Kunst in der Krise „Ich fühle mich wie in Klausur“

Von Von Gabriele Szczegulski
Der Löchgauer Künstler Karl-Henning Seemann erstellt eine Plastik für die Stadt Bönnigheim mit symbolischen Anklängen an die Garnfabrik Amann.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Der Bildhauer Karl-Henning Seemann arbeitet derzeit an einer Skulptur für die Stadt Bönnigheim, das Haus verlässt er nicht.

Karl-Henning Seemann, der Löchgauer Bildhauer, gehört mit seinen 86 Jahren zur Covid-19-Risikogruppe. Seit Wochen geht er kaum aus seinem Löchgauer Haus, verbringt die meiste Zeit in seinem Atelier und arbeitet. „Ich fühle mich wie in Klausur, ich bin so gut wie nicht abgelenkt und kann viel an meinem aktuellen Werk arbeiten, aber ich denke auch viel nach über diese Krise, die uns wie ein Blitzschlag getroffen hat“, sagt der Künstler.

Derzeit arbeitet er an dem Wachsmodell für einen Auftrag für die Stadt Bönnigheim. Auf der Treppe zwischen dem Amann-Quartier und dem Schloss soll eine Mehrfigurengruppe des Bildhauers installiert werden, die an die Anfänge der .„Fadenfirma“ so Seemann, erinnern soll. Zwar habe, so sagt er, die Gruppe nicht wirklich etwas mit der Coronakrise zu tun, „der Inhalt aber schon und bei der Erschaffung denke ich über so vieles nach“. Die Figur sei keine „Coronaarbeit, aber sie hat mit dem Sterben und der Vergänglichkeit zu tun“, sagt Seemann.

Es sei schon so gewesen, dass er sich überlegt habe, ob er der Installation dieser Figur, die im Herbst diesen Jahres stattfinden soll, beiwohnen könne, die Fertigstellung seines neuesten Werkes miterleben könne. „Ich bin in einem Alter, da weiß man nie, ich fühle mich fit, aber die Bedrohung durch das Virus ist immer spürbar“, sagt er.

Die lebensgroße Figurengruppe besteht aus einem „Dicken Kerl“, so Seemann, der an einem Strang zieht, den eine Art Spinnenfigur hält, die riesengroß ist. Der Bezug zur Spinnerei und Fadenfabrik Amann ist eindeutig. Aber es geht auch um die mythologische Bedeutung. Die Spinnenfigur entspreche, so sagt er einer der Schicksalsgöttinenen, der Nornen, aus der altnordischen Mythologie. Diese bestimmen das Schicksal der Menschen, bestimmen die Länge seines Lebendsfadens, haben diesen, so Seemann, in der Hand.

„Da kam mir der Gedanke, dass wir uns derzeit auch in so einer Situation befinden. Das Virus hat unseren Lebensfaden in der Hand.“ Die Bedeutung und der Vergleich mit dem Lebensfasen, so Seemann, sei im Laufe der Arbeit und der Isolation wichtiger geworden. „Der Faden kann aber auch der Strang sein, an dem ich mich festhalte, um nicht abzustürzen, der mich rettet, wenn ich über die Klippe falle“, interpretiert Seemann. Die derzeitige Situation sei für ihn schon bedrohlich, deshalb klammere auch er sich an diesen Faden, dieses „Urvertrauen der Menschen“, dass alles gut werde.

„Die Hoffnung, die ist mir sehr wichtig, auch in dem Werk“, sagt Karl-Henning Seemann. Für ihn habe die Corona-Krise das Bönnigheimer Werk mit noch mehr Inhalt aufgeladen. „Ich hoffe, dass die Menschen dies spüren, wenn sie das Werk in seiner Größe dann sehen“, sagt er.

 
 
- Anzeige -