Ludwigsburg Poetry Slam im historischen Jugendstilbad

Von Jonathan Lung
Poetry Slam im einstigen Stadtbad. Foto: Werner Kuhnle

Ein Poetry Slam ergänzt die Sonderausstellung des Haus der Geschichte – die Kulisse hätte nicht geeigneter sein können: Schwimmen.

„Wir sind verschieden – nur im Schwimmbad nicht“, fand Kaleb Erdmann am vergangenen Freitag am Beckenrand des alten Ludwigsburger Stadtbads. „Sich von gleich zu gleich in rote Augen schauen – das kann man nur im Schwimmbad.“ Aber er erkannte auch den schnell ausschließenden Charakter der jeweiligen Schwimmkultur: Frauen mussten noch um die Jahrhundertwende abgeschirmt von eigens gezimmerten Badehütten ins Wasser steigen – von freiem Schwimmen keine Spur. Juden durften im Nationalsozialismus auch nicht mehr in öffentlichen Badeanstalten mitschwimmen.

Thema der Sonderausstellung

Damit traf der Poetry-Slamer das Thema der aktuellen großen Sonderausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart, zu dessen kulturellem Beiprogramm der Dichterwettstreit in den historischen Mauern des 1908 fertiggestellten Bads gehörte: „Frei Schwimmen gemeinsam?!“, so der Ausstellungstitel, den Rainer Schimpf vom Haus der Geschichte Moderator Johannes Elster erstmal erklären musste. „Das Schwimmbad ist ein hochpolitischer Ort, der uns viel über unsere Gesellschaft sagen kann“, erklärte er die Wahl des Ausstellungsthemas, das auch durch Berichte von Problemen in deutschen Freibädern sowie Grenzschließungen vor zwei Jahren aufkam. „Wie unterschiedlich unsere Vorstellungen von Freiheit und Gleichheit sind“, könne das Bad als Ort zeigen, so Schimpf .

Vier Kandidaten traten also mit ihren selbst verfassten Texten vors Publikum: Neben Erdmann noch Laura Gommel, Hank M. Flemming und Meike Harms. Die Regeln waren wie immer so einfach wie klar: keine Requisiten, nur ein Medium zum Textablesen. Und: selbstgeschriebene Texte – entsprechend für die Ausstellung in der ersten Runde zum Thema Schwimmen. So kamen individuelle Beiträge heraus, alles Premieren, eventuell auch nur dieses eine Mal vorgetragen, betonte Elster. Gommel erörterte nach Erdmanns sozial-politischer Analyse des Badens, „was Schwimmen mit uns macht“, spürte „die Einladung, uns nacktzumachen, offenzulegen“, nicht nur im körperlichen Sinne. „Öfters gemeinsam schwimmen“, das war ihr Fazit.

Das Ende der Diktatur

„Warum muss Wasser nur so scheiß nass sein?“, fragte sich nach ihr Flemming. In seinem Text provozierte das Verbot, sich ins Freibad Hoheneck zu erleichtern, nach einer Berichterstattung der Bild-Zeitung über diese Einschränkung der Freiheit, gar eine Intervention der amerikanischen Regierung. Elon Musk setzte sich unter dem Slogan „Free Freibad Hoheneck“ für das Ende der Diktatur ein. Am Ende war der Text aber eine Parabel auf den Klimawandel. Manchmal sind doch Einschränkungen der Freiheit notwendig für das Wohl aller.

„Ich bewege mich unglaublich gerne, aber ich kann nicht schwimmen“, gestand dann Harms. Zumindest nicht gut und gerne. Und auch in der Reimform, ihrer liebsten Form zu schreiben, macht das Wort Probleme: „auf Schwimmen reimt sich dimmen oder den Rasen trimmen – was soll ich denn damit anfangen?“ Schließlich fand sie doch noch einen Rat für die Gäste: „Meide den Gast mit dem Schnuller, die Gefahr ist groß, dass er ins Becken pullert.“

Eine einmalige Kulisse

Sieben Jahre nach der Umnutzung des Bads zur Schulkantine wurde so noch einmal, im übertragenen Sinne, das Becken gefüllt. Die Stuhlreihen waren auf der wasserblauen Zwischendecke aufgestellt, durch Sichtschächte kann man noch auf den Beckenboden sehen. Nicht wenige Besucher hatten noch ganz persönliche Erinnerungen an Schwimmstunden hier. Das historische Jugendstilbad – eine einmalige Kulisse, „super geeignet“, fand auch Moderator Elster.

In der zweiten Runde nahmen die Slamer, nun frei in ihrer Wahl der Texte, mit in ein neues Freibad und auf die COP 28, sprachen über Angst als Feind der Freiheit und einen Sommernachtstraum auf Island. Den Preis des Abends, wie beim Poetry Slam üblich festgestellt an der Lautstärke des Applauses, trug Kaleb Erdmann davon.  Jonathan Lung

 
 
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