Mordprozess Tabitha E. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“

Von Heidi Vogelhuber
Am Landgericht Stuttgart wird der Fall um die ermordete 17-Jährige aus Asperg verhandelt. Foto: /Oliver Bürkle

Am fünften Prozesstag vor dem Landgericht Stuttgart um die ermordete Tabitha E. aus Asperg wurden acht Zeugen angehört – größtenteils involvierte Polizeibeamte. Ein Fokus lag auf technischen Indizien. Neben GPS-Daten wurden auch Sprachnachrichten der Getöteten präsentiert.

Da keine eindeutigen Spuren am Fundort, am Leichnam des 17-jährigen Mädchens und auch nicht in der Wohnung des mittlerweile 36-jährigen Angeklagten zu finden waren, arbeitet das Gericht im Fall um die ermordete Tabitha E. aus Asperg größtenteils mit Indizien. Von Beginn an war Alltags-Technik bei der Aufklärung des Falls wichtig. Und so lag der Fokus der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Stuttgart, vor der der Fall verhandelt wird, am fünften Verhandlungstag auf eben dieser Technik. Acht Zeugen wurden verhört, größtenteils in die Suche involvierte Polizeibeamte.

Handy und PC synchronisiert

So berichtete ein 30-jähriger Polizeibeamter des Präsidiums Ludwigsburg, dass diverse Chats von Tabitha E. mit Freunden und auch den Verdächtigen, inklusive dem Angeklagten, über ihren Computer nachverfolgt werden konnten. Das Mobiltelefon des Mädchens ist zwar noch immer nicht gefunden worden, es ist aber mit dem Computer synchronisiert gewesen, sodass die Daten ausgewertet werden konnten.

Zuletzt war das Mobiltelefon der 17-Jährigen in Markgröningen in der Unterriexinger Straße, die geradewegs zum Fundort führt, am 12. Juli 2022, dem Tag ihres Verschwindens, um 21.16 Uhr eingebucht.

Weg des Mädchens rekonstruiert

Kameras am Elternhaus dokumentierten am 12. Juli 2022, dass Tabitha E. gegen 17.30 Uhr das Haus verlassen hat. Aus einer Sprachnachricht an ihre beste Freundin ist ersichtlich, dass sich der Teenager mit dem Angeklagten treffen wollte. Es ging um eine Aussprache. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, war die Stimme des Mädchens am Montag im Gerichtssaal zu hören, als einige Sprachnachrichten abgespielt wurden. Auch sagte sie zu ihrer Freundin über den Angeklagten: „Ich weiß, dass ich alles für ihn bin.“

Die Lokalitätsfunktion beim Instant-Messaging-Dienst „Snapchat“ zeigte an, dass sie um 18.03 Uhr an der Ecke Stromberg-/Teinacher Straße im Ludwigsburger Stadtteil Eglosheim war, wo sie, so heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, wenig später vom Angeklagten aus Eifersucht erwürgt wurde. 

Ein 42-jähriger Kriminalhauptkommissar, der sich mit der Auswertung des Handys des Angeklagten beschäftigt hatte, berichtete als Zeuge, dass anhand einer Gesundheitsapp des Angeklagten ein Bewegungsmuster erkannt werden konnte. Er habe die Daten aus besagter App mit den GPS-Koordinaten des Handys verglichen. So war der Angeklagte demnach erst Nahe des Wohnhauses des Mädchens in Asperg, anschließend in der Teinacher-/Strombergstraße in Ludwigsburg und später in Unterriexingen sowie zuletzt in Markgröningen mit dem Auto unterwegs gewesen.

Außerdem sei er, so habe der Kriminalhauptkommissar es der App entnommen, in Unterriexingen nur 174 Schritte, also 125 Meter, zu Fuß gegangen. „Das kam mir sonderbar vor, deshalb habe ich die Kollegen hingeschickt“, so der Polizeibeamte. Vor Ort wurde dann fünf Tage nach dem Verschwinden der Leichnam von Tabitha E. am Enzufer gefunden.

GPS-Daten der Smartwatch

Bereits beim 31-jährigen Jogger, der Tabitha E. und Naim A. am 12. Juli 2022 in der Strombergstraße gesehen hatte, wertete die Polizei GPS-Daten aus. Über die Daten der Smartwatch des Läufers glaubt die Polizei die Tatzeit ziemlich genau eingrenzen zu können. Um 18.20 Uhr joggte er die Strombergstraße entlang und sah Tabitha E. und Naim A. an dessen BMW stehen, 18.32 Uhr sah er den Mann im Auto sitzen – allein. Der Jogger wiederum wurde von Überwachungskameras eines Fahrradgeschäfts gefilmt, was seine Aussage untermauert. Der Zeuge meldete sich aufgrund der Öffentlichkeitsfahndung über die Sozialen Medien.

Info

Biografisches zum Angeklagten
Auch wenn sich Naim A. in Schweigen hüllt, ist im Laufe des Prozesses doch einiges über den 36-Jährigen bekannt geworden durch die Auskunft seines Arbeitgebers, auf Grundlage von Zeugenvernehmungen sowie aus der Anhörung am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2015. Der Angeklagte ist demnach 1987 in Syrien geboren, besuchte von 2003 bis 2006 eine gewerbliche Schule in Nawa im Süden Syriens und ging anschließend verschiedenen Handwerkstätigkeiten nach – Maurer, Gipser, Maler – ehe er 2008 in die syrische Armee eintrat, in der er bis 2010 diente. Anschließend habe er sich ein Jahr versteckt, um nicht eingezogen zu werden, flüchtete 2011 in den Libanon. Über die Türkei, Griechenland, Serbien, Österreich kam er 2015 nach Deutschland. Erst war er in einer Erstaufnahmestelle in Karlsruhe, daraufhin wurde er im Flüchtlingsheim in Markgröningen untergebracht. 2017 bezog er seine dortige Wohnung.

Er habe sich laut Arbeitgeber oft krank gemeldet, so auch zwischen dem 13. und 20. Juli 2022. Die Arbeitsunfähigkeit wurde am 14. Juli von einem Ludwigsburger Arzt ausgestellt. Zur Erinnerung: Tabitha E. wurde am 12. Juli umgebracht. Am 16. Juli wurde Naim A. festgenommen und sitzt seitdem in U-Haft.

Info
Weitere drei Verhandlungstage sind angesetzt. Der nächste ist am Montag, 22. Mai 2022. Das Urteil wird voraussichtlich am 25. Mai.

 
 
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