen aber nicht im Stuhlkreis und man muss sich bei uns auch nicht vorstellen“, sagt Neitzel und lacht. Der Austausch und Infos zu Behandlungsmethoden wie Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Fettabsaugung stehen im Vordergrund. Es geht aber auch um Ernährung und Sport wie gemeinsames Laufen oder Schwimmen. Mittlerweile gibt es rund 150 Mitglieder, „Lily“ sei damit eine der größten Selbsthilfegruppen in Deutschland.
Kreis Ludwigsburg „Wir sitzen nicht im Stuhlkreis“
Vor zehn Jahren gründete Ute Neitzel die Selbsthilfegruppe „Lily“. Sie unterstützt Betroffene von Lymph- und Lipödemen.
Scham und Schmerzen
Ein Lymphödem ist eine Erkrankung des Lymphgefäßsystems. Dieses ist für den Abtransport von Flüssigkeit und Eiweiß verantwortlich. Bei einer Störung bleiben diese im Gewebe zurück. Dadurch kann eine Schwellung entstehen – ein Lymphödem. Ein Lipödem, auch als Reiterhosen-Syndrom bekannt, ist eine Häufung von Fettgewebe vor allem an Hüften, Oberschenkeln und Oberarmen. Das Lipödem tritt fast ausschließlich bei Frauen auf. Zur Scham der Betroffenen komme hinzu, dass Bewegungen oft beschwerlich sind, schon Berührungen können Schmerzen verursachen, es entstehen rasch blaue Flecken. „Auch wenn die Menschen ‚dick aussehen’ ist das Lipödem kein Ausdruck von Übergewicht“, heißt es auf der SHG-Website. Dennoch seien viele auch von Adipositas betroffen, sagt die 60-Jährige aus Tamm.
Als sie selbst 2012 aus einer Reha zurückkam, wollte sie sich mit anderen Betroffenen austauschen, stellte aber fest, dass es keine Gruppe im Großraum Stuttgart gab – und gründete selbst eine. Über Facebook tauschte sie sich zunächst mit rund 20 Menschen aus und traf sich zunächst im privaten Rahmen. 2015 wurde schließlich eine offizielle Selbsthilfegruppe mit monatlichen Treffen in Ludwigsburg daraus. „Ruckzuck kamen 40 Leute“, erinnert sie sich. Weil der Raum begrenzt war, musste sie mit Anmeldelisten arbeiten. „Wir sind regelrecht überrannt worden, wir waren auch schon einmal über 200 Mitglieder.“
Lange Zeit kaum ein Thema
Lipödeme waren in der Medizin lange Zeit kaum ein Thema. Derzeit diskutieren Mediziner darüber, ob die Krankheit eher als Schmerzkrankheit denn zur Gruppe der Ödemen zuzuordnen ist. Auch wenn letztlich nur Fettabsaugen die Ursache bekämpfe, sei das kein Allheilmittel, zumal die Kasse erst in einem bestimmten Stadium der Krankheit diese Operation zahle. Aber auch mit Sport könne man viel erreichen, ist Neitzel überzeugt, „man muss aber wollen“, gutes Selbstmanagement gehöre dazu. Die gemeinsamen Unternehmungen, zu der oft nur der harte Kern der SHG komme, helfe dabei, die eigene Scham zu überwinden. Wasser „ist für uns das A und O“, das wie eine zusätzliche Lymphdrainage wirke. Was sich Neitzel für die Zukunft wünscht? Dass mehr Menschen eine Selbsthilfegruppe zum Thema gründen oder in die Organisation mit einsteigen.
Einen Lymphtag veranstaltet die SHG am Samstag, 10. Mai, von 8.15 bis 16.10 Uhr im Reithaus in Ludwigsburg. Auf dem Programm stehen Vorträge, eine Ausstellung von zahlreichen Sanitätsprodukten sowie Workshops. Die Teilnahme kostet 20 Euro inklusive Imbisse. Auch wenn der eine oder andere Workshop schon ausgebucht ist, gibt es noch freie Plätze.