Bringt Künstliche Intelligenz für Kunstschaffende mehr Möglichkeiten oder ist damit das Ende der Kreativbranchen besiegelt? Die BZ hat bei Kunstschaffenden aus der Region nachgefragt, wie sie dazu stehen.
Kunst und KI Chatbots als Sparringpartner und Recherchehilfe
Die BZ hat Künstler und Künstlerinnen aus der Region gefragt, wie sie zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz stehen.
Die Künstlerin Doris Graf aus Stuttgart ist derzeit in der Studioausstellung der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen zu sehen. Sie erschafft ihre Kunst größtenteils am Computer. Schon seit Beginn ihrer Karriere als Bildende Künstlerin befasste sie sich viel mit Technik. „Computer faszinieren mich“, sagt sie. Zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz sagt sie: „Alles hat seine Vor- und Nachteile“ und weiter: „Man muss wissen, dass wir die Welt nicht mehr so sehen. Wir nehmen sie viel über digital devices und digital media wahr. Das Digitale ist schon in uns. Wir sind verwoben mit der Technik.“ Das Bild der Welt entstehe bereits über die Medien. KI wiederum sei wie eine „Black Box“, also ein System, dessen innere Funktionsweise undurchsichtig sei. „Man gibt etwas hinein, es kommt etwas heraus“, so Graf. Was dazwischen jedoch geschehe, sei unklar. Alles abzugeben, der Maschine immer mehr Informationen über sich zu geben, sei Graf unheimlich.
Verteufeln will sie die KI aber nicht: „Ich probiere es vorsichtig aus, sehe KI als zusätzlichen Beteiligten und nutze sie zum Experimentieren, wie eine weitere Skizze.“ Die letztendliche Entscheidung jedoch treffe sie selbst. „Vor jeder Technik hatte der Mensch anfangs Angst, so etwa vor der Dampfmaschine oder der Fotografie.“ Graf sei pro Digitalisierung, aber auch pro analogem Eindruck, sagt sie.
Lisa Sarah Brandstäter ist Autorin. Sie kommt aus Oberstenfeld, wohnte lange in Bietigheim-Bissingen und lebt mittlerweile in ihrer Wahlheimat Helsinki in Finnland. Sie nutzt KI vor allem für die Recherche, sagt sie. „Das erspart einem viel Recherchearbeit und ist deutlich schneller.“ Jedoch sei es wichtig, die KI-generierten Antworten stets zu überprüfen, da die KI auch oft falsch liege. Gerne nutze sie Sprachmodelle auch zur Synonymsuche. Sätze jedoch lasse sie nicht von der Technik formulieren. „Die Formulierungen sind viel zu glatt und unauthentisch. Die Individualität fehlt“, sagt sie. Ecken und Kanten machen schließlich den Stil aus. Eine Gefahr sehe sie derzeit noch nicht in der KI. Sie bezweifelt, dass Chatbots jemals so gut entwickelt werden könnten, dass sie Schriftsteller oder andere Kunstschaffende ersetzen könnten.
Bernd Stöhr, Science-Fiction-Autor aus Sachsenheim, benutzt KI-Modelle wie ChatGPT und Gemini für die Recherche. „Ich lasse aber keine fertigen Texte schreiben“, sagt Stöhr. In seinem nächsten Buch beschäftigt er sich mit Parallelwelten und Zeitreisen. ChatGPT nutze er als Sparringpartner, mit dem er darüber diskutiere, wie eine technische Einrichtung in einer Parallelwelt aussehen könnte. Wenn es um den Stand der Technik in der heutigen Zeit gehe, überprüfe er die Angaben. KI könne nicht nur stupide Aufgaben erledigen, sie sei auch „brutal kreativ“, findet Stöhr. Wenn er ChatGPT ein Dilemma schildere und nach zehn Vorschlägen frage, wie man dort wieder herauskommen könne, „kommen acht blöde Vorschläge, aber auch zwei gute.“ Wenn er sich dann eine der guten Ideen aussuche und die KI bitte, diese ganz abgedreht weiterzuentwickeln, kämen gute Ideen dabei heraus.
Hilfreich sei KI auch etwa bei der Frage, ob es zu bestimmten physikalischen Vorgängen eine Theorie gibt. Derzeit arbeitet Stöhr an der Vertonung seines Buches „DarkSky“. Auch hierfür könne KI genutzt werden, doch diese funktioniere für deutsche Texte nur bedingt gut. Er habe einen Test gemacht, doch das Ergebnis sei schrottig gewesen. „Es hört sich alles gleich an“, die Emotionen hätten gefehlt. Als er ChatGPT darauf aufmerksam gemacht habe, habe der Chatbot um Hilfe gebeten. Aber wenn man immer erst der KI sagen müsse, wann ein Text traurig oder spannend wird, dann „kann man ihn auch gleich selbst einlesen“, findet Stöhr.
Im Augenblick sieht Stöhr noch keine Gefahr, dass die KI Autoren überflüssig machen würde. Aber wie es in fünf Jahren aussehe, könne er nicht abschätzen. „Wirklich exzellente Schriftsteller wird KI nicht ersetzen können“, sagt Stöhr. Bei mittelmäßigen Autoren könne das vielleicht bald der Fall sein. Heidi Falk, Claudia Mocek
