Kunst und KI „Wir befinden uns im radikalen Umbruch“

Von Heidi Falk
Nira Bozkurt ist seit 15. September KI-Officer an der Filmakademie in Ludwigsburg. Im Gespräch mit der BZ erläutert sie, was ihr am Umgang mit der modernen Technik wichtig ist. Foto: /Martin Kalb

Die Filmakademie hat eine Stabsstelle für KI eingerichtet. KI-Officer ist Nira Bozkurt. Besonders wichtig ist ihr, einen ethischen Rahmen für die Nutzung von KI zu erarbeiten.

Wir befinden uns in einem radikalen Umbruch. KI verändert alles um uns herum“, sagt Nira Bozkurt. Deshalb habe die Filmakademie Baden-Württemberg (FABW) mit Sitz in Ludwigsburg eine Stabsstelle für Künstliche Intelligenz direkt bei der Geschäftsführung eingerichtet – und Nira Bozkurt als KI-Officer eingestellt. Am 15. September hat sie ihre neue Stelle angetreten. Die Gegend ist der Wahlberlinerin gut bekannt, ist sie doch in Bietigheim-Bissingen aufgewachsen, wo sie noch immer Familie hat.

Ideale Fächerkombination

Schaut man sich Bozkurts Lebenslauf an, scheint es kaum möglich zu sein, jemanden zu finden, der noch besser auf die Stellenbeschreibung passt. Sie studierte Informatik, Jura sowie Drehbuch und Regie. „Ich habe das studiert, weil ich alles spannend fand“, sagt sie und lacht. „Diese Kombi hat vor einigen Jahren noch keinen Sinn ergeben.“ Durch die rasante Entwicklung von KI-Modellen wie ChatGPT, Gemini, Mistral & Co. aber schon.

Man wolle an der Filmakademie die Studierenden bestmöglich vorbereiten, dabei komme man an KI kaum vorbei. „Wir wollen ihnen die Tools beibringen, aber auch ethische Leitlinien geben“, sagt Bozkurt, die sich schon seit 2019 intensiv mit KI beschäftigt. Besonders die Ethik und der Werterhalt seien ihr dabei wichtig. „Wir wollen die KI-Landschaft aktiv mitgestalten, vieles ausprobieren und die Kreativität schützen.“ Das Grundprinzip der Filmakademie sei „Learning by doing“ und es gebe derzeit auch schon viele spannende Projekte an der Hochschule, bei denen KI zum Einsatz komme, berichtet Bozkurt.

Und sie muss es wissen, denn zwar ist sie neu in ihrer Rolle als KI-Officer, unterrichtet aber schon seit Jahren als Gastdozentin an der Hochschule. Beispielsweise setzten Studierende kürzlich eine Transmedia-Installation namens „Limbo“ um. Benutzer erzählen einer Künstlichen Intelligenz eine Erinnerung, die als multimediales Erlebnis umgesetzt wird, das auch von anderen angeschaut werden kann. Auch Werbeclips wurden von Studierenden mit Hilfe von KI produziert.

KI-Einsatz ist kein Muss

Die Arbeit mit KI sei kein Muss. Sie habe noch keine negativen Erfahrungen gemacht im Austausch mit den Studierenden. Es würden offene Diskussionen über das Für und Wider von KI geführt. Auch Bedenken seien berechtigt. „Wir wollen einen eigenen Weg finden.“

KI sei nicht gleich KI, sagt Bozkurt. Es wird zwischen optimierender und generativer KI unterschieden. Erstere ist allgegenwärtig im Einsatz. Sie findet die beste Lösung für ein Problem, arbeitet innerhalb klar definierter Regeln, bestehende Daten werden analysiert. Ein Beispiel dafür ist die Routenplanung bei Google Maps. Generative KI wiederum erzeugt neue Inhalte, produziert Texte, Bilder, Musik, Videos et cetera. Ein Beispiel dafür ist ChatGPT. Die Anwendung erlernt dabei Muster aus Trainingsdaten. Und genau das bringe zwar Möglichkeiten, aber auch Probleme ethischer Natur mit sich, sagt Bozkurt. Wie wurde die KI trainiert und mit welchen Daten gefüttert?

Urheberrechtlich geschützte Daten dürfen in den USA dank des rechtlichen Grundsatzes „Fair Use“ ohne Erlaubnis des Rechteinhabers genutzt werden, um KI-Modelle zu trainieren. Vergleichbar mit dem Ausleihen und Lesen von Büchern aus einer Bücherei. In Europa darf ohne Lizenz kaum ein Werk genutzt werden. Das ist durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. „Die DSGVO wird oft als Nachteil gesehen, aber sie ist auch ein großartiger Schutz“, sagt Bozkurt. Einen sorgsamen Umgang mit der neuen Technik wolle die Filmakademie ihren Studierenden beibringen.

Digitale Souveränität erhalten

Die Sicherheit der Daten überlässt die Hochschule nicht dem Zufall. „Wir wollen uns unsere digitale Souveränität erhalten“, sagt Bozkurt. Daher setze man auf eigene Server. Genutzt werden außerdem vor allem Open-Source-KI-Modelle. Das ist Software, deren Quellcode öffentlich verfügbar ist.

Man beschäftige sich mit der Frage, wie man traditionelles Filmemachen mit KI verbinden könne. „Wer einmal am Set war, weiß, wie Magie entsteht. Ich glaube daran, dass der Mensch immer einen neuen Weg findet.“ Das Besondere steche heraus, Kreativität und Handwerk führten langfristig zum Erfolg.

Von KI-generierten Models und Schauspielern, also Ersetzen von Menschen durch KI-Abbilder, hält Bozkurt wenig. „Damit habe ich moralisch ein Problem. Sie sind mir persönlich aber auch zu glatt, sie sehen alle gleich aus.“ Möglicherweise entwickle sich die Gesellschaft aber auch in eine positive Richtung. „Vielleicht führt das ja dazu, dass wir das Unperfekte wieder lieben lernen.“

 
 
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