Kunst in Bietigheim-Bissingen Die geschwungene Linie als Gemeinsamkeit

Von Jörg Palitzsch
Dieter Kränzlein. Foto:  

„Farbe, Stein, Papier“: Patrizia und Dieter Kränzlein zeigen in einer gemeinsamen Ausstellung ihre Arbeiten in der Städtischen Galerie.

Nichts zu schreiben, nichts zu sagen mit Buchstaben. Mit Formen ja, nur damit, das reicht“, sagte der Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti. Von dem Zeichner Erich Hauser stammt das Zitat: „Mich interessiert es, Formen gegen die Natur zu setzen. Dadurch wird es möglich, die Natur neu zu sehen und zu erleben.“ Beide Künstler haben sich auf die Vielfalt der Formen berufen, vielleicht die einzige Gemeinsamkeit.

„Farbe, Stein, Papier“

Übereinstimmungen sucht man auch bei der Ausstellung „Farbe, Stein, Papier“, die ab diesem Freitag, 17. März, in der Städtischen Galerie gezeigt wird. Zu sehen sind in der gemeinsamen Schau Zeichnungen von Patrizia Kränzlein, die den Zeichner Hauser als Vorbild nennt, und Skulpturen ihres Vaters Dieter Kränzlein, der den Bildhauer Giacometti als Vorbild nennt. Die Steinskulpturen aufzuhängen sei mitunter sehr schwer gewesen, so Galerieleiterin Dr. Isabell Schenk-Weininger bei der Presseführung, gleichwohl hat es sich gelohnt. Ein Pluspunkt sind auch zwei Kurzfilme, die die Arbeitsweise von Patrizia und Dieter Kränzlein zeigen.

Tatsächlich ist man verführt, künstlerische Berührungspunkte oder zumindest Geistesverwandtschaften zwischen Vater und Tochter zu suchen. Nur wird dies umso schwieriger, je tiefer man in das jeweilige Werk eintaucht. Der Grund ist schnell benannt: Außer der geschwungenen Form, zwei- und dreidimensional, gibt es nur bei genauerem Hinschauen Gemeinsamkeiten. Auf den ersten Blick präsentieren beide eigenständig geschaffene Werke.

Dieter Kränzlein hat diesen Weg vor über 30 Jahren eingeschlagen. Einige frühe Marmor-Skulpturen noch an der Menschengestalt ausgerichtet, hat sich sein Blickwinkel im Lauf der Jahre stark verändert. Muschelkalk als Grundlagenstoff bearbeitet er mit der Flex, um so durch unterschiedlich tiefe Schnitte und Einkerbungen eine eigene Handschrift zu entwerfen. Hinzugekommen sind inzwischen auch Skulpturen aus Kunstharz.

Die martialisch anmutende Arbeit des Bildhauers mündet in steinerne, gefällige und farbige Schwingungen, Wölbungen sowie Bögen – und exakt an dieser Stelle gibt es eine Gemeinsamkeit von Vater und Tochter. Geschwungene Linien lassen sich auch in den schwarz/weißen Zeichnungen, den Graphitarbeiten und Fotogrammen von Patrizia Kränzlein finden, die Farbe mit einer Walze aufträgt, um so Räumlichkeit zu schaffen. Die Linien grenzen Flächen ab und schließen neue Flächen ein. Die dunklen Arbeiten haben mit ihren diffusen Lichtquellen durchaus etwas Mystisches an sich und erinnern an die Kulissenbilder aus der Stummfilmzeit der 1920er-Jahre. Wo Dieter Kränzlein zum steinernen Schwung ausholt, schichtet und verzahnt die Tochter Formen und Flächen über- und ineinander.

Veränderungen entwickeln sich

In der Ausstellung lassen sich diese Entwicklungen ablesen. Kränzleins Steinplatten und Würfel tragen noch den Beginn seines künstlerischen Werdeganges in sich, zeigen aber auch die Veränderungen mit Formen und Farben, mit denen er international bekannt geworden ist. Patrizia Kränzlein hat in den letzten fünf Jahren eine eigene Formensprache gefunden. Wie stark, lässt sich an 22 Fotogrammen ablesen, die ihren dunklen Reiz an einer langen Wand entfalten. Dem schließt sich eine 16-teilige große Muschelkalkarbeit des Vaters an, die Bild und Relief sein könnte.

Im oberen Stock der Galerie, und hier entfaltet sich das Konzept dieser Ausstellung auf besondere Weise, sind in vier Räumen Arbeiten beider Künstler zu sehen. Ein Dialog, der sich in Farben und Formen entspinnt, der die Möglichkeiten des Raumes ausschöpft, ohne zu überfrachten, und weitere formelle Gemeinsamkeiten sichtbar macht.

Öffentliche Führungen

Die Kränzlein-Ausstellung wird von einem umfangreichen Programm begleitet, darunter auch öffentliche Führungen. Diese finden jeweils sonntags statt: Am 2. April um 16.30 Uhr, am 23. April und 14. Mai um 11.30 Uhr, am 4. Juni um 16.30 und am 18. Juni um 11.30 Uhr. Die Ausstellungskataloge werden von Patrizia und Dieter Kränzlein am Donnerstag, 4. Mai, um 18 Uhr vorgestellt. Anmeldungen unter galerie@ bietigheim-bissingen.de.

 
 
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