Ludwigsburger Schlossfestspiele Ein Schatz aus dem 17. Jahrhundert

Von Sandra Bildmann
Die Cappella Mediterranea führte das Oratorium „Il diluvio universale“ bei den Schlossfestspielen auf. Foto: Schlossfestspiele

Die Cappella Mediterranea zeigte das Oratorium „Il diluvio universale“.

Nachdem es 1682 im Dom zu Messina uraufgeführt wurde, lag das Oratorium „Il diluvio universale“ fast 330 Jahre in der Schublade, ehe es 2010 wiederentdeckt wurde. Die Komposition des Priesters und Kapellmeisters Michelangelo Falvetti handelt von der Sintflut, wie sie in der Bibel überliefert ist. Der argentinische Dirigent Leonardo García Alarcón hat das Werk rekonstruiert. Am Donnerstagabend brachte er es mit der Cappella Mediterranea samt Orchester und Choeur de Chambre de Namur im Ludwigsburger Forum auf die Bühne.

In dieser Ausführung ist das Oratorium ein Gesamtkunstwerk, bei dem stimmig jedes Detail ineinandergreift. Alarcón hat einen Schatz ausgegraben, der ein oft gestreutes Vorurteil widerspruchslos widerlegte: Um das Publikum mit einem dramatischen wie theatralischen Werk zu faszinieren, braucht es keine dreistündige Oper mit verworrenen Liebesintrigen und ausgedehnten Da-Capo-Arien. Denn gerade die äußere Form mit stets fortschreitender Handlung begünstigt eine Struktur, die in ihren Bann zieht. Und die Story rund um die Sintflut aus der Bibel kann ganz schön packend sein.

Klage über Zerstörung der Natur

Die Gesangssolisten agierten szenisch moderat, aber bewusst. Ihre Darstellung wirkte nicht überzeichnet, sondern natürlichen Impulsen angepasst. Das ließ den Inhalt greifbarer werden und unterstützte die Musik. Das beste Beispiel: Die Wehklage über die Zerstörung der Natur – rein musikalisch schon zauberhaft – wurde ergreifend, weil die Solistenriege in ihren Rollen, unter anderem als „Göttliche Gerechtigkeit“ und „Menschliche Natur“, am Bühnenrand knieten und attacca anschließend der Tod in Kostüm-Gestalt des Sensenmanns fröhlich im Kreis tanzte. Falvetti hatte sich als Komponist hier nicht dazu hinreißen lassen, den Tod aus Sicht der Menschen mit düsterer Musik zu versorgen, sondern schenkte ihm ein triumphales Tänzchen.

Hier hätte die Geschichte zu Ende sein können. Doch wie ein „Deus ex machina“ – das aus heiterem Himmel auftauchende Heilmittel aller Probleme – verbreitete sich Hoffnung aus dem Nichts und es kehrte sich alles zum Guten. Die kraftvolle Poesie des Librettisten Vincenzo Giattini fasst diese Wendung in Worte. Am Ende des rund 70-minütigen Opus heißt es in der deutschen Übersetzung: „Siehe den Regenbogen des Friedens / in dem die Seelen die göttliche Milde erkennen können. / Im Kreis der Himmelskörper funkelt / obwohl verschleiert / die hell dämmernde Gnade.“

Musikalisch vom Feinsten

Musikalisch war die Darbietung am Donnerstag vom Allerfeinsten. Sowohl das 18-köpfige Orchester als auch der Chor sind beste Botschafter ihres Fachs. Aus der Reihe der durchweg überzeugenden Solisten der Cappella Mediterranea ragten die Interpreten von Noah und seiner Frau Rad heraus: Ausgesprochen reizvoll klang der Tenor von Valerio Contaldo, dessen italienischer Schmelz im Timbre trotz des überwiegend vibratolosen Gesangs in der Ästhetik der Barockzeit durchschien. Den berührendsten Moment schuf er im Duett mit Mariana Flores, als die beiden ihre Stimmen in einer kunstvollen Natürlichkeit fließen ließen. Es entstand eine berückend intime Ambivalenz zwischen Flehen und Zuversicht.

„Il diluvio universale“ unter der Leitung ihres Rekonstrukteurs Leonardo García Alarcón ist ein Erlebnis, das auch all diejenigen fesselt, die bei Barockmusik sonst gerne weiterzappen. Zum Abschalten war die Darbietung keineswegs: Wer bei dieser Aufführung nicht zugegen war, hat Großes verpasst. Das Publikum erhob sich bereits von seinen Sitzen, da hatte der Applaus gerade erst begonnen.

 
 
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