Markgröningen Der Archäologie verfallen

Von Gabriele Szczegulski
Die Derzeitige Ausstellung im Römermuseum Güglingen zeigt Werke des Künstlers Gunther Stilling, der in Güglingen lebt. Jahrelang hat Enrico de Gennaro diese Ausstellung vorbereitet. Foto: /Oliver Bürkle

Der Markgröninger Enrico De Gennaro hat vor 15 Jahren das Güglinger Römermuseum gegründet und leitet es seitdem. Die Leidenschaft für Ausgrabungen begleitet ihn seit seiner Kindheit.

Fünf Jahre alt war Enrico De Gennaro, als er in der Umgebung von Gerlingen, wo er aufwuchs, mit kleinen Schaufeln in der Erde grub: „Ich dachte damals schon, was da wohl alles aus früheren Zeiten liegt.“ Immer mehr interessierte der Junge sich für Geschichte und Archäologie.

Mit 12 Jahren bemerkte ein Mitarbeiter des Landesdenkmalamt den Schüler, erinnert sich De Gennaro. Er gab ihm Werkzeug und ließ ihn mitgraben. Von da an war De Gennaro, wo immer es zu Ausgrabungen kam, dabei. Quer durch alle Zeiten grub er sich, von der Steinzeit bis in die Frühzeit und eignete sich das dazugehörige wissenschaftliche Wissen an. „Das ist ein so erhabenes Gefühl, in der Erde nach noch so kleinen Dingen zu suchen und zu finden“, sagt er. Noch heute macht er das gerne. „Große Ausgrabungsfirmen, die heute auf Baustellen archäologische Untersuchungen machen, kommen mit großen Baggern, wollen Ergebnisse, weil sie wirtschaftlich sein müssen, aber es geht auch um Details, nur dann kann man das große Ganze entdecken“, sagt er.

Die Chance, ein neues Museum zu gründen

2008 gründete er das Römermuseum in Walheim mit den Funden, die bei Ausgrabungen dort gefunden wurden. „Wer hat schon die Chance, ein neues Museum zu gründen?“, so De Gennaro, der seit ein paar Jahren in Markgröningen lebt. Mit 18 Jahren wurde er schon, „neben der Schule“, Museumsleiter des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Leonberg, vier Jahre lang machte er das. Er gründete einen Ausgrabungsarbeitskreis, nebenher machte er Abitur. „Ich bin ein Generalist, mich interessieren alle historischen Zeiten“, sagt der 49-Jährige.

Sein größter Ausgrabungserfolg war 1993. Damals fand er bei Leonberg-Höfingen die „Höfi“, ein Skelett, wahrscheinlich ein weibliches, das aus der Jungsteinzeit stammt, also fünfeinhalb Jahrtausende alt ist und nach einigen Ausstellungen nun im Depot des Landesdenkmalamts in Rastatt lagert.

Ausgrabungs-Wunderkind wegen der „Höfi“

De Gennaro war plötzlich ein Ausgrabungs-Wunderkind, fand Beachtung in allen großen Medien. Auch seinen Zivildienst wollte er nicht ausgrabungsfern verbringen. Er bekam ein Angebot der Caritas Stuttgart, die den Jugendarbeitsdienst, der bei Ausgrabungen half, organisierte. Danach studierte er Ur- und Frühgeschichte, Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Geologie, Paläontologie und Humangenetik in Tübingen. In den Semesterferien grub er die keltischen Vierecksschanzen bei Nordheim mit aus und das alemannische Gräberfeld bei Herrenberg. Nach dem Studium arbeitete er für das Landesdenkmalamt in Stuttgart, konzipierte Ausstellungen wie „Die Alemannen“ 1997, „Troja“ 2001, „Imperium Romano“ 2006. Er half bei Grabungen unter anderem in Gäufelden, Kirchheim/Neckar, Remseck-Hochdorf und Murr. Sein Wissen in der Grabungstechnik gab de Gennaro in Lehrgrabungskursen für Laien in ganz Baden-Württemberg weiter.

2003 kam er erstmals nach Güglingen, wo seit 1999 Grabungen durchgeführt wurden, bei denen man nach Überresten einer zivilen, ländlichen, römischen Siedlung (Vicus) suchte. „Einige der mehrere Tausend Stücke habe ich selbst gefunden“.

2000 Exponate sind in der Dauerstellung des Güglinger Römermuseums ausgestellt. Aber der Gedanke, so Gennaro, dass in Güglingen ein Museum entsteht, war noch nicht geboren. Erst einmal kuratierte er eine Ausstellung im Lauffener Klosterhof über die Funde in Güglingen – ein Riesenerfolg, der den Grundstein dazu legte, dass die Stadt Güglingen und de Gennaro über ein Museum nachdachten.

Er bekam 2006 die Aufgabe, ein Museum aufzubauen. Eine Schenkung des in Güglingen lebenden Architekten Heinz Rall über 150 000 Euro legte den Grundstein. Das Römermuseum sollte nicht an der Fundstelle verortet werden, sondern im Alten Rathaus untergebracht werden. Dieses wurde aufwendig renoviert und „museumstauglich gemacht, denn die Statik musste auch tonnenschwere Fundstücke tragen“, so De Gennaro. Es sollte zusammen mit dem Fundort ein großes Spezialmuseum werden.

Wichtig: die wissenschaftliche Ausrichtung

Gemeinsam mit Ausstellungsbauern und dem Stuttgarter Gestalter Markus Ege konzipierte Enrico De Gennaro die museale Einrichtung. „Das Museum sollte modern sein und den Fokus auf die Gegenstände richten“, so De Gennaro. Wichtig sei ihm, dass die Ausstellung wissenschaftlich aufgearbeitet ist und ihre überregionale Bedeutung gezeigt wird. Die Finanzierung des Umbaus sowie den laufenden Museumsbetrieb übernimmt zu circa 50 Prozent, so der Museumsleiter, die Stadt, den Rest finanzieren private Geldgeber und Spender.

10 000 Besucher pro Jahr kommen ins Römermuseum, zu Führungen und anderen Veranstaltungen. „Man muss sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um die Menschen nach Güglingen zu holen“, so De Gennaro. Deshalb konzipiert er auch alle Sonderausstellungen selbst, um einzigartige Präsentationen zu bieten, die überregional für Beachtung sorgen.

Angebote, aus Güglingen wegzugehen, hat der renommierte Archäologe einige, immer wieder. „Aber hier kann ich schöpferisch tätig sein, ich kann Kataloge und Bücher schreiben, wissenschaftlich arbeiten, die Aufgaben sind so vielfältig. In größeren Instituten wird die Kreativität aufgefressen“, sagt De Gennaro.

Das Römermuseum und die römische Freilichtanlage in Güglingen

In Güglingen lag verkehrsgünstig eine zivile ländliche Siedlung (Vicus). Sie besaß eine zentrale Funktion im Zabergäu und war ein bedeutender Handels- und Marktort für die Umgebung. Der mit sogenannten Streifenhäusern bebaute Ort hatte von 120 nach Christus ungefähr zwei Jahrhunderte Bestand. Ausgedehnte Grabungen fanden hier von 1999 bis 2005 statt. Sie erbrachten einen der größten zusammenhängenden Ausschnitte dieses Stiedlungstyps.

 
 
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