Mundart-Initiative aus Vaihingen „Dialekt isch doch äbbes Schö’s“

Von Jürgen Kunz
Der Grüne-Landtagsabgeordnete Dr. Markus Rösler aus Vaihingen-Ensingen erklärt, was Dialekt für ihn bedeutet., Foto: /Martin Kalb

Ein Schwätz auf Schwäbisch mit MdL Dr. Markus Rösler zur Idee eines Dachverbands für Dialekt in Baden-Württemberg, der kurz vor der Gründung steht.

Es war schon ein wenig das sprichwörtliche Bohren von dicken Brettern: Das interfraktionelle Engagement von etlichen Landtagsabgeordneten macht es möglich, dass ein Dachverband für Dialekte in Baden-Württemberg gegründet, und dauerhaft mit einem Betrag in Höhe von 78 000 vom Land ausgestattet werden soll. Rund 50 Vertreterinnen und Vertreter von Dialekt-, Mundart- und Heimatvereinen, der Dialektforschung sowie Mundartkünstler haben sich auf Anregung der Dialektinitiative des baden-württembergischen Landtags nun aufgemacht, einen gemeinsamen Dachverband zu gründen. Nun wird eine Satzung erarbeitet. Ziel ist die formale Gründung des Dachverbands im Juli. Eine treibende Kraft für das Vorhaben ist Dr. Markus Rösler, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Gerlingen, seit 2007 in Vaihingen-Ensingen und „immer und überall“ bekennender Dialektschwätzer. Was liegt also näher, als mit ihm ein Interview zu führen – ganz selbstverständlich auf Schwäbisch.

Herr Dr. Rösler, i will âmol provokant âfanga. Muss sich dr Dialekt net von sich selbst raus entwickla ond braucht’s deshalb übrhaupt an Dachvrband für Dialekte?

MARKUS RÖSLER: D’Welt isch andrs worda, sie entwickelt sich, sie wandlt sich. Wia hât scho dr Heraklit gsagt, „Panta rhei’ – älles fließt, älles vrändert sich ond di Welt hât sich vrändert, weil mir henn me Globalisierong. Mei Frau dâhanna isch au net schwäbisch, sondern isch aus Berlin. D’Kendr schwätzat mit ihr natürlich koi Wort Schwäbisch, koi gottsichs Wörtle – außr Bräschdlingsxälz – des saget mir älle. Dahanna (Anmerkung: in Vaihingen-Ensingen) von vis a vis wohnt a Frau aus Nordrhein-Westfala, weitr drüba isch jemand aus Thüringa, dann hât hier mâl a Griech’ gwohnt – selbscht dâhanna uff’m Dorf führt die höhere Mobilität dr Menscha ond di Globalisierung drzua, dass sich au Leut’ meh’ vrmischat. Des hoißt, dass es halt nemme so isch wia bei meinr Muttr, dass von acht Urgroßeltern älle auch in dr Petruskirch’ in Gerlinga gheiratet henn. Deswäga verschwendat weltweit Sprâcha, deshalb verschwendat weltweit Dialekt, deshalb gibt’s weltweit â – i sag’ mâl – a Uniformisierong, a Monotonisierong, a McDonaldisierong. Des betrifft Kulturlandschafta genauso wia andre Kulturprodukte wia Essa. Deshalb gibt’s jâ au „Slow Food“ als Gegabewegong zu „Fast Food“, ond genauso gibt’s jetzt au a Bewegong, weil net älles, was dâ jetzt vrschwendet isch guat, dass es weggâht. Sondern gibt au Sacha, wo schad wärat, wenn se vrschwenda dätdatd.

Aber müssat des d’Leut’ net selber macha? Â Beispiel: Mei neunjährigr Enkel, der im Rheinland uffwächst, freut sich, wenn’r zu seinr Oma saga kâ: „I benn jetzt en a Pfütz’ neidabt.“ So â Dachvrband wird scho an Sinn hann, abr müssat dia Leut’ net des Selbstbewusstsei han ond saga, des isch onser Identität, mit dera müssat mr omganga?

RÖSLER: Abr boides trifft doch zua. Also erscht mâl, es hât uns Stefanie Schneider, die SWR-Landessender-Direktorin, gsagt, di Dialektschwätzr send net meh’ worda, abr sie send selbstbewusstr worda, ond des merkt sie. Des Image vom Dialekt wandlt sich, oder hât sich gwandlt, deswega isch au onsr Gruppe em Landtag, wo Grüne, CDU, SPD ond FDP zamma send, dr Ausfluss vor ra Entwicklong, wo mr sagt: „Aber Hallo, Dialekt isch doch äbbes Schö’s.“

In dem Kontext kâ mr des seha, dass mr feststellt, es gibt uff Landesebene keinerlei Vrtretong. Es gibt dia Muettersproch-Gsellschaft em Südbadischa, es gibt dr Fördrverei Schwäbischr Dialekt, dann gibt’s dr Mundart e.V., jetzt gründet sich em Nordbadischa no äbbes, nâ gibt’s an Haufa Einzelkünstlr, dia em Land ondrwegs sind. Nâ gibt’s die Mundart-Wissenschaftler in Freiburg ond Tübinga, na gibt’s Veroi, wia dr Landesverband dr Amateurtheater. Dia henn abr älle net oi Stimme gegaübr dr Politik odr de Media.

Mir henn jâ jetzt einglade en dr Landtag ond i verstand mi dâ als Förderer ond Katalysator von Äbbes, wo irgendwie bisher net dr Weg zuandr gefonda hât. Beim Dachvrband hât’s an Konsenz drübr geba, dass es net drom ganga soll, dass einzelne Künstler gfördert werdat.

