Das Regierungspräsidium Freiburg hat die ersten Hanf-Anbaugenehmigungen an zwei Cannabis-Social-Clubs (CSC) in Achern und Mannheim ausgestellt. Sie gehören demnach zu den ersten Clubs in Baden-Württemberg, die Anfang Juli ihre Unterlagen einreichten. Wie ist es um die Konsumentenclubs im Landkreis Ludwigsburg bestellt? Und wie hat sich die Cannabis-Legalisierung bislang ausgewirkt? Die BZ hat nachgefragt.
Kreis Ludwigsburg Zäher Start für Cannabis-Clubs
Die ersten beiden Cannabis-Social-Clubs sind offiziell genehmigt worden. Wie steht es um die Club-Projekte im Kreis? Und wirkt sich die Teillegalisierung des Kiffens bislang aus?
Die Clubs: Zwischen Prävention und Sicherheitskonzept
Im Landkreis Ludwigsburg stehen bislang mehrere Anbauvereinigungen in den Startlöchern. So wollen im westlichen Landkreis gleich mehrere Konsumentenvereinigungen gemeinsam in einem alten Gewächshaus Hanf anbauen (die BZ berichtete).
Die Vorbereitungen für den Anbau laufen bereits, erzählt Michael Tizzano, der das Vorhaben berät. Derzeit feilt er an einem Sicherheitskonzept für das Gelände. „Sobald das fertig ist, reichen wir unseren Antrag beim zuständigen Regierungspräsidium in Freiburg ein“, sagt Tizzano. Wahrscheinlich noch im November.
Sollte der Antrag genehmigt werden, derzeit liege die Bearbeitungszeit wohl zwischen sechs und acht Wochen, rechnet Tizzano mit der ersten Hanfernte im nächsten Frühjahr. Allerdings sei das gesamte Genehmigungsprozedere von der Suche und Erlaubnis einer Anbaufläche bis zur Einrichtung eines Clublokals und einer Ausgabestelle für das Cannabis recht zäh. „Es ist eine Mischung aus viel Bürokratie und Verunsicherung aufseiten der Behörden“, meint Tizzano. Letzteres sei auch verständlich: „Was hier passiert, ist für allle neu.“
Der ebenfalls in Gründung befindliche Cannameleon Cannabis Club Ludwigsburg wartet noch mit seinem Genehmigungsantrag. „Im Dezember wird erst einmal ein Mitglied zum Präventionsbeauftragten geschult“, sagt die künftige Club-Vorsitzende Margarita Burghardt.
Präventionsbeauftragte sind in jedem Club gesetzlich vorgeschrieben. Die Schulung bei der Landesstelle für Suchtfragen in Baden-Württemberg koste 550 Euro, so Burghardt. Geld, dass der Club ausgeben muss, bevor es überhaupt richtig losgeht.
Dafür fehlt derzeit auch noch eine Anbaufläche. „Es ist eine beträchtliche Herausforderung, etwas Passendes zu finden“, sagt Burghardt. Dasselbe gelte für die künftige Ausgabestelle. Sie sei aber optimistisch, dass der Club bis Ende des ersten Quartals 2025 fündig werde.
Die Kommunen: Probleme mit verschiedenen Rechtslagen
Dass allein schon die Akquise von Anbaumöglichkeiten schwierig ist, liege auch an der Rechtslage, wie Sebastian Ritter erklärt. „Laut Gesetz sind die Anbauvereine ja nicht-gewerblich“, so der Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg. Gewerbegebiete, die sich etwa aus Gründen des Jugendschutzes als Standort für den Hanfanbau eigneten, seien allerdings vorwiegend eben gewinnorientierten Unternehmen vorbehalten.
Auch in anderer Hinsicht gebe es widerstreitende Rechtssprechung. Zwar dürfe nun jedermann zuhause kiffen. Doch das könnte auf dem heimischen Balkon in einem Mietshaus bereits schwierig werden, weil es gegen den Jugend- und den Nichtraucherschutz verstoßen könne. Letzterer sei zudem Ländersache und unterschiedlich streng geregelt.
Die Justiz: Abtragen einer Lawine an Urteilsüberprüfungen
Mit der Bürokratie haben auch die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu kämpfen: Nach der Amnestie-Regel müssen alle ab dem Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes noch nicht vollständig vollstreckten Strafen erlassen werden. Allein in Baden-Württemberg werden daher laut Justizministerium seitdem rund 25.000 Gerichtsurteile von Staatsanwaltschaften und Gerichten überprüft. Für die erste Sichtung einer Akte seinen 50 bis 60 Minuten nötig, wie ein Ministeriumssprecher berichtet. Nach dieser Vorprüfung werde der Fall gegebenenfalls an ein Gericht weitergegeben, um eine neue Gesamtstrafe festzulegen. Es seien noch nicht alle Fälle abgeschlossen. Wie lange das dauern werde, sei nicht prognostizierbar, so der Sprecher.
Die Polizei: Bislang kaum Veränderungen festgestellt
Das Polizeipräsidium Ludwigsburg hat noch keine nennenswerten Auswirkungen des Cannabis-Gesetzes festgestellt. Das betreffe sowohl negative, wie auch die vom Gesetzgeber erhofften positiven Auswirkungen, so Polizeisprecher Steffen Grabenstein.
Weder seien mehr Personen aufgefallen, die öffentlich kiffen; noch habe es auffällige Veränderungen hinsichtlich des Fahrens unter Drogeneinfluss bei Unfällen und Verkehrskontrollen gegeben. Dasselbe gelte auch für die festgestellte Menge an mitgeführtem Cannabis.
Möglicherweise hänge das auch damit zusammen, dass es im Bereich des Polizeipräsidiums, zu dem die Landkreise Ludwigsburg und Böblingen gehören, bislang keine Genehmigungen für Anbauvereinigungen gebe, so Grabenstein. „Im Umlauf befindliches Cannabis dürfte daher weiterhin primär aus illegalen Quellen stammen, da der Bedarf vermutlich nicht vollständig aus rein privatem Eigenanbau gedeckt werden kann.“
Die Polizei kontrolliere weiter, um den illegalen Drogenhandel zu bekämpfen, denn Ausnahmen gebe es ja lediglich für Cannabis. Dieses sei, wie andere Drogen auch, für Minderjährige weiter verboten.
Die Sozialarbeit: Ruf nach mehr Stellen für die Drogenprävention
Deutliche Spuren hat die Teillegalisierung hingegen bei der Suchtberatung hinterlassen, wie Matthias Liegl berichtet. Er leitet die Suchthilfe im Kreisdiakonieverband, der mit der Caritas Ludwigsburg Waiblingen Enz, gemeinsam die Jugend- und Drogenberatung „Chillout“ im Kreis betreibt.
Besonders die Anfragen für das Präventionsangebot seien deutlich gestiegen. „Es ist erfreulich, dass viele Schulen auf uns zukommen, um Jugendliche frühzeitig zu erreichen“, sagt Liegl. Die Präventionsangebote seien bereits für das komplette Schuljahr ausgebucht. Das treffe auf ein gewisses Unverständnis. „Wir stoßen aber an Kapazitätsgrenzen“, sagt Liegl. „Chillout“ verfüge über vier Vollzeitstellen. „Für den gesamten Landkreis Ludwigsburg“, betont Liegl. Es ist der nach Einwohnern sechstgrößte in Deutschland.
Das Cannabis-Gesetz beinhaltet zwar einen Ausbau der Frühintervention bei Minderjährigen sowie den Ausbau der Suchtprävention. Für Letztere ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zuständig. Für die Frühintervention hingegen die örtlichen Träger der Jugendhilfe – und damit letztlich „Chillout“.
Generell steige die Zahl der „polyvalenten Konsumenten“, so Liegl. Das bedeutet: Statt nur einer Droge werden gleich mehrere eingenommen. „Wir haben da auch bei Jugendlichen mit heftigen Suchtverläufen zu tun.“ Angesagt seien immer öfter Medikamente wie das Opioid Tilidin und das Schlaf- und Beruhigungsmittel Benzodiazepine, aber auch Lachgas (die BZ berichtete). Das Problem: Suchtmittel sind generell hochgradig verfügbar, so Liegl. Nötig sei daher mehr Präventionsarbeit. „Wir brauchen einfach mehr Stellen“, sagt Liegl. Die lohnten sich, auch in finanzieller Hinsicht. „Jeder „Euro in der Prävention spart später 15 Euro bei Therapie und Entgiftung“, sagt Liegl.