Löchgauer Künstler Karl-Henning Seemann ist tot

Von Gabriele Szczegulski
Karl-Henning Seemann in seinem Atelier in seiner Löchgauer Villa 2014. Dort entstanden seit 1975 alle Werke – von der Skizze bis zum Wachsmodell. Foto: Werner Kuhnle

Im Alter von 88 Jahren ist der seit fast 50 Jahren in Löchgau lebende, in Wismar geborene Künstler gestorben.

Karl-Henning Seemann liebte Überraschungen und machte gerne welche, dafür war er bekannt. Eine Überraschung bekam der Löchgauer Künstler bei seinem letzten öffentlichen Auftritt am 6. April 2022: Ein Platz in seiner Wahlheimat wurde nach ihm benannt. Am vergangenen Samstag, 14. Januar, ist der Künstler verstorben. Seit 1975 lebte der am 13. März 1934 in Wismar geborene Künstler in seiner Wahlheimat Löchgau.

In nicht-öffentlicher Sitzung hatte der Löchgauer Gemeinderat Anfang 2022 einstimmig beschlossen, nach dem Künstler einen Platz zu benennen. Als bekannt wurde, dass Seemann das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik übergeben werden sollte, dachte der Gemeinderat über ein Geschenk nach – und benannte einen Platz in der Nähe der Alten Kelter nach ihm.  

Während in der Kelter dem Künstler von Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch das Verdienstkreuz am Band überreicht wurde, bauten Bauhofmitarbeiter die Skulptur „Weinskandal“ vom Marktplatz auf dem neuen Karl-Henning-Seemann-Platz auf, sodass das gutgehütete Geheimnis nicht schon vorher gelüftet werden konnte. Seemann war so gerührt, dass er einige Tränen vergoss. Selbst seine Ehefrau Adelheid Dorn-Seemann und seine vier erwachsenen Kinder hatten dicht gehalten.

Kaum ein Ort in der Regionohne einen Seemann

In der Region gibt es kaum einen Ort, in dem nicht ein Kunstwerk des Löchgauers im öffentlichen Raum steht. Und immer war es ihm wichtig, in seinen Skulpturen die lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten einfließen zu lassen.

Eines seiner letzten Werke war „Der gezwirbelte Zwirn“ für das Bönnigheimer Amann-Quartier. Da hängt der „Dicke Kerl“, der immer wieder in Seemanns Werken auftaucht, am seidenen Faden, die Spinnenfrau hält Faden und Spindel in ihren vielen Händen. Der Faden stellt den Bezug zur Fadenfirma Amann her, die dem Quartier den Namen gab.

Von 1953 bis 1955 studierte Seemann zunächst drei Semester an der Hochschule für Bildende und Angewandte Künste in Berlin-Weißensee und kam dabei mit Heinrich Drake und Arno Mohr in Berührung. Danach wechselte er von Ost- nach West-Berlin und setzte sein Bildhauereistudium bis 1959 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg fort.

In Charlottenburg wurde er vor allem von Bernhard Heiliger geprägt. Aber bereits zuvor hatte Seemann ein Problem beschäftigt, das ihn bis zuletzt umtrieb: Die Umsetzung von Bewegung in plastische Form.

Nach seiner Zeit als Kunsterzieher in Mannheim lehrte Seemann in Braunschweig sowie in Aachen und war dann von 1974 bis 1997 Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 1975 zog er in eine alte Villa in der Nähe der Nagelfabrik in Löchgau und „fühlte sich sofort zu Hause“, wie er gegenüber der BZ einmal sagte. Besuche in seinem Atelier begannen immer mit seinen neuesten Ideen und Arbeiten, dauerten Stunden und endeten bei den großen Themen der Welt bei einem Tee im verwunschenen Garten oder im gemütlichen Wohnzimmer. So ernst Seemann arbeitete, so humorvoll war er. Jedes seiner Werke strahlt diesen doppelzüngigen Humor Seemanns aus, der so gerne lachte – auch über sich.

„Mit meinem Löchgauer Ortstor, aber auch mit vielen anderen Skulpturen habe ich, wie auch in meiner Heimat Wismar mit dem Georgenportal, Flucht und Zuflucht thematisiert und versucht, ein Zeichen zu setzen und Stellung zu nehmen“, sagte Karl-Henning Seemann einmal. Er setzte damit auch sich selbst viele, viele Denkmale, durch die man dem Löchgauer Künstler immer wieder begegnen kann.

Ausgewählte Werke von Karl-Henning Seemann

Werke in der Region Im Bönnigheimer Amann-Quartier wurde 2020 das Werk „Der gezwirbelte Zwin“ aufgebaut.

Weitere Orte, in denen Werke des Löchgauers im öffentlichen Raum stehen: Aachen, Kempen, Braunschweig, Heilbronn, Düsseldorf, Gießen, Goslar, Hamburg, Karlsruhe, Kiel, Lauffen, Nordheim, Bad Wildbad, Schwäbisch Hall, Waiblingen, Wismar. Seemann selbst listete 151 deutsche Orte auf, an denen Werke von ihm zu sehen sind.

 
 
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