Wir müssen irgendwas tun“, das war der Startpunkt, erzählt Joachim Klingler aus Mundelsheim: „Wir müssen drauf aufmerksam machen, dass wir diese Kulturlandschaft, die wir hier haben, nicht verloren gehen lassen wollen.“ Man warb dann auf Weinwanderung und Festen – „eine Hauruck-Aktion war das“, so der Wengerter. Das Ergebnis: Seit März sind zwölf Freiwillige hier im Weinberg unterwegs, der Projektname ist Programm: „Wir gehen steil.“
Mundelsheim Kulturlandschaft bewahren – und Begeisterung weitergeben
Bei dem Projekt „Wir gehen steil“ pflegen Freiwillige den Weinberg – zur Halbzeit schon ein großer Erfolg.
Damit wollen Klingler und die anderen Weinbauern, die die Freiwilligen auch am vergangenen Mittwoch anleiten, den Weinberg bewahren: das Grundstück ist in Privatbesitz, wurde bisher durch sie bewirtschaftet – aber bei der letzten Genossenschaftssitzung habe es schon schwierige Diskussionen gegeben, ob die weitere Bewirtschaftung noch lohne.
Erlöse aus dem Weinbergtragen Mindestlohn nicht
Die Arbeit von Freiwilligen könnte nun eine Antwort auf ein grundsätzliches Problem sein: Die Arbeit im Weinberg rentiert sich nicht mehr. Der an Arbeiter zu zahlende Mindestlohn, den die Regierung vorhabe zu beschließen, werde durch die Erlöse für den Wein nicht mehr getragen, so Klingler: „Wenn pro Flasche Wein ein Euro mehr beim Erzeuger landet, sähe es schon ganz anders aus.“
Der Durchschnittspreis des in Deutschland getrunkenen Weins liegt aber bei rund drei Euro. Hinzu kommt ein anderes Trinkverhalten der jungen Generation.
Resultat dieser Entwicklung ist einmal der Niedergang einer Branche (Haupterwerbswengerter gebe es ohnehin so gut wie keine mehr) – aber auch einer Kulturlandschaft. Das kann man schon oberhalb des von den Freiwilligen bewirtschafteten Grundstücks sehen: Ins Tal hat man einen traumhaften Blick auf die Neckarschleife – dreht man sich allerdings um, blickt man auf tote Weinreben hangaufwärts.
Zehn von 50 Hektar Steillagen standen auf der Kippe
„Aufgegeben und abgeschnitten“, erklärt Klingler das Schicksal der dortigen Weinstöcke. Ein Grundstück, „das früher zu Höchstpreisen angeboten wurde“, rentiert sich nun nicht mehr. Insgesamt standen in Mundelsheim schon im vergangenen Winter zehn von 50 Hektar Weinberg auf der Kippe, nicht mehr bewirtschaftet zu werden – darunter auch die nun von den Freiwilligen umsorgte Fläche.
„Wenn wir nicht einen signifikanten Wandel in den Köpfen und beim Erlös kriegen, werden wir das so nicht erhalten können“, wird Klingler deutlich. Freie Stücke wollen die Winzer ebenfalls vermeiden: wenn zwischen den bewirtschafteten Parzellen Wildwuchs herrscht, entwickeln sich Krankheiten für den Wein daneben. Normalerweise trifft sich die Gruppe, zu der auch viele Erwerbstätige gehören, samstags, von neun bis zwölf, mit unterschiedlicher aber grundsätzlich konstanter Teilnehmerzahl. Zehn Ar beträgt die Fläche, um die sie sich kümmern – „Zwei Wochen nicht kommen kann man sich nicht gönnen“, weiß Klingler, denn die Reben wachsen schnell. Schon an diesem Tag reichen die Zweige weit in den Zwischenraum hinein. Mit etwas Glück könne man 140 Kilo ernten und komme damit auf 100 Liter Wein. Hauptsächlich Trollinger wächst in dieser Lage, aber auch Neuzüchtungen.
Arbeit im Wengert „ideal um den Kopf freizukriegen“
„Einschleifen und gipfeln“ ist die Ansage des Wengerters für den Tag: die an den Seiten wie nach oben überstehenden Zweige abtrennen, dass eine saubere grüne Wand entsteht. Viele Hände machen sich an die Arbeit – und haben nach einer Stunde schon fast das obere Ende der Parzelle erreicht. Die Arbeit im Weinberg entspannt, weiß Winzer Klingler, auch er vergesse hier schnell die Zeit, während er Zweige entfernt und Reben freilegt: „Ideal um den Kopf freizukriegen.“
Und: am Ende hat man das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben, sieht saubere Rebstöcke vor sich und hat am Ende einen leckeren Wein in der Hand, fügt er hinzu, während hinter ihm die Freiwilligen während der Arbeit gut gelaunt ins Gespräch vertieft sind. „Die Begeisterung weitergeben“ ist das erklärte Ziel der Winzer. An diesem Tag dauerte die Arbeit nur anderthalb statt drei Stunden – dann wurde der Grill angemacht und gefeiert: Denn es war Halbzeit, die ersten drei Monate Arbeit geschafft.
Es stehen nun zwar noch ein paar heiße Arbeitseinsätze bevor, doch Klingler sieht bereits den Erfolg: wie verwandelt stehe der Weinberg nun da, nach der Arbeit der Freiwilligen – kein Vergleich zu seinem Zustand, als man bei der Versammlung noch darüber nachdachte, ihn aufzugeben. Das erste Jahr der Freiwilligenarbeit scheint ein Erfolg zu werden – Joachim Klingler denkt schon über eine Ausweitung mit mehr möglichen Teilnehmern nach.