Landrat Allgaier als VfB-Präsident „Ruhe sowie Stabilität“ als Ziel

Von Michael Nachreiner
Seit den 1990er-Jahren ist Dietmar Allgaier Fan des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart. Jetzt steht er als Präsident an der Spitze seines Herzensvereins. Foto: Pressefoto Rudel/Robin Rudel/Imago

Dietmar Allgaier ist für Kenner der Szene überraschend als Präsident des VfB Stuttgart berufen worden. Im Interview erklärt der Ludwigsburger Landrat, warum ihm die „Roten“ so wichtig sind.

Für viele Kenner des VfB Stuttgart wurde Dietmar Allgaier Ende vergangener Woche überraschend zum Präsidenten der „Roten“ berufen. Als Favorit auf die zumindest vorübergehende Nachfolge des auf der Mitgliederversammlung abgewählten Claus Vogt galt Ehrenpräsident Erwin Staudt. Im Interview erzählt Allgaier, seit wann sein Herz für den VfB schlägt, was den Reiz der „Roten“ ausmacht, aber auch wie er seine hauptamtliche Tätigkeit als Landrat des Landkreises Ludwigsburg mit den Aufgaben als Präsident des VfB in Einklang bringen will.

Wie überraschend kam die Berufung als Präsident des VfB für Sie?

Der Anruf des Vorsitzenden des Vereinsbeirats am Montagabend vergangener Woche kam sehr überraschend für mich. Es war zwar klar, dass nach der Mitgliederversammlung durch den Rücktritt von Rainer Adrion und durch die Abwahl von Claus Vogt der Verein ein neues Präsidium braucht. Aus der Versammlung ist nur Andreas Grupp als neues Präsidiumsmitglied hervorgegangen. Es fehlte aber noch ein zweites. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass ich angerufen werde.

Hat der Vereinsbeirat bei Ihnen offene Türen eingerannt?

Man hat bei mir schon offene Türen eingetreten. Aber bei so einer Entscheidung habe ich mir eine Nacht zum Drüberschlafen erbeten, um mich auch mit meiner Frau zu besprechen. Dieses Amt zu übernehmen hat bei mir in vielerlei Hinsicht Auswirkungen – vor allem auch zeitlich. Die gilt es, genau abzuwägen. Da ich schon lange Mitglied bin und mich auf verschiedenen Ebenen ehrenamtlich beim VfB eingebracht habe, habe ich aber gesagt: Wenn ich helfen kann, werde ich es auch tun. Denn wir müssen schauen, dass wir Ruhe sowie Stabilität reinbekommen und vor allem die nächste Mitgliederversammlung vorbereitet bekommen. Ich stehe allerdings nur als Interimspräsident, also zeitlich befristet, zur Verfügung. Das habe ich gegenüber dem Vereinsbeirat von Anfang an klar kommuniziert.

Wie kam der Vereinsbeirat auf Sie als möglichen Kandidaten?

Ich denke, das hat mit meinem bisherigen ehrenamtlichen Engagement beim VfB zu tun. Ich war viele Jahre zum einen im Mitgliederausschuss und zum anderen in der Satzungskommission. Und dann spricht sicherlich auch mein Profil für mich. Das erfüllt das Profil, das der Vereinsbeirat erstellt hat, welche Eigenschaften zumindest ein Interimspräsident mitbringen soll.

Was sind denn die Eigenschaften, die Sie mitbringen?

Es ist immer schwierig, sich selbst zu beschreiben. Deshalb bleibe ich mal beim Profil, das der Vereinsbeirat definiert hat. Zum einen ist Kommunikation gefordert, zum anderen Erfahrung in der Leitung eines eingetragenen Vereins oder Unternehmens. Dann spielte das Thema Gremienarbeit eine Rolle, die bei mir unbestritten vorhanden ist. Ich bin Kraft Amtes Vorsitzender von Aufsichtsräten. Und dann kam Vereinserfahrung hinzu. Ich war in den 1990er-Jahren Vorsitzender eines großen Kulturvereins in meiner Heimatstadt Kornwestheim. Auch beherrsche ich zu repräsentieren und bin sicher nur interimsweise im Amt, was auch ein wichtiger Punkt war.

Ein Kriterium für die Stelle ist, dass man langjähriges VfB-Mitglied ist. Seit wann schlägt Ihr Herz schon für die „Roten“?

Mein Herz schlägt richtig bewusst seit den 1990er-Jahren für den VfB, davor aber auch schon. Damals bin ich regelmäßig mit Kollegen zu Spielen des VfB gegangen. Mitglied wurde ich erst später.

Was hat den Reiz des VfB ausgemacht und was macht ihn immer noch aus?

Der VfB ist der Verein in Baden-Württemberg. Er versammelt alle Generationen, Kulturen, Strömungen und alle Nationalitäten unter sich. Der Klub hat eine Wahnsinns-Leistungsmöglichkeit. Erst am Sonntag hat man das an Leo Neugebauer gesehen, der Silber im Zehnkampf bei den Olympischen Spielen geholt hat. Das sind tolle Abteilungen und Sportler hier.

Haben Sie ein besonderes Erlebnis, das Sie mit dem VfB verbinden?

Ich hätte eigentlich mehrere Erlebnisse mit dem VfB – Freud und Leid. Was ich aber nie vergessen werde: Beim letzten Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 2020 konnte ich zum letzten Saisonspiel nicht im Stadion sein. Die letzten Minuten der Partie habe ich während einer Autofahrt im Radio gehört. Und mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter, wenn ich daran zurückdenke. Als die Rückkehr in die erste Liga dann klar war, war das so ein emotionaler Moment für mich, dass ich rechts ranfahren musste.

