Mit 17 Jahren eine Hirnblutung „Wenn ich die Bilder sehe, habe ich Angst vor mir selbst“

Von Niklas Braiger
Ein wenig sieht man es Amalia Lichtenberger noch an. Aber nach ihrer Hirnblutung, einer Lungenentzündung und einem Schlaganfall ist die 18-Jährige wieder auf den Beinen. Foto: privat

Handball-Torhüterin Amalia Lichtenberger hatte mit 17 Jahren eine Hirnblutung, lag drei Monate verkabelt im Krankenhaus und ist nun auf dem Weg der Besserung.

Ihren 18. Geburtstag hatte sich Handballerin Amalia Lichtenberger sicherlich anders vorgestellt. Anstatt mit Freunden und der Familie die Jugend hinter sich zu lassen, lag die Sachsenheimerin im Krankenhaus. Immerhin ihre Eltern, ihr Bruder und ihr Freund durften sie an ihrem Ehrentag besuchen. Doch nur wenige Wochen zuvor lag sie auf der Intensivstation und schwebte in Lebensgefahr.

Wir springen zurück, Ende September, eigentlich ein normaler Freitag für Amalia. Nach der Berufsschule – die Torhüterin der SG BBM Bietigheim macht dort aktuell ihre Ausbildung bei der Werksfeuerwehr – läuft sie mit ihrem Freund Ole über den Parkplatz. Plötzlich wird ihr schwindelig und sie wird ohnmächtig. „Ich kann mich noch genau an den Satz erinnern. ‚Ich glaube, ich war gerade weg’“, erzählt sie.

Mit einer Hirnblutung ins Krankenhaus

Danach weiß sie nur noch, dass sie auf dem Beifahrersitz sitzt, ansonsten sind Lücken da. Schnell alarmiert Ole den Notdienst, die Rettungskräfte kommen und merken, dass es etwas gravierenderes ist. Die Jugendliche muss sich auf dem Parkplatz übergeben und bricht zusammen, mit einem Hubschrauber kommt sie nach Stuttgart in die Klinik. Die Diagnose: Hirnblutung. „Ob ich auf dem Schulhof noch ins Koma gelegt wurde, weiß ich nicht“, sagt Amalia.

Dabei hat die Handballerin gleich mehrfach mächtig Glück. Die Notaufnahme in Esslingen war an diesem Freitagnachmittag überfüllt, den Sanitätern blieb nur der Weg in die Landeshauptstadt, wo noch Platz war. Auch dort hat sie Glück, denn dort sind sie auf neurologische Vorfälle spezialisiert. „Der Professor, der eine ganz seltene Operations-Methode gefunden hat, war an dem Tag vor Ort und hat mich noch operiert“, berichtet sie. Bis vier Uhr nachts dauerte die langwierige Operation, um 14.30 Uhr kam sie aus dem Schulhaus.

Dem Hirntod von der Schippe gesprungen

Doch auch danach lief die Regenerationszeit im Krankenhaus nicht glatt. Nach zwei Tagen im künstlichen Koma ist es ein Auf und Ab, immer wieder wird sie zurück ins Koma gelegt. Sie wird mit Hilfe eines Luftröhrenschnittes, von dem man noch heute die Narbe am Hals sieht, künstlich beatmet. Duzende Schläuche hängen an ihrem Körper. „Wenn ich die Bilder sehe, habe ich Angst vor mir selbst“, sagt sie über den Anblick.

„In dem ganzen Trubel stand ich kurz vor einem Darmverschluss, dass wurde dann auch noch operiert“, erklärt Amalia. Hinzu kam eine Lungenentzündung und sogar ein Schlaganfall. „Ich habe einfach alles mitgenommen.“ Auch ein Hirntod stand lange im Raum. „Es war nicht klar, ob mein Stammhirn betroffen war. Aber dann kam die Nachricht, dass es nicht betroffen ist und ich nicht Hirntod bin. Das stelle ich mir sehr schwer vor.“

Schwere Zeit für die Familie und vor allem den Bruder

Die Sachsenheimerin selbst hat von dieser Zeit nichts mitbekommen und erinnert sich nicht an die eineinhalb Monate auf der Intensivstation. Anhand von Bildern kann sie sich immerhin an das Krankenhauszimmer erinnern. Ihre Familie hat es umso mehr getroffen. „Das hat alle voll mitgenommen, auch mein Bruder hatte sehr damit zu kämpfen.“

Dafür wurde denen und Amalia auch selbst das schönste Weihnachtsgeschenk gemacht, das man sich nur vorstellen kann. Am 21. Dezember wurde sie entlassen und kam nach Hause. „Das war sehr ungewohnt. Es hat sich ein bisschen angefühlt, als wäre man einen Tag im Urlaub gewesen und kommt wieder heim“, beschreibt die Kämpferin die Heimkehr. „Dann wieder zuhause und komplett auf sich gestellt zu sein, war komisch . Du hast niemanden der dir mal hilft.“

Jetzt geht es für Amalia wieder bergauf und es folgt der Weg zurück ins normale Leben. Nach den Operationen musste sie Laufen, Lesen, Schreiben und Stehen neu lernen, das funktioniert inzwischen alles wieder gut. „Man merkt mittlerweile gar nichts mehr“, sagt sie selbst, ergänzt aber: „Ich habe die letzten Wochen gemerkt, dass meine linke Hand zum Beispiel beim Essen nicht die Kraft hat. Das ist aber auch schon deutlich besser geworden. Auch meine linke Gesichtshälfte ist noch nicht voll da.“ Davon sieht man mittlerweile auch nur selten etwas, zum Beispiel, wenn sie die Augen zukneift.

Rückkehr ins Tor bei der SG BBM Bietigheim ungewiss

Auch die Sportlichkeit und Schnelligkeit ist noch nicht zu hundertprozentig vorhanden. „Das sind aber Kleinigkeiten, die mir alle nicht mehr auffallen“, berichtet sie.

Hinter ihrer handballerischen Karriere steht aktuell ein großes Fragezeichen. Vor der Hirnblutung war sie Torhüterin in der A-Jugend der SG BBM Bietigheim, ob sie jemals wieder dahin zurückkehren wird, ist unsicher: „Sag niemals nie. Ich fände es schon schön, aber dadurch, dass ich im Tor stehe, weiß ich es nicht.“ Von den Ärzten gab es zwar Entwarnung, das größere Problem ist aber ihre Psyche: „Ich weiß nicht, wie ich darauf reagiere, wenn ein Ball auf mich zugeflogen kommt.“

Hinter der Berufliche Karriere steht ein Fragezeichen

Auch im normalen Alltag ist sie mental noch nicht ganz befreit. „Meine gesamte berufliche Zukunft steht aktuell auf dem Spiel. Ich mache die Ausbildung bei der Feuerwehr, das war schon immer meine Leidenschaft und mein Plan A“, sagt Amalia und ergänzt: „Jetzt bin ich damit konfrontiert, einen Plan B zu suchen. Aber ich will mich damit gar nicht befassen. Das ist schwierig, das Akzeptieren, dass es so ist.“ Selbst spürt sie auch viel Wut im Bauch. „Warum ich und warum ausgerechnet jetzt“, fragt sie sich selbst über das Schicksal.

Aktuell ist sie bei der Physiotherapie Hess in Bietigheim, um wieder auf die volle Leistungsfähigkeit zu kommen. Im März geht es für sie nach Gailingen in eine stationäre Reha. „Da wird dann eine Belastungserprobung gemacht, acht Stunden am Tag, um fit für den Job zu werden“, erklärt Amalia, die dann wieder voll bei Kräften sein will.

 
 
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