KZ-Vaihingen Lieber erschossen, als langsam verhungern

Von arn
Die Gedenkfeier auf dem Vaihinger KZ-Ehrenfriedhof findet bereits seit 1972 statt. Foto: Albert Arning

Seit 1972 wird auf dem KZ-Ehrenfriedhof in Vaihingen den Opfern der NS-Zeit gedacht. Bei der diesjährigen Veranstaltung lasen Schülerinnen aus den Erinnerungen von Überlebenden vor.

Auf den vier Stelen des Vaihinger KZ-Friedhofs stehen die Namen von 1342 Menschen, die im Konzentrationslager „Wiesengrund“ ihr Leben lassen mussten. Bei der jährlichen Gedenkfeier im April wolle man den Opfern ihre Würde zurückgeben, wie der Vaihingens Oberbürgermeister Uwe Skrzypek am Sonntag bei seiner Rede betonte.

Anlass für die Gedenkveranstaltung ist der Tag der Befreiung des Vaihinger Lagers , damals am 7. April 1945 durch französische Truppen. Die Veranstaltung wurde 1972 ins Leben gerufen, initiiert von der evangelischen Kirche mit dem Pfarrer Gerhard Benz und dem Bläserkreis. Zwischenzeitlich war der Vaihinger SPD-Ortsverein der Ausrichter. Mittlerweile ist es der Verein KZ-Gedenkstätte Vaihingen.

Von Anfang an war der Bläserkreis, der von Wolfgang Kapp geleitet wird, ein fester Bestandteil des Gedenkens. „Diesem Durchhaltevermögen und Engagement ist Respekt zu zollen“, so Rainer Mayer, Vorstandssprecher des Vereins KZ-Gedenkstätte Vaihingen. Eine Spende haben die Bläser abgelehnt. Der ihnen zugedachte Betrag wird für das Blumengesteck verwendet, das am Ehrenmal niedergelegt wird.

Mayer macht vor den rund 70 Besuchern (unter ihnen auch Wendelgard von Staden und Ex-Oberbürgermeister Gerd Maisch) darauf aufmerksam, dass vor 75 Jahren die Allgemeinen Menschenrechte verabschiedet wurden. Es müsse darauf hingewiesen werden, „dass nicht nur an die Menschenrechte erinnert wird, sondern aktiv für sie eingetreten werden muss“. Für viele unter autokratischen Regierungen lebenden Menschen seien sie ein unerreichbarer Zustand: „Gleiches galt für die Insassen im KZ Vaihingen.“

„Wir Menschen können nicht nur fürsorglich sein, sondern auch unendlich grausam“, sagt Oberbürgermeister Uwe Skrzypek, der sehr persönlich die Themen Schuld, Trauer und Scham betrachtet. Es gebe in der Stadt niemanden mehr, der so ähnlich heiße wie er. An den Stelen sei das anders. Unter den Toten aus 20 Nationen seien auch Namen mit polnischer Herkunft gewesen. Man müsse die Erinnerungskultur etablieren, „die uns immer wieder in Erinnerung ruft, was aus dem Ruder laufen kann“, unterstreicht Skrzypek. Es gebe viele Termine im Jahreskalender, doch die Gedenkfeier sei ein ganz wichtiger Termin in Vaihingen.

Die vier Schülerinnen Carlotta Schweizer, Sophie Falkenburg, Leah Henkel und Regina Rehm aus der neunten Jahrgangsstufe des Friedrich-Abel-Gymnasiums hatten sich mit Texten der Überlebenden Jehoshua Glinkiewicz, Joseph Tauber und Isak Chlebowski auseinandergesetzt. Drei von ihnen tragen Eindrücke des Leidenswegs der jüdischen KZ-Häftlinge von Radom in Polen bis zur Befreiung vor. Das schließe selbstredend andere Opfergruppen nicht aus, sondern sei exemplarisch zu verstehen, betonen sie.

2187 Häftlinge

Im August 1944 seien 2187 Häftlinge nach einer Selektion in Auschwitz nach einer dreitägigen Fahrt ins Ungewisse in Vaihingen angekommen, erläutert Christoph Knecht und zitiert Joseph Tauber. Tauber war Häftling in Wiesengrund und von Beruf Juwelier, was ihm wohl auch geholfen hat, das Ganze zu überleben. Er fertigte aus den Goldkronen der verstorbenen Häftlinge Goldringe für die SS-Leute an, welche ihn mit Lebensmitteln bezahlten: „Ich habe eine Kartoffel vom Wegrand aufgehoben, als ein SS-Mann das Gewehr auf mich anlegte. Er stellte mich an einen Baum und wollte mich erschießen. Doch ich fing nur an zu lachen, mir schien es besser zu sein, erschossen zu werden als langsam zu verhungern. So ließ er mich laufen mit den Worten: Warum soll ich eine Kugel verschwenden, du wirst ohnehin krepieren.“

 
 
- Anzeige -