Was soll dr Dachvrband bewirka?

Dr Dachvrband soll a Stimme sei für die Kultur dr Dialekte ond dass des ebbes Schö’s, ebbes Erhaltenswert’s isch – en d’Gsellschaft nei, en d’Media nei, en d’Politik nei. Mir kriagat jâ 78 000 Euro vom Land, des hann i jâ mitvrmittelt, wenn dr Dachverband gründet isch, weil au s’Land gsagt hât, mit fendet euch älle guat, abr dehn euch mâl zsamma, so dass ihr sozusaga oi Stimme henn. Den Zuschuss gibt’s also für a Büro ond a halbe Stell’.

Wia gâht jetzt di Reise für dr Dachverband weitr, wia isch des Zeitfenstr?

Des Zeitfenstr isch wia folgt: Ende März treffat mr ons en Karlsruhe, mir send dâ au emmer demokratisch badisch, en ra kloinera Grupp’ – mir waret jâ fascht 50. Rond a Dutzend hât gsagt, sia machet bei dr Satzong mit. Den Entwurf schickat mr nomâl rom. Wenn’s guat lauft machet mr di formal Gründong em Juli, vor dr Sommerpaus’. Des isch scho arg ambitioniert, abr es wäre supr, wenn’s klappa dät. Wenn des klappt ond mir em Juli au scho dr Vorstand gwählt henn, nâ dätet mr ons beim Land melda ond saga, mit hättet jetzt gern die Kohle. Nâ mieta mr Räume an – dr Landesverband Amateurtheater hât gesagt, sia hättet en Raum, ob mr des machat isch no net klar – ond nâ müsset mr jemand einstella. Wenn mr em Januar 2024 dr Vroi mit Satzung, am Vorstand, Gschäftsstell’ ond a Personal ond älles Sonstige henn, nâ wär des superschnell.

Wer därf denn dâ mitmacha in dem Dachvrband?

Jedr, wo will.

Wie kâ mr mitmacha?

Erst mâl abwarta – mir müsset no kläre, ob einzelne Leut’ Mitglied oder „bloß“ Fördrmitglied werda könnet. Dann isch halt di Frâg, was mr nâ macht. Ei Sache, die scho vorbereitet isch, ond dâ send em Haushalt für 2024 schon 50 000 Euro eigstellt, des isch a Mundartpreis. Des isch ons wirklich wichtig, des mit de bestehende Mundarvroi zom mache ond net als Konkurrenz. Ganz em Gegentoil, druffsattla, vrstärka ond zsammaschaffa. Der Dachvrband soll sich dâdrom kümmra, wie des ausgschrieba wird, wie des beworba wird. Jetzt kommat mr wiedr zur Frâg Zielgruppe ond Zukunft von Dialekt. Der neue Mundartpreis soll übr Soziale Media stark beworba werde und au übr Soziale Media die Preisträgr bekannt gmacht werda. Mir wellat die Zielgruppe 14 bis 40 erreicha, bewusst übr Soziale Media, weil ons isch klar: weil wenn mr an dera Zielgruppe net schafft, nâ isch die Gefahr, dass dr Dialekt ausstirbt, no viel größr. Ans Aussterba glaub zwar i net, dr Dialekt wird irgendwia bleiba, abr halt stark abgschwächt ond dâ isch eba di Frâg: Kâ mr di Entwicklong stärker bremsa, odr bloss schwach? Ond dâ strengat mir ons â.

Was bedeutet d’Mundart für Sie persönlich?

Des hann i vorher scho gsagt: Mundart isch oifach ebbes Schö’s, des ghört für mi drzua, damit ben i uffgwachsa. I han en fünf ondrschiedliche Bundesländr gschafft – klar, dâ ghört Baden-Württemberg mit dr Alb, mit Bad Boll, mit Gerlinga, wo i her kommt, mit Esinga drzua – i war im Saarland sechs Jâhr, i war en Berlin fünf Jâhr, i war en Vorpommern drei Jâhr ond zwei Jâhr en Schleswig-Holstein, ond emmer war Dialekt äbbes Schö’s. Es war au so, dass i gmerkt hann, zom Beispiel als Voglwart an dr Nordsee, dass dia dort Plattdütsch snakt henn, ond des hann i au probiert. Di Wertschätzung für ihrn Dialekt, des henn dia dâ gmerkt. Ond gleichzeitig isch dene klar gwäsa: I benn zwar a Fremdr, abr dâ, wo i herkomm, dâ ben i dr Eiheimische. Ond dia Wertschätzung kriagsch du net, wenn du koin Dialekt schwätzt. Des isch di regionale Vrbundaheit.

Oft wird ja behauptet, es wär â Nâchteil, wenn mr em Gschäft Dialekt schwätzt?

Wird behauptet. I hann en meine jetzt 61 Jâhr no nia an Nâchteil gkeht. I hann en de ondrschiedlichiste Stelle Vorteil ghkeht. Ond des sag i immerhin als jemand, der net em gleicha kloina Flekca glebt hât, sondern als oinr der relativ viel romkomma isch, der an dr Schul’ im Heiliga Korntal mit altsprâchlichm Zug mit Latein als erste Fremdsprâch âgfana hât, an ddr Uni en Berlin gwä isch, ond wo promoviert hât und dâ nomâl drei Jâhr an dr Uni en Greifswald gschafft hât. Also i sag, mei Lebensweg isch jâ net so, dass mr denkt, des isch dr typische Dialektschwätzr.

Herr Rösler, Dankschee für den Schwätz.

MARKUS RÖSLER. Dankschö, gern gschä!

 
 
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