Lebensmittelretter und lokale Angebote im Kreis Ludwigsburg „Es geht nicht um die Anzahl der geretteten Lebensmittel“

Von Heidi Vogelhuber
Ehrenamtliche Helfer sortieren in einer foodsharing-Station Lebensmittel. Übriggebliebene Lebensmittel werden aus dem Einzelhandel gesammelt, die dann von Menschen unentgeltlich mitgenommen werden können. ⇥ Foto: dpa/Marijan Murat

Im Kreis gibt es viele Angebote, um übrige Lebensmittel sinnvoll zu nutzen. Tafelladen, foodsharing, Fairteiler, Apps und Co im Überblick.

Deutschlandweit entstehen rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle jährlich; davon circa 500 000 Tonnen im Lebensmitteleinzelhandel. Dabei kann Übriges vielfältig genutzt werden und gehört nicht in die Mülltonne. Ein Überblick, was im Landkreis Ludwigsburg getan wird.

Gut 150 Kunden hat der Tafelladen Bietigheim-Bissingen derzeit. Die Tafel fährt Lebensmittelgeschäfte an, holt übrig gebliebene Waren ab und bietet sie Bedürftigen günstig an. Dabei gibt es viel zu beachten, bereits bei der Abholung. Der Fahrer muss etwa ein Temperaturprotokoll führen. „Wenn die Waren dann bei uns ankommen, haben wir Richtlinien wie im Supermarkt“, erklärt Ingrid Brandl, Leiterin der Bietigheimer Tafel. Es werde eher mehr als weniger Ware, die aussortiert werde, so ihr Eindruck. Das liege oft an Fehlbestellungen, aber auch an den Kunden, die einen Apfel mit einer kleinen Druckstelle bereits liegen lassen oder verlangen, dass bis Ladenschluss alles vorrätig ist. Ob die Tafel denn etwas bewirke? „Wir machen das für unsere Kunden und für die Lebensmittel. Der Bedarf ist da, man muss es versuchen“, sagt Brandel.

Neben der Tafel gibt es eine zweite Organisation, die sich um Lebensmittel und deren Rettung kümmert: foodsharing. 2012 gegründet, ist die Bewegung mittlerweile international mit über 200 000 Nutzern und Nutzerinnen aktiv. Auch in Ludwigsburg hat sich 2015 eine Ortsgruppe gegründet, die seit 2018 ein eingetragener Verein ist und mittlerweile 150 Mitglieder hat. Anna Wackerow hat seit vier Monaten das Amt der Vorsitzenden übernommen. „Es geht nicht um die Anzahl der Lebensmittel, die wir retten“, erklärt sie. Viel mehr gehe es darum, möglichst vielen von der Idee dahinter zu erzählen. Es gehe um Umweltschutz und Klimagerechtigkeit, sagt die 24-Jährige. Die Initiative stehe keineswegs in Konkurrenz zu Tafelläden, betont auch Tafelleiterin Brandl. Die Ehrenamtlichen von foodsharing fahren auch kleine Läden an und holen noch gute Lebensmittel ab, die dann in sogenannten Fairteilern angeboten werden. Das sind (Kühl-) Schränke, in die überschüssige Lebensmittel abgelegt werden und aus denen sich jeder kostenlos bedienen kann. Auch Privatpersonen können Übriges dorthin bringen. Das sei natürlich auch viel Arbeit, die ehrenamtlich erledigt wird, sagt Wackerow.

Einer dieser Fairteiler steht seit 1,5 Jahren in der Stuifenstraße 17 in Pleidelsheim. Der Schrank trägt den Namen „Ackersegen“ und wird durch die katholische Kirchengemeinde betreut, unter anderem von Miriam Hensel. „Ackersegen“ habe sich nach und nach rumgesprochen und werde von allen sozialen Schichten rege genutzt. „Es ist viel Arbeit, aber das soziale Engagement ist sehr groß. Viele Ehrenamtliche sind bereit zu helfen“, lobt die Gemeindereferentin, die auch bei foodsharing mitwirkt.

Es gibt auch eine digitale Möglichkeit: „Too good to go“. Restaurants und Geschäfte bieten überschüssige Lebensmittel über die App vergünstigt an, die vom Kunden reserviert und abgeholt werden können. Das Unternehmen wurde 2015 in Dänemark gegründet und hat inzwischen mehr als 980 000 Nutzer (Stand 2020). Auch im Kreis wird die App genutzt, unter anderem von der Bäckerei Clement. „Nachhaltiges Wirtschaften ist der Hauptgrund, warum wir die App seit März 2021 nutzen“, sagt Chef Frank Clement. Es gehe um Retourenminimierung und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Es werden Überraschungspakete, sogenannte „Magic Bags“ geschnürt. Die Resonanz sei durchweg positiv, sagt Clement und ergänzt, dass es nicht unbedingt die Sparfüchse seien, die das Angebot nutzen, sondern „vor allem Menschen, die nachhaltig denken.“

Die App passe gut ins Profil der Bäckerei mit Hauptsitz in Sachsenheim. Nachhaltigkeit sei Frank Clement wichtig. Er arbeite in seinen Filialen auch mit einer Bestelloptimierungs-KI, einer Software, die berechnet, wie viel wovon nachbestellt werden soll. Einkaufs- und Wetterdaten werden dabei einbezogen. „Seit die KI sowie ‚Too good to go’ im Einsatz sind, haben wir die Retouren um fünf Prozent gesenkt“, sagt Clement. Aktuell stehe die Bäckerei bei 20 Prozent Retouren, bis Ende des Jahres möchte der Chef bei 15 Prozent ankommen.

Übrige Backwaren werden auch an die Tafel sowie im letzten Schritt an Landwirte als Futterbeigabe abgegeben. Weggeworfen werde möglichst nichts.

 
 
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