Kündigung nach 17 Trainer-Jahren: Markus Koch ist vom VfB Neckarrems enttäuscht „Die Art und Weise hat mich verletzt“

Von Andreas Eberle
Quo vadis, Markus Koch? Nach 17 Trainer-Jahren in Neckarrems stehen die Zeichen auf Abschied. Der VfB hat den Vertrag des Übungsleiters zum 30. Juni gekündigt.  ⇥ Foto: Alexander Keppler/Imago Images

Der VfB Neckarrems hat Markus Koch zum Sommer gekündigt. Im Interview spricht das Trainer-Urgestein über die verzwickte Lage und neue Interessenten.

Er ist DER Dauerbrenner im regionalen Amateurfußball: Markus Koch trainiert seit Juli 2004 den VfB Neckarrems und ist damit der dienstälteste Coach weit und breit. Doch seit der Verbandsligist ihm den Kontrakt zum Saisonende gekündigt hat und damit eine Klausel zur jährlichen Vertragsverlängerung hinfällig wurde, knirscht es am Hummelberg. Im Interview mit der BZ nimmt der 53-jährige Ludwigsburger Stellung zur Hängepartie um seinen Trainerjob.

Der VfB Neckarrems hat Ihren Vertrag zum 30. Juni aufgrund fehlender Planungssicherheit gekündigt. Hat Sie dieser Schritt nach so vielen Trainerjahren verletzt?

Markus Koch: Natürlich hat mich das verletzt. Dabei geht es mir weniger um die Tatsache an sich. Wenn die Kündigung wirtschaftlich nötig ist, kann ich das hinnehmen. Aber die Art und Weise hat mich verletzt. Es gab davor keine Diskussion. Ich wurde vom Verein einbestellt, und dann wurde mir ein Papier auf den Tisch gelegt. Weil ich immer die Augen und Ohren offen habe, wusste ich aber schon, was mich erwartet.

Bedeutet die Kündigung, dass Ihre Zeit als VfB-Coach im Sommer nach dann 17 Jahren abrupt aufhört?

Das bedeutet es nicht zwangsläufig. Es ist alles noch sehr vage, wie es weitergehen könnte und ob ich ein alternatives Angebot bekomme. Am Mittwoch habe ich mit Vorstand Arne Läubin jetzt erst einmal ein Gespräch und höre mir an, wie der Verein seinen Handlungsschritt erklärt.

Wollen Sie nach dem Hickhack überhaupt noch am Hummelberg bleiben?

Ich bin seit bald 20 Jahren beim VfB. An vielen Dingen hängt mein Herz, zum Beispiel auch an der aktuellen Mannschaft – und an einigen Spielern ganz besonders. Es gibt aber verschiedene Strömungen im Verein. In letzter Zeit haben die Kräfte die Oberhand gewonnen, die schon seit Jahren versuchen, mit dem Rotstift die letzten Sparmöglichkeiten rauszupressen. Dass das keine gute Entwicklung ist, kann man im sportlichen Bereich ablesen. Da hatten wir in den vergangenen Jahren einen großen Aderlass an Spielern. Es bedurfte einer großen Kraftanstrengung, wieder eine neue Mannschaft aufzustellen, die Potenzial und eine Zukunft hat – auch wenn es letztlich in die Landesliga gehen sollte.

Wie haben Ihre Spieler auf die überraschende Entwicklung reagiert?

Ich sehe das als Trainer nüchtern und haben den Spielern darum auch gesagt, dass es immer weitergeht. Der Zuspruch und die Unterstützung aus der Mannschaft waren aber überwältigend. Ich sage jetzt nicht, dass 100 Prozent der Spieler ihren Verbleib von meiner Person abhängig machen, aber einige entscheidende Spieler, mit denen ich über Jahre zusammengearbeitet habe, wahrscheinlich schon.

Was empfinden Sie, wenn Sie in einem Atemzug mit Bundesliga-Dauerbrennern wie Christian Streich oder Otto Rehhagel genannt werden, was die Vereinstreue anbelangt?

