Löchgau „Wo ist der Anstand geblieben?“

Von Helena Hadzic
Die Löchgauer Knigge-Trainerin Karin Neumann. Foto: Markus Schaenzle Photography

Karin Neumann ist Knigge-Trainerin – in ihren Seminaren lehrt sie Azubis, wie man richtig grüßt, sich bei einem Mittagessen verhält oder welches Outfit einen guten Eindruck hinterlässt. 

In China ist es völlig normal, beim Essen zu rülpsen oder zu schmatzen – in Deutschland hingegen läuft man Gefahr, als unkultiviert und unhöflich abgestempelt zu werden. Immerhin gehört es zum guten Ton, die allgemein anerkannten Umgangsformen zu pflegen und sich in Gesellschaft anstandsvoll zu verhalten. Auch im Kreis Ludwigsburg gelten diese Anstandsregeln – und wenn es Regeln gibt, braucht es auch jemanden, der diese vermittelt.

Genau da kommt Karin Neumann ins Spiel: Die Löchgauerin ist zertifizierte Business-Knigge-Trainerin und kennt sich mit den vielen sogenannten Knigge-Regeln bestens aus. In ihren Seminaren trainiert sie regelmäßig Azubis zwischen 16 und 22 Jahren zu Beginn ihrer Ausbildung und geht hauptsächlich auf Regeln ein, die für den beruflichen Rahmen relevant sind. Beispielsweise Kommunikation mit Menschen, die korrekte Begrüßung oder auch das richtige Outfit, um den idealen Eindruck zu hinterlassen.

Im Gespräch mit der BZ erzählt sie, was man bei ihr lernt und warum Knigge heute überhaupt noch nötig ist.

Woher kommt „Knigge“?

Aber zuerst einmal zurück auf Anfang: Woher kommen diese Knigge-Regeln überhaupt? Der Schriftsteller Adolph Knigge veröffentlichte im Jahr 1788 das Buch „Über den Umgang mit Menschen“. Während das Werk oder dessen Autor vermutlich den meisten Bürgern kein Begriff mehr ist, ist der alleinstehende Begriff „Knigge“ weitaus geläufiger. Hört man jedoch „Knigge“, denkt man an Tischmanieren und Essensregeln: Teures Restaurant, zehn Löffel und Gabeln um den Teller platziert und keine Ahnung, welches Besteck für welche Speise zu verwenden ist.

Ob man dies auch bei Neumann lernt? Vielleicht nicht mit zehn Löffeln, aber: „Ja, die Tischsitten sind ebenfalls Thema des Seminars. Meistens wird dies vor Ort im Rahmen eines gemeinsamen Mittagessens vermittelt“, erklärt die Trainerin. Sie macht aber auch klar, dass Knigge lange nichts mit übermäßig strengen oder pedantischen Regeln zu tun habe, vielmehr gehe es dabei um einen respektvollen und wertschätzenden Umgang in Gesellschaft, sagt Neumann.

Ihren Seminarteilnehmern hilft es jedenfalls: „Personen benötigen eine Orientierung und Sicherheit, um einen kompetenten und professionellen Eindruck zu hinterlassen und um nicht bei den Kollegen, Vorgesetzten und Kunden anzuecken.“ Es geht also vornehmlich um die „Vermeidung von Fettnäpfchen“ – und damit kennt sich die Löchgauerin aus.

Immerhin ist sie seit über 25 Jahren zertifizierte Trainerin für Kommunikation, Vertrieb und Führung sowie Business-Coach. Vor fünf Jahren hat Neumann dann die Ausbildung zur Knigge-Trainerin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) gemacht – eben weil die Nachfrage da war: „Bei den Unternehmen steigt die Unzufriedenheit bezüglich Mitarbeiterverhalten, insbesondere bei den jüngeren Personen“, weiß die Trainerin. Sie vermutet daher, dass die Nachfrage auch weiter zunehmen wird. Worum geht es konkret in den Seminaren?

Worum es in den Kursen geht

Behandelt werden zeitgemäße Umgangsformen, wie etwa Grüßen und Begrüßen, Kommunikationsregeln und die Wortwahl, Distanzzonen oder der Umgang mit kritischen Situationen. Aber auch Ordnung und Pünktlichkeit spielen eine Rolle, das richtige Outfit im Job oder auch der Umgang mit Social Media und dem eigenen Arbeitsplatz auf der Arbeit – eben alles, was einen äußerlichen Eindruck hinterlässt. Dabei geht Neumann sehr praxisorientiert mit Beispielen des jeweiligen Unternehmens vor. Auf den theoretischen Teil legt sie in ihrem Seminaren – welche in Gruppen in den jeweiligen Unternehmen stattfinden – etwa 30 Prozent, auf den praktischen Teil 70 Prozent. Dabei werden die Inhalte aus der Theorie in Rollenspielen geübt – und dann gibt Neumann ihr Feedback ab. „Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie dankbar die Azubis für die Vermittlung der professionellen Verhaltensweisen sind“, erzählt die Business-Trainerin.

Bewusstsein für Respekt

Einem Teilnehmer, erinnert sich Coach Neumann, war es beispielsweise nicht bewusst, dass es unprofessionell wirkt, am ersten Arbeitstag auf den Vorstand zuzugehen und ihm das „Du“ vorzuschlagen. „Die Verrohung in der Gesellschaft ist in aller Munde, wo ist der Anstand geblieben?“, fragt sie sich. Daher möchte sie mit ihren Seminaren ein Bewusstsein für Anstand, Umgang und Respekt schaffen. Selbstreflexion ist hier das Stichwort: Man soll sich selbst fragen, ob man die Mitmenschen so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte. Denn darum geht es letztlich – im beruflichen Kontext als auch privat, so die Löchgauerin. „Für mich war es bereits bei der Erziehung meiner Kinder wichtig, ihnen gute Umgangsformen zu vermitteln“, erzählt sie. Immerhin tue „es den Menschen so gut.“

Allgemein empfiehlt Neumann jedem, sich hin und wieder Feedback von den Menschen in der näheren Umgebung einzuholen. Ein anderer Tipp, den sie verrät: „Die Qualität der Begegnungen kann ich selbst verbessern, indem ich andere lobe und ihnen meinen ehrlichen Respekt für ihre Arbeit zolle“, so Karin Neumann.

 
 
- Anzeige -