Riesen-Trainer Josh King war am Verzweifeln. Mal mahnte er grundlegende Änderungen in der Offensive („Täuscht den Block nur an und setzt Euch in Richtung Korb ab, die Chemnitzer switchen alles.“), mal in der Defensive („Wir fallen auf jeden Wurffake rein, rotieren nicht schnell genug, werden bei Cuts geschlagen und verlieren den Ball aus den Augen.“) und dann kritisierte er auch die Einstellung. Gebracht hat es nichts. Alle Vorwürfe, alle Anweisungen schienen bei den Ludwigsburger Spielern zum einen Ohr reinzugehen und direkt zum anderen wieder hinaus.
MHP Riesen Ludwigsburg King-Team geht in Chemnitz unter
Ludwigsburg präsentiert sich beim 66:85 bei den Niners offensiv harmlos und in der Defensive mit vielen Lücken.
Offensichtlich waren sie mit ihren Gedanken schon unbewusst beim zweiten Spiel der Best-of-three-Serie der Champions-League-Play-ins bei Darüssafaka am Mittwoch (18 Uhr/Dyn) in Istanbul. So hatten die MHP Riesen Ludwigsburg am Ende bei den Niners Chemnitz, dem Spitzenreiter der Basketball-Bundesliga, nicht den Hauch einer Chance und verloren mit 66:85.
Dafür sprach vor dem Sprungball noch viel für die Barockstädter. Während bei ihnen Jonathan Bähre nach überstandener Erkältung wieder einsatzfähig war, mussten die Chemnitzer auf DeAndre Lansdowne (Todesfall in der Familie) und Ousman Krubally (Muskelzerrung) verzichten. Dazu war Wesley van Beck, der wertvollste Spieler der Bundesliga im Dezember 2023, erkältet nicht im Vollbesitz seiner Kräfte.
Holpriger Start beider Teams
Aus den Niners-Ausfällen konnten die Riesen aber zunächst kein Kapital schlagen, während die Chemnitzer etwas brauchten, um sich auf die neue Rotation einzustellen. Dementsprechend entwickelte sich von Anfang an ein sehr holpriges Spiel. Im ersten Viertel trafen die Gastgeber nur fünf ihrer 18 Würfe aus dem Feld – dazu leisteten sie sich fünf Ballverluste. Doch auch die Barockstädter hatten kalte Hände und versenkten nur fünf ihrer 19 Würfe aus dem Feld.
Nach der ersten Viertelpause kamen die Ludwigsburger als erstes Team besser in die Partie. Bis zur 13. Minute setzten sie sich auf 25:18 ab. Doch Van Beck mit zwei Dreiern und vor allem Kevin Yebo, den die Riesen zu keinem Zeitpunkt in den Griff bekamen und der am Ende mit 27 Punkten der überragende Spieler auf dem Parkett war, wendeten das Blatt – zumal die Gastgeber in der Defensive einen Gang höher schalteten. Das schüchterte die Barockstädter ein, beim Zug zum Korb hatten sie Angst vor den Shotblockern – und von außen fielen die Würfe gar nicht mehr. Den Gästen gelangen bis zur Pause nur noch fünf weitere Punkte – ein Dreier von Jacob Patrick und zwei verwandelte Freiwürfe von Jayvon Graves.
Dem Acht-Punkte-Rückstand zur Halbzeitpause (30:38) liefen die Riesen nach dem Seitenwechsel hinterher. Zwar kamen sie noch einmal auf 38:42 heran (26.). Doch die Chemnitzer mit einer fast perfekten Ausbeute von der Freiwurflinie ihre Führung bis zum Ende des Viertels. Dabei hatten die Riesen mehrmals die Möglichkeit, den Rückstand zu verringern und so die Niners wieder unter Druck zu setzen. Doch sie vergaben ihre Chancen kläglich – unter anderem durch zwei Schrittfehler von Eddy Edigin und Jaren Lewis.
Bei Riesen brechen alle Dämme
Im letzten Viertel lief bei den Ludwigsburgern dann gar nichts mehr. Peu à peu setzten sich die Chemnitzer weiter ab. „Wenn du nach dem Spiel einen Statistikbogen in der Hand hältst, auf dem steht, dass du nur 30 Prozent deiner Würfe aus dem Feld triffst, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Du das Spiel verlierst. Aber wir möchten keine Entschuldigungen suchen“, erklärt King nach der Partie. Und Silas Melson ergänzt: „Die Chemnitzer spielten physischer und intelligenter als wir. Und wir setzten dieser Körperlichkeit nichts entgegen.“ Michael Nachreiner