Mordprozess um Tabitha E. aus Asperg Vertrauter und Stalker

Von Heidi Vogelhuber
Der Angeklagte wird in Handschellen in der Gerichtssaal gebracht. Im Vordergrund sein Dolmetscher, der ihm simultan alles Gesagte auf Syrisch übersetzt. Im kurzen Gespräch ist er mit seiner Verteidigerin, Rechtsanwältin Sibylle Walch-Herrmann. Foto:  

Zum zweite Verhandlungstag im Prozess um die ermordete 17-jährige Tabitha E. aus Asperg waren fünf Zeugen ans Landgericht in Stuttgart geladen. Erschienen sind vier. Im Fokus standen die Beziehungen der Ermordeten zu Freundinnen, Freunden und dem Verdächtigen.

Sind Sie aufgeregt? Das müssen Sie nicht sein. Reden Sie frei von der Leber weg.“ Auch am zweiten Verhandlungstag im Prozess um die ermordete 17-jährige Tabitha aus Asperg nimmt sich der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen viel Zeit, um auf die geladenen Zeugen und Zeuginnen einzugehen, ermuntert sie, ihre Erinnerungen im Gerichtssaal zu teilen.

Die 17-jährige Tabitha E. aus Asperg wurde am 12. Juli letzten Jahres tot am Ufer der Enz in Unterriexingen aufgefunden. Bereits nach wenigen Tagen rückte der damals 35-jährige Naim A. aus Markgröningen in den Fokus der Ermittler, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, das Mädchen im Ludwigsburger Stadtteil Eglosheim erwürgt und anschließend am Enzufer abgeladen zu haben. Verhandelt wird der Fall vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Stuttgart.

Fünf Zeugen waren geladen

Fünf Zeugen waren am zweiten Prozesstag geladen, vier davon sind erschienen. Es handelte sich bei allen um Freunde und Freundinnen aus dem Bekanntenkreis der Toten. Der fehlende Zeuge wird beim nächsten Prozesstag am kommenden Dienstag befragt.

Vor allem um die Beziehung von Tabitha zu ihren Freundinnen, Bekannten, aber auch zum Angeklagten ging es dem Vorsitzenden Richter. In allen Einzelheiten ließ er sich Freundschaftskonstellationen und Intensität der Beziehungen erläutern. Ob beste Freundin, unter den besten drei Freundinnen oder im gleichen Freundeskreis – geduldig hakte er nach, hörte den Jugendlichen zu, ging mit ihnen Chatverläufe durch.

Bereits am ersten Verhandlungstag war die beste Freundin als Zeugin geladen, berichtete auch vom Verhältnis zu Naim A. Mehrfach wurde von den Zeugen berichtet, dass der mittlerweile 36-jährige Angeklagte die ermordete Tabitha und auch ihre Freundinnen in seinem BMW zu Partys brachte, anbot, sie abzuholen, den Jugendlichen Energydrinks kaufte. Am zweiten Verhandlungstag stellte sich heraus, dass er nicht nur die Mädchen chauffierte, auch zu einigen männlichen Freunden von Tabitha hatte der deutlich ältere Mann eine freundschaftliche Beziehung. „Er hat uns viel rumgefahren und machte einen echt netten Eindruck“, sagte ein 17-Jähriger, der Naim A. seit drei oder vier Jahren kenne. Warum ein erwachsener Mann eine freundschaftliche Beziehung zu einem damals 14-Jährigen pflege, darüber habe er schlichtweg nicht nachgedacht, so der angehende Industriemechaniker.

Abrupt abgebrochen habe er den Kontakt jedoch, als er aus erster Hand von vier befreundeten Mädchen hörte, dass der Angeklagte sie sexuell belästigt, angefasst habe. Eines der Mädchen erwirkte sogar ein Annäherungsverbot gegen den Mann. „Ich wusste nicht, ob Tabitha das weiß, deshalb habe ich es ihr erzählt“, erklärte der 17-Jährige vor Gericht. Sie habe den Kontakt jedoch nicht abbrechen wollen.

Eine Klassenkameradin und gute Freundin sei noch weitergegangen, habe sie vor dem Umgang mit dem damals 35-Jährigen gewarnt. „Ich fand die Freundschaft nicht gut.“ Sie habe es merkwürdig gefunden, dass ein so viel älterer Mann so viel Zeit mit Schülern verbringe. Tabitha habe daraufhin geäußert, dass sie wisse, was sie tue, ihm vertraue, Mitleid mit ihm habe. Naim A. ist 2015 aus Syrien nach Deutschland gekommen. Sie habe gehört, dass er „der letzte Überlebende seiner Familie“ sei. Gehört habe die angehende zahnmedizinische Fachangestellte allerdings auch, „dass Naim besessen von Tabitha sei.“

Über Jungs reden war Tabu

Eine weitere Zeugin berichtete von Geschenken, die er Tabitha gemacht habe. Tabitha sei eine ihrer besten zwei Freundinnen gewesen, so die 17-jährige Schülerin. Sie hätten viel Zeit miteinander verbracht, hätten sich oft von Naim A. fahren lassen. Blumen, Schmuck, Kleidung habe er Tabitha gekauft. Die Zeugin habe ihn zwar nett gefunden, jedoch habe sie die Bedenken wegen des großen Altersunterschieds nie ablegen können.

Immer wenn der damals 35-Jährige dabei war, hätten die Freundinnen nicht offen gesprochen – vor allem nicht über Jungs. Tabitha hatte bis kurz vor ihrem Tod einen festen Freund, von dem Naim A. jedoch nichts erfahren sollte, er hätte das wohl nicht geduldet, so die Schülerin. Tabitha sei sein Liebling gewesen, er habe stets wissen wollen, wo sie ist, sie habe auch immer vorne, auf dem Beifahrersitz sitzen dürfen.

Das jedoch sei nicht immer so gewesen. Eine andere Freundin berichtete, dass sie Naim A. bestimmt schon vier Jahre kenne, dass sie zuvor vorne gesessen sei. Über die 16-jährige Gymnasiastin habe der Angeklagte Tabitha erst kennengelernt.

Streit zwischen dem Angeklagten und der ermordeten 17-Jährigen habe es öfters gegeben, berichteten alle Freundinnen. Es sei eigentlich immer um zu aufreizende Kleidung, wie er fand, gegangen. Von Eifersucht, gar von Kontrollzwang sprechen die Mädchen. Ob sie es als Stalking beschreiben würde, fragte Richter Holzhausen die 16-jährige Freundin. „Es war ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden. Aber am Haus vorbeizufahren, war schon stalkingmäßig.“ Tabitha habe deshalb auch öfters den Kontakt zum Angeklagten abbrechen wollen, jedoch sei es ihr nie so ernst gewesen wie in den Tagen vor ihrem Tod. Auf allen Kanälen habe sie ihn blockiert.

Eine Erinnerung der 16-Jährigen interessierte die Anwesenden besonders: Bei einem Aufenthalt auf der Bärenwiese in Ludwigsburg habe der Angeklagte in Anwesenheit der Zeugin an Tabitha demonstriert, wie man einen Menschen erwürge. Er habe auch erzählt, als Soldat im Krieg mehrere Menschen getötet zu haben. Von hinten und im Stehen habe er sein Knie gegen das Steißbein des Mädchens gedrückt und den Würgegriff demonstriert. Das sei zwei Jahre her, möglicherweise habe er es zur Selbstverteidigung gezeigt, sagte die Zeugin.

 
 
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