Welche Rolle spielt generell der Sport bei Ihnen? Sie sind auch beim Basketball-Bundesligisten MHP Riesen Ludwigsburg Vereinsbeirat.

Ich habe in meiner Jugend viel musiziert, ich spiele Saxofon und Klarinette und war in meiner Studentenzeit in einer Band. Ich bin ein Vereinsmensch von klein auf. Aber Sport spielt auch eine große Rolle, auch wenn ich selbst nicht der hyperaktive Sportler bin. Wenn ich dazukomme, schwimme ich sehr gerne und regelmäßig. Außerdem fahre ich Ski.

Wie interpretieren Sie Ihre Rolle als Präsident? Was sind Ihre Aufgaben?

Eine ganz wichtige Aufgabe ist die Vorbereitung der nächsten Mitgliederversammlung. Die zweite Hauptaufgabe ist, dass ich versuchen möchte, wieder Ruhe und Stabilität einkehren zu lassen, damit sich auch alle unsere Mitglieder, Fans und Freunde des VfB darauf konzentrieren können, was am nächsten Samstag mit der Saisoneröffnung wieder losgeht, die Fußballspielzeit. Darüber hinaus möchte ich mich in den Gremien einbringen und meinen Teil dazu beitragen, so gut ich das kann – übrigens in allen Abteilungen. Das Ziel ist – das habe ich mir zumindest für meine Zeit vorgenommen: wieder zu vereinen. Es gab einfach Risse, die sich schließen müssen.

Es gab einen schwelenden Streit in der Führungsebene, eine Kluft zwischen Fans und Verein. Wie haben Sie die Monate wahrgenommen?

Mein Blick richtet sich nach vorne. Nur eines dazu: Wir sind ein Verein. Und alle haben ein Interesse, wir wollen Spaß haben und keine Unruhe. Deshalb finde ich es auch wichtig, dass wir dafür die Voraussetzungen schaffen. Mir hat es leid getan, dass gerade in der Zeit, in der es sportlich so gut lief, auf anderer Ebene Unruhe reinkam.

Können Sie schon umreißen, wie Sie es schaffen wollen, dass alle wieder Spaß am Sport haben?

Es ist wichtig, dass wir offen, ehrlich und transparent gegenüber unseren Vereinsmitgliedern kommunizieren. Nur so kann man Vertrauen zurückgewinnen. Außerdem ist es wichtig, die Gremien wieder zusammenzuführen, wo notwendig.

Hauptamtlich sind Sie als Landrat des Landkreises Ludwigsburg sowie unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalen Kliniken-Holding RKH beschäftigt. Wie bekommen Sie beide Aufgaben unter einen Hut?

Ich mache das nur zeitlich befristet. Und dann ist es hauptsächlich auch eine Sache des Zeitmanagements und der Organisation. Das traue ich mir zu, dass ich das hinbekomme. Ich arbeite gerne und engagiere mich auch ehrenamtlich gern, habe zum Beispiel kein Problem damit, auch erst gegen spät nach Hause zu kommen. Auch bin ich am Wochenende verfügbar. Dazu bin ich familiär in der Situation, dass meine Frau das mitträgt und unsere Töchter erwachsen sind, sie sind im Studium. Dazu ist man heutzutage über die mobile Kommunikation fast überall erreichbar und kann sich einbringen.

Haben Sie die Bedenken, dass Sie einer Aufgabe nicht gerecht werden?

Nein, die habe ich nicht, weil ich das so organisieren werde, dass ich allen Aufgaben gerecht werde.

Können Sie sich vorstellen, aus der zeitlich begrenzten eine dauerhafte Lösung werden zu lassen?

Ich treffe hier beim VfB bisher nur auf tolle und motivierte Menschen. Deshalb ja, ich kann mir vorstellen, am Präsidentenamt Gefallen zu finden. Das ändert aber nichts an meiner Entscheidung.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Sportlichen: Da lief es in der vergangenen Saison für den VfB super. Was trauen Sie den Fußballern in der neuen Saison zu – sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League?

Ich bin total zuversichtlich. Ich traue unseren Jungs und Sebastian Hoeneß sehr viel zu. Wir hatten in der letzten Saison ein tolles Erlebnis, wir sind Vizemeister geworden, und wir spielen jetzt in der Champions League. Ich freue mich auf alles, was kommt.

Zur Person: Dietmar Allgaier

Dietmar Allgaier, geboren 1966 in Stuttgart, absolvierte nach der Fachhochschulreife zunächst eine Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten, bevor er an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg den Diplom-Fachwirt draufsattelte. Von 1992 bis 1996 war er im Finanzamt Ludwigsburg, anschließend bis 2008 in der Steuerfahndung Stuttgart beschäftigt. Von 2008 bis Anfang 2020 war er Geschäftsführer der Städtischen Wohnbau Kornwestheim sowie der Tech-Moteum. Im November 2019 wurde er als Landrat des Landkreises Ludwigsburg gewählt und trat sein Amt am 5. Januar 2020 an. In seiner Funktion als Landrat ist Allgaier auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der Kreissparkasse Ludwigsburg, Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalen Kliniken-Holding RKH, der Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim, der Orthopädischen Klinik Markgröningen (OKM) und der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises (AVL). Allgaier ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

 
 
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