Das ehrt mich. Im vergangenen Jahr war ich bei einer Fortbildung in Freiburg, bei der Christian Streich von seiner Geschichte erzählt hat. Auch wenn ich mich auf einem anderen Niveau bewege, konnte ich viele Dinge sehr gut nachempfinden. Ich hatte in den letzten Tagen etwas Zeit, um alles zu verarbeiten, und war dazu auch ein paar Mal am Hummelberg. Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht. Als ich damals zum VfB gekommen bin, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es mal so eine lange Zeit wird.

Der Trainings- und Spielbetrieb ist seit Ende Oktober 2020 unterbrochen. Der WFV hofft auf eine Wiederaufnahme der Saison bis spätestens zum 9. Mai. Rechnen Sie damit, dass die Spielzeit 2020/21 noch zu Ende gebracht werden kann?

Vor zwei Wochen hätte ich ja gesagt, und auch der WFV glaubt ja noch an eine Fortsetzung. Wenn ich mir das politische Geschehen angucke, bekomme ich mittlerweile aber immer größere Zweifel, ob der Spielbetrieb in dieser Saison noch mal aufgenommen werden kann – gerade wenn man bedenkt, dass selbst Schüler noch nicht alle wieder in die Schule dürfen. Am 28. Oktober hatten wir unser letztes Spiel. Wenn Anfang Mai wieder gespielt und dann noch die Vorrunde zu Ende gebracht werden soll, werden die Vereine nach der monatelangen Pause schon drei, vier Wochen Vorbereitung einfordern. Dann wird der 9. Mai als Stichtag also ganz schnell der 9. April.

Die meisten Aufstiegskandidaten wollen eine Wertung der Saison, die Abstiegskandidaten eine Annullierung. Der VfB steht in der Verbandsliga-Tabelle auf Rang 18 und damit einem Fahrstuhlplatz gen Landesliga. Wie positionieren Sie sich?

Am liebsten wäre mir gewesen, wenn diese Situation gar nicht erst entstanden wäre. Ich werde für keine Seite Partei ergreifen – auch nicht, wenn der VfB möglicherweise durch einen Abbruch in der Liga bleiben sollte. Ich finde es aber auch schwierig, wenn Vereine, die gerade auf einem Aufstiegsplatz stehen, um jeden Preis auf ihr Aufstiegsrecht pochen. Das passt nicht in der aktuellen Lage. Wir nehmen es, wie es kommt. Wenn wir sportlich auf einem Abstiegsplatz stehen, steigen wir ab.

Gesetzt den Fall, die Zusammenarbeit mit Neckarrems endet tatsächlich im Sommer – wie sieht Ihr Plan B aus?

Ich werde auf jeden Fall Trainer bleiben – ob dann gleich direkt im Anschluss, ist offen. Es kann auch mal eine Pause geben. Einige interessante Klubs haben sich schon bei mir gemeldet, ohne dass ich das forciert habe. Ich werde mir alles anhören. Allerdings wäre ich nie auf die Idee gekommen, selbst aktiv nach etwas Neuem zu suchen. Der VfB Neckarrems war für mich immer ein Selbstläufer. Jetzt ist die Situation eine etwas andere.

Oberliga-Aufstieg im Jahr 2010 als Highlight

Zur Person: Seit Juli 2004 arbeitet Markus Koch als Coach beim VfB Neckarrems. Die derzeit coronabedingt unterbrochene Spielzeit 2020/21 ist also seine 17. Trainer-Saison. Vor dem Einstieg als Übungsleiter war der heute 53-Jährige bereits zwei Jahre als Spieler für den Klub aktiv gewesen. Koch übernahm den Trainerjob zu Bezirksliga-Zeiten und führte den VfB über die Landes- und Verbandsliga 2010 sogar in die Oberliga – der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte. Seit dem sofortigen Wiederabstieg 2011 hält sich Neckarrems trotz bescheidener finanzieller Mittel hartnäckig in der Verbandsliga Württemberg. Koch ist von Beruf Diplom-Sozialpädagoge und wohnt mit seiner Frau Elizabeth und Tochter Martha (8) in Ludwigsburg. Als seine Hobbys nennt er Sport und Freunde.

 
 
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