Alice landet – aus dem Wunderland kommend – mitten in Bietigheim und trifft auf die harte Realität. Das ist die Ausgangsposition des Musicals „Alice in BIBI-Town“, das dreimal in der Kelter aufgeführt wurde. Im Rahmen der Veranstaltungen zu 50 Jahre Bietigheim-Bissingen hatte die Kunstschule Labyrinth und die städtische Musikschule das Musical initiiert (die BZ berichtete).
Musical in Bietigheim-Bissingen Musical mit und über Fantasie
Die Kunstschule Labyrinth und die städtische Musikschule haben eine Bietigheimer Ausgabe von „Alice im Wunderland“ aufgeführt.
Alle Schauspieler sind es wert, namentlich genannt zu werden
Alice (Laura Iacobelli) kommt mit dem imaginären Hasen (Maja Jolie Koss) und der Grinsekatze (Charlotte Kiedrowski) durch einen Brunnen (tolles Requisit, gestaltet von Birgit Holzwarth) und mit Hilfe des Bietigheimer Brunnengeists (Greta Walter) mitten in Bietigheim an. Sie trifft auf zwei Mädchen (Ida Weishaupt und Sofia Spirou), die sie zum Freak abstempeln, weil Alice nicht weiß, was ein Handy ist und wofür TikTok gut ist. Eine Bauunternehmerin (Emma Breitinger) will den Brunnen abