Staatstragende Ankündigungen als Post über den Social Media Dienst X zu verkünden, das ist der neue Stil in der amerikanischen Politik. Auch in der deutschen Politik und in der Verwaltung haben Social-Media-Plattformen an Bedeutung gewonnen, das konnte man auch im jüngsten Wahlkampf sehen.
Kreis Ludwigsburg Zwischen Shitstorm und Information – Social-Media-Nutzung im Kreis
Wie nutzen Parteien, Institutionen und Verwaltungen im Kreis Ludwigsburg die Social-Media-Plattform X? Und welche digitalen Kanäle sind noch relevant? Die Bietigheimer Zeitung hat nachgefragt.
Ob Instagram, Facebook, Youtube oder X, die politischen und gesellschaftlichen Akteure sind ganz unterschiedlich auf diesen Onlinekanälen unterwegs. Doch gerade die Plattform X sorgt immer wieder für Aufsehen, seit der Techmilliardär Elon Musk das Unternehmen kaufte. Die BZ hat sich umgesehen, wie der Kreis die Plattform X nutzt und welche Plattformen noch aktiv genutzt werden.
Gibt man verschiedene größere Städte aus dem Kreis ein, werden einem gleich mehrere Profile vorgeschlagen. So zum Beispiel auch das des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, das unter dem Namen „Polizei Ludwigsburg“ aktiv auf X informiert.
Auf Anfrage der BZ erklärt die Pressestelle: „Die Polizei Baden-Württemberg nutzt Soziale Medien zur schnellen und unmittelbaren Kommunikation mit der Öffentlichkeit zum Zwecke der einsatzbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit, polizeilichen Berichterstattung, für Fahndungen, Prävention, Imagepflege und Nachwuchswerbung. Hierzu nutzt das Polizeipräsidium Ludwigsburg derzeit die Plattformen Facebook und X.“
Für Instagram gebe es zwei landesweite zentrale Kanäle, die vom Innenministerium in Stuttgart gesteuert werden. Inhalte der Polizei Ludwigsburg landen über diese Kanäle auch auf Instagram.
Eine relevante Plattform
X habe sich seit vielen Jahren für die Polizei als relevante Plattform gezeigt, wenn es darum gehe einen möglichst großen Teil der Bevölkerung und der Medien schnell zu informieren, beziehungsweise zu warnen. Gerade bei besonderen Einsatzlagen, zum Beispiel größere aktuelle Polizeieinsätze postet das Polizeipräsidium Ludwigsburg verstärkt auf X, da dort, so die Pressestelle, die Meldungen schneller verbreitet werden.
Ganz anders geht die Stadt Bietigheim-Bissingen vor. Im August 2014 trat die Stadt der Plattform (damals noch Twitter) bei, doch den letzten Post findet man im Januar 2024. „Wir sind schon lange nicht mehr aktiv auf X. Wir haben Twitter schon vor längerer Zeit eingestellt, weil es für unsere Öffentlichkeitsarbeit nicht so wichtig ist. Wir posten keine politischen Mitteilungen, sondern Informationen für unsere Bürgerinnen und Bürger, die wir sehr gut über Instagram und Facebook erreichen“, erklärt Anette Hochmuth vom Presseamt der Stadt Bietigheim-Bissingen.
Würden die Kapazitäten es zulassen, würde die Stadtverwaltung auch auf Portalen für jüngere Bürger mehr machen, auf X jedoch nicht, so das Presseamt. Derzeit sehe man sich die Entwicklung und Interaktionszahlen auf dem neuen Threads-Kanal (der zu Meta gehört) an.
Zeitfresser Social Media
Auch der Landtagsabgeordnete der Grünen Tayfun Tok hat noch ein Profil auf X. Im November 2014 trat er Twitter bei. Doch aktiv ist er auf dieser Plattform nicht mehr: „Ich habe vor einigen Jahren die Twitter-App auf meinem Handy gelöscht, weil sehr viel Hass und negative Energie auf der Plattform war. Es wurde gefühlt jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Außerdem ist die Plattform ein Zeitfresser“, so Tok. Mittlerweile sei er Hauptsächlich auf Instagram unterwegs, da auf Facebook die Interaktionen nur noch sehr gering seien.
Keinen offiziellen Account auf X hat die Stadt Sachsenheim. „Die Plattform X entspricht in verschiedener Hinsicht nicht den Anforderungen und Bedarfen der Stadt Sachsenheim. Ein Einstieg in diese Plattform planen wir daher nicht“, erklärt Sachsenheims Pressesprecher Arved Oestringer.
Auf der städtischen Homepage gebe es zwar noch eine Verlinkung, die jedoch ins Leere führt. Sobald die neue Homepage in diesem Jahr online gehe entfalle dieser Verweis. „Wir sind auf Facebook, Instagram und YouTube aktiv“, so Oestringer weiter. „Gleiche Gewichtung wie die digitalen Medien haben bei uns aber auch die analogen städtischen Veröffentlichungen über die Nachrichtenblätter und das Hauptorgan der Stadt, die Homepage. In diesem Jahr wird noch eine App dazukommen“, kündigt Oestringer an.
Zeitgemäße Kommunikation
Das Landratsamt Ludwigsburg ist auf X auch nicht vertreten. Gestartet sei man damals mit Facebook und YouTube, später auch auf Instagram. Seit Ende 2024 ist das Landratsamt auch auf LinkedIn aktiv, so die Pressestelle des Landratsamts. „Unsere Social-Media-Kanäle erlangen immer stärkere Bedeutung. Sie ermöglichen uns eine direkte und transparente Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, von denen wir viele gerade auf Social Media erreichen“, erklärt Pressesprecher Dr. Andreas Fritz. Wie das Polizeipräsidium schätzt auch das Landratsamt den Aspekt, dass man über die Social-Media-Kanäle schnell Informationen wie Warnungen verbreiten kann. „Traditionelle Medien können diese Geschwindigkeit nicht bieten. Gerade in Krisenzeiten ist es entscheidend, dass offizielle, seriöse Informationen direkt und schnell an die Bürgerinnen und Bürger gelangen. Unterm Strich sind unsere Social-Media-Kanäle ein sehr wichtiger Baustein in der zeitgemäßen Kommunikation der Verwaltung“, so Fritz. Doch X gehört nicht dazu.
Viele verschiedene Vereine, Organisationen und Parteien aus dem Kreis sind mit einem Account auf X, doch auf vielen tut sich nichts mehr. So stellten Fridays for Future Ludwigsburg, im Oktober 2023 einen Post ein: „Wir verlassen X.“ Auch die KSK Ludwigsburg, die CDU KV Ludwigsburg und die Karlshöhe Ludwigsburg haben zwar noch einen Account, doch die letzten Postings liegen Jahre zurück.
Aktiv auf X sind vor allem Accounts der AfD, wie zum Beispiel der des Kreisverbands und auch der des Bundestagsabgeordneten Martin Hess. Daneben nutzt der FDP Kreisverband und der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger die Plattform aktiv. „Es ist mehr als bedauerlich, dass es kein relevantes soziales Medium für die politische Kommunikation aus Deutschland oder Europa gibt. Dass bei X Elon Musk Eigentümer oder TikTok ein chinesisches Angebot ist, finde ich ungut, aber die sozialen Medien sind mittlerweile einfach essenziell für die politische Kommunikation“, erklärt Bilger.
Wichtig für politische Debatte
Für die politische Debatte sei X eine zentrale Plattform. Er nutze den Social-Media-Kanal für den direkten Austausch und könne hier eigene Themen setzen. „Wenn Politiker oder Institutionen X verlassen und dann mehr auf TikTok machen, finde ich das auch nicht konsequent“, so Bilger.
Neben X nutzt Bilger auch Facebook, Instagram, LinkedIn und TikTok für seine politische Arbeit, „um möglichst viele Menschen zu erreichen“, so der Bundestagsabgeordnete und betont dass er die Kanäle möglichst einheitlich bespiele: „Wer mir auf Instagram folgt, soll auf TikTok keinen anderen Eindruck von mir bekommen.“
Wie aus Twitter X wurde
Eigentlich war Twitter ein Forschungsprojekt, als es 2006 von der Firma Odeon entwickelt wurde. Es sollte als interne Kommunikationsplattform für die Mitarbeiter dienen. Kurze Nachrichten, die man tweetete (auf Deutsch: zwitscherte), waren als Kommunikationsform gedacht.
Immer mehr Nutzer kamen zu der Plattform, auf der kurze Status-Meldungen geteilt und veröffentlicht werden. Die Nutzung von Hashtags machte Twitter populärer.
Bis zu 100 Millionen Tweets pro Tag gab es 2010 auf Twitter. 2013 ging das Unternehmen dann an die Börse. Doch ab 2014 stagnierten die Nutzerzahlen und immer häufiger kam es zu sogenannten „Shitstorms“ gegen einzelne Nutzer, auch Fehlinformationen verbreiteten sich schnell über das Netzwerk. Daher gab es Bestrebungen, die Plattform sicherer zu gestalten und die Kommunikation zu moderieren.
2021 trat einer der Gründer, Jack Dorsey, als CEO zurück. Sein Nachfolger Parag Agrawal begann auf neue Funktionen, die auch kostenpflichtig sind, zu setzen.
2022 machte der Techmilliardär Elon Musk ein Kaufangebot Twitter zu übernehmen. Im Oktober 2022 übernahm er die Plattform, entließ eine Vielzahl der Mitarbeiter und nannte Twitter in „X“ um. Die bisher strengere Moderation fiel auf X weg. Musk gab an, das der Algorithmus nun bestimmte Tweets bevorzuge und nutzt die Plattform ebenso wie US-Präsident Donald Trump, um eigene politische Informationen zu verbreiten. pn