Die Welt von Walter Marchart ist flach, klein, bunt und an den Rändern häufig ziemlich ausgefranst. Der Markgröninger ist Briefmarkensammler, seit 76 Jahren. „Und zwar ohne Unterbrechung“, wie Marchart betont. Nicht ganz solange gibt es die Sammlergruppe Möglingen des Philatelistischen Clubs Markgröningen (PCM), die diese Tage ihr 50-jähriges Bestehen feiert.
Markgröningen Der Weltensammler
alter Marchart ist seit Kindertagen von Briefmarken fasziniert. Jetzt feiert der von ihm mit gegründete Philatelistische Club ein rundes Jubiläum.
200 Mitglieder
200 Mitglieder hat der PCM mit seinen vier Untergruppen Möglingen, Tamm, Schwieberdingen und Hemmingen. Damit ist der PCM eine der größten Sammlervereinigungen im Südwesten. Noch, denn das Hobby, das seit dem Aufkommen der ersten Briefmarken Mitte des 19. Jahrhunderts ganze Generationen begeisterte, ist unter Druck. Das Durchschnittsalter beim PCM liege bei „70 plus“, sagt Marchart, der nicht nur Gründungsmitglied, sondern auch Geschäftsführer ist.
Gesammelt werde zwar noch immer alles Mögliche, sagt Marchart. Auch von jungen Menschen. Doch nicht unbedingt Briefmarken. „Unsere Jugendgruppe hat derzeit acht Mitglieder“, erzählt der Markgröninger. Immerhin, auch wenn es früher bis zu 60 Kinder und Jugendliche waren, die sich beim PCM für die große Welt im Kleinen begeisterten.
Bei ihm selbst begann die Leidenschaft mit einem Kaugummikauf. „Das war nach dem Zweiten Weltkrieg für meine Generation das Nonplusultra an Süßigkeiten“, erinnert sich Marchart. Die Kaugummis wurden in Tüten à zehn Pfennig verkauft. „In jeder Tüte waren vier Briefmarken. Als ich 16 Stück hatte, fing ich an zu sammeln“, erzählt der Markgröninger. Daraus entwickelte sich eine Leidenschaft.
Am Anfang stand der Spaß am Tauschen. „Das haben damals sogar die Lehrer an der Schule gemacht“, sagt der frühere Leiter der Markgröninger Stadtbücherei. Einer der Lehrer habe seinen Eltern auch empfohlen, die Sammelleidenschaft ihres Sohns zu unterstützen, weil es ihm schulisch helfe. „Und das hat auch gestimmt“, erinnert er sich. Denn, so Marchart, Philatelie, also die Liebe zur Briefmarke, sei mehr als nur bedrucktes Papier zu sammeln. Die Briefmarken seien Visitenkarte des jeweiligen Landes. Und über die Motive lasse sich die Welt erschließen.
Blick in fremde Welten
Das früher sicher mehr als heute: In Zeiten, in denen Fernseher und Radio rar waren, boten die Postwertzeichen einen willkommenen Einblick in damals exotisch anmutende Länder. Das war die Zeit, als Luftpostbriefumschläge von der ganzen Familie bestaunt wurden und Väter die Umschläge der ausländischen Geschäftspost wegen der Briefmarken mit nach Hause brachten.
Manche hatten Motive, die zumindest in der alten Bundesrepublik eher selten waren: Marken aus dem damaligen Ostblock hatten etwa häufiger Abbildungen aus der Weltraumtechnik.
„Manche Länder haben aus besonderen Briefmarkenmotiven ein richtiges Geschäft für den Staatshaushalt gemacht“, erzählt Marchart. „Die Mongolei etwa oder auch Nordkorea.“
Thematische Sammlungen
Doch, um Interessantes zu finden, muss man gar nicht so weit in die Ferne schweifen. Marchart, der sich als Juror von nationalen und internationalen Briefmarkenausstellungen einen Namen gemacht hat, hat selbst hat mehrere thematische Sammlungen aufgebaut. Zum Beispiel – für jemanden aus der Schäferlaufstadt Markgröningen naheliegend – über Schafe. „Das fing mit sechs Marken an und liegt aktuell bei drei Alben mit je 180 Blättern“, erzählt Marchart. Erfasst hat er dabei möglichst viel zum Themenbereich, von Schafrassen über deren Futter, die Berufe rund ums Tier bis hin zur religiösen Bedeutung. Im Prinzip eine kulturgeschichtliche Betrachtung im Kleinformat.
Und die gibt es schon ab 100 bis 150 Euro im Jahr. So viel kosten etwa die Briefmarkenneuheiten der Deutschen Post. „Raritäten sind deutlich teurer“, sagt Marchart. Aber das mache den Reiz des Hobbys aus: Es ist für jeden etwas dabei.“ Deswegen ist sich der 84-Jährige auch sicher: „Es gibt bei der Philatelie Höhen und Tiefen, aber sie wird nie ganz aufhören.“