In meiner Fraktion tobt ein Kampf.“ Damit überraschte Manuel Hagel wohl einige am vergangenen Sonntagabend, die sich einen einheitlichen Start in den Wahlkampf erhofft hatten. Doch Sorgen um die Geschlossenheit musste sich niemand machen. Nur die Frage, ob das Wasser in den Sitzungen von Ensinger oder Teinacher komme, sorgt laut dem CDU-Landes- und Fraktionschef für Differenzen unter den badischen und württembergischen Abgeordneten. Ansonsten zeigte sich die CDU bei ihrem Neujahrsempfang in der Markgröninger Stadthalle geschlossen und angriffslustig. Und mit neuem Zuwachs.
Markgröningen „Der Westen kann den Kampf auch verlieren“
Günther Oettinger äußerte sich beim Neujahrsempfang der CDU in der Stadthalle zur internationalen Lage. Manuel Hagel stimmte auf den Wahlkampf ein.
Denn Rainer Wieland begrüßte die Gäste in einer bis auf den letzten Platz besetzten Halle – man hatte diesmal sogar den Eingangsbereich bestuhlt, die Zahl der Gäste überstieg die der Vorjahre deutlich. Über sechs Prozent Mitgliederzuwachs im vergangenen Jahr, auch das sei ein Höchstwert, freute sich der Vorsitzende der Kreis-CDU, der auch Vorsitzender des Verbands der Region Stuttgart ist. Ein gutes Zeichen für den Wahlkampf wohl, der, so Wieland, „was die Heftigkeit anbelangt, seinesgleichen suchen“ werde.
An mehrere Richtlinien solle man sich aber halten, riet der frühere EU-Politiker: Erstens sei es „nicht ehrenrührig“, sich im Wahlkampf auch frontal anzugehen – das solle allerdings „oberhalb der Gürtellinie“ geschehen, auch, damit man nach der Wahl noch miteinander reden könne. Zweitens solle seine Partei die Geschlossenheit bewahren, das sei beim letzten Wahlkampf nur eingeschränkt gelungen. „Ausschließeritis“ gegenüber anderen Parteien solle vermieden werden, ebenso solle man bei Themen nicht „wegtauchen“: Der Bürger wisse, so Wieland, dass „der Schlüssel zur Verbesserung nur in der Zumutung liegt“, diese Wahrheit solle man nicht verschleiern.
Weg mit dem Bürgergeld, für Technologieoffenheit und eine gute Wirtschaftspolitik sollen die Grundbausteine des Wahlkampfs sein, erklärte der Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete und CDU-Kandidat Steffen Bilger, der sich beim Anblick der vollen Halle schon auf die nächsten sieben Wochen freute. Nicht übermütig solle man aber werden, auch wenn alle Zeichen auf einen Wahlgewinn deuteten. Im Gegensatz zur letzten Wahl komme man auch mit „klarem Profil“ aus der Opposition – und trete mit der „Ampel“ einer amtierenden Regierung gegenüber, die „versagt“ habe. Dass nun mit den gleichen Parteien die Verhältnisse besser würden, „das glaubt doch kein Mensch“, so Bilger. Veränderung auf „solide und seriöse Weise“, dafür stehe seine Partei.
Eine neue Haltung forderte dann auch Manuel Hagel, der von seinen Parteikollegen schon als neuer Hausherr der Villa Reitzenstein in die Pferdemarkts-Kutsche eingeladen wurde: Wie in Thomas Manns Buddenbrooks könne es auch in Deutschland passieren, dass die vierte Generation den Wohlstand verliere. „Als sei alles garantiert und selbstverständlich“ verhalte man sich in Deutschland, aber: „Es ist nicht mehr die Welt, wie wir sie kennen“, man befinde sich in einer „Phase des Umbruchs“.
Vertrautes gerate aus den Fugen, man schaue nur auf sich selbst, und „der Wohlstand sucht sich ein neues Zuhause“. Deutschland sei am Anfang einer Rezession angekommen, und anders als der Kanzler meine, könne man sich aus der nicht herausschrumpfen, sondern nur „herausarbeiten“. Arbeit müsse wieder positiv besetzt sein, anders als das Grüne und Linke sähen.
„Wann kommen wir raus aus der Problembeschreibung und -analyse?“, fragte Hagel. Politik müsse liefern – man solle nicht über ein Verbot der AfD sprechen, sondern überlegen, wie man die Probleme löse, die Menschen zu deren Wahl bewege.
Die Baden-Württemberg-DNA sei in der jetzigen Lage gefragt: das „sich-was-einfallen-Lassen“, das den früher verarmten Agrarstaat zur High-Tech-Region werden ließ. Auch der Klimawandel lasse sich so lösen: Mit „überzeugenden Innovationen“, die sich am Markt durchsetzen, „nicht mit Verboten“.
„Da hat sich was eingeschlichen“, beobachtet Hagel mit Blick auf die Leistungsgesellschaft: Er will mehr Eigenverantwortung statt „you never walk alone“. Schulen, in deren Wettbewerben alle Schüler den ersten Platz bekommen, um niemanden zu diskriminieren, sind ihm ein abschreckendes Beispiel.
„Was ist gut für Deutschland?“ müsse im Wahlkampf die zentrale Frage sein, nicht: „Was führt zu einer guten Schlagzeile.“ Wirtschaftskompetenz, Geschwindigkeit „und am Schluss schaffen wie der Teufel“ sollten die drei Pfeiler des Wahlkampfs werden: „Verzagen kann kein Modell sein.“
„Wir in Deutschland sind gedankenverloren unterwegs“ fand der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger mit Blick auf den internationalen Kontext: Ein „Klub der Bösen, der Drecksäcke“ formiere sich von Venezuela bis Russland, „mit Putin, dem größten Drecksack“, und eventuell, so Oettinger, auch bis China. „Der Westen kann den Kampf auch verlieren“, weil er dem Ernst der Lage nicht entsprechend handele. Die Wirtschaftsmacht der EU sei ein Vielfaches der russischen – nur hat man dort eben alles auf den Krieg ausgerichtet. Hier habe man „die Bundeswehr aus den Augen verloren.“
Wie sein Vorredner Hagel sah auch Günther Oettinger einen Verfall der Arbeitsbereitschaft: im internationalen Vergleich überhand nehmende Krankheitstage, 90 Prozent Homeoffice – habe man in Deutschland „weniger Antrieb, morgens in die Senkrechte zu kommen?“, fragte Oettinger. „Wir müssen etwas mehr arbeiten“, ist er überzeugt, die Produktion sei „nicht auf der Couch“ auszuüben. Denn Deutschland sei schon mittendrin im Wirtschaftsverfall – und das sei auch ein Kampf für die Demokratie. Ebenso wie die kommende Wahl „die letzte Wahl für die Demokratie“ sei: In vier Jahren steht ein großes Wahljahr an, das international wie national die Weichen stelle. „Mut zur Zumutung“ sei nun gefragt.