Lokale Auswirkungen der Krankenhaus-Reform Bietigheim stand auf der Kippe

Von Heidi Vogelhuber
Das RKH-Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen in Bietigheim-Bissingen. Foto:  

Im Rahmen der Krankenhaus-Reform wäre die Klinik Bietigheim-Vaihingen fast zum Gesundheitsstützpunkt ohne Spezialisierungen geworden. Die Geburtshilfe etwa wäre dann Geschichte gewesen.

Wir brauchen eine Krankenhausreform“, sagt Professor Dr. Jörg Martin im Gespräch mit der BZ. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. So wie es den Krankenhäusern derzeit geht, der finanzielle Druck unter dem sie stehen, so könne es nicht weitergehen. Auch sei keine optimale Versorgung der Patienten gegeben. Die Strukturen sind veraltet. Die Antwort von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist die Krankenhaus-Reform, die noch in den Kinderschuhen steckt, aber schon für viel Aufregung gesorgt hat.

Der erste Entwurf der Reform

Die Einteilung in Versorgungsstufen (Level) sollte laut erstem Entwurf der Reform nach gewissen Kriterien vorgenommen werden – nämlich vom Bund. Dabei kam es darauf an, was die Krankenhäuser jetzt vorzuweisen haben, erklärt Martin. Im Entwurf, der bis Dienstagnachmittag aktuell war, wäre es so gekommen, dass das Klinikum Ludwigsburg ins „Level 3“ (Maximalversorger) eingerechnet worden wäre, die letztendlich ein großes Portfolio an Leistungen anbieten dürfen. Die Klinik Bietigheim-Vaihingen jedoch wäre ins „Level 1i“ gerutscht und hätte sich als sogenannter Gesundheitsstützpunkt auf die Grundversorgung konzentrieren müssen. Aber: „eine Geburtshilfe mit über 2000 Geburten jährlich hätte die Klinik nicht mehr betreiben dürfen“, so Martin. Das habe zu einigermaßen großer Aufregung geführt, berichtet der RKH-Geschäftsführer und merkt an: „Das geht gar nicht. Wo sollen denn die 2000 Kinder sonst entbunden werden?“

Da es nicht nur der Bietigheimer Klinik so ergangen wäre, sondern bundesweit fast zwei Drittel aller Kliniken als Grundversorger eingruppiert worden wären – so auch das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart – sind die Länder auf die Barrikaden gegangen. Nach einem Gespräch zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und Vertretern der Länder am Dienstag, ist ein neues Eckpunktepapier verfasst worden, das den Ländern die Levelzuordnung zuspricht, auf Grundlage bundeseinheitlich festgelegter Qualitäts- und Strukturkriterien.

Neufassung seit Dienstagabend

Die Leveleinteilung soll künftig angelehnt werden an das „gestufte System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands), welches drei Notfallversorgungsstufen aufweist. Bietigheim-Vaihingen mit über 30 000 Patienten in der Notfallambulanz pro Jahr fällt damit in die Basisversorgung 1. Ludwigsburg in die Stufe 3. „Letztendlich entscheidet das Sozialministerium, welches Level das Krankenhaus wird, nach den Vorgaben, die vom Bund entwickelt werden“, betont Martin. Die Orthopädische Klinik Markgröningen wird als Fachklinik („Level F“) laufen, gleiches gilt für Bundeswehr- und Berufsgenossenschaftliche Kliniken, die gibt es aber in der Region nicht.

Zum Zuordnungsprozess

Einzelne Leistungen werden zu Leistungsgruppen zusammengefasst. Das Sozialministerium verteilt künftig die Leistungsgruppen auf die verschiedenen Level. Es wird überprüft, welche Abteilungen, Geräte, Strukturen et cetera vorhanden sein müssen, um die vorab festgelegten, bundeseinheitlichen Kriterien zu erfüllen. Am Beispiel Bietigheim erklärt Martin, dass die Geburtshilfe etwa eine gynäkologische und eine anästhesiologische Abteilung braucht. „Das gilt es nun mit dem Land zu verhandeln, welche Leistungsgruppen welches Krankenhaus künftig machen darf.“

Das „Level 1i“, in das Bietigheim fast gerutscht wäre, bekommt keine Leistungsgruppen zugesprochen, da diese Krankenhäuser sich auf die Grundversorgung fokussieren müssen. Das bedeutet vor allem stationäre Leistungen der Grundversorgung, ambulante fachärztliche Leistungen in Kooperation mit Hausärzten sowie Kurzzeit- und Übergangspflege. Die Vergütung erfolgt nach Tagessätzen, im Gegensatz zur neuen Finanzierung der übrigen Level (siehe Infobox). Martin betont: „Bietigheim als Gesundheitsstützpunkt ist jetzt vom Tisch.“

Wie geht es jetzt weiter?

Das Eckpunktepapier wird derzeit beraten und soll Anfang September in einen Referentenentwurf münden, der ins Gesetzgebungsverfahren übergeht. Zum 1. Januar 2024 soll die Reform in Kraft treten. Bis dahin sei Zeit, mit dem Land zu verhandeln, welche Leistungsgruppen welches Krankenhaus bekommt und in welches Level die Kliniken eingestuft werden. Die Umsetzung, inklusive Auszahlung der Vorhaltebudgets, soll zum 1. Januar 2025 erfolgen.

Sorgen wegen Schließungen müsse man sich im Kreis jedoch nicht. „Wir sind unserer Zeit durchaus voraus und haben unsere Krankenhaus-Landschaft schon aufgeräumt“, schaut Martin der Reform positiv entgegen. Schön seien Schließungen nie, jedoch sei es im Kreis erforderlich gewesen, Marbach zu schließen, Vaihingen umzuwidmen. „Bei 545 000 Einwohnern haben wir 1500 Akutbetten plus 200 Betten in der OKM. Wir sind gut vorbereitet. Und dass die Reform kommen muss, ist klar.“

Finanzierung von Krankenhäusern: vorher / nachher

Bislang teilte sich die Finanzierung der Kliniken in Pflegebudget (Pflege am Bett) und DRGs (Diagnosis Related Groups, also Fallpauschalen für ärztliche Aufwendungen, Material, Arzneimittel) auf. Ab 2025 bekommen die Kliniken neben dem Pflegebudget ein Vorhaltebudget (berechnet aus der Vergütung der Leistungsgruppen, also dem laufenden Betrieb), ergänzt durch rDRGs (Residual, also zurückbleibende Fallpauschalen). Das Vorhaltebudget erhöht die Liquidität des Krankenhauses. Es wird leistungsunabhängig gezahlt und jährlich vom Land geprüft. Duale Finanzierung: Investitionskosten (Neubauten, Geräte) finanziert der Bund, Betriebskosten bezahlt die Krankenkasse.

 
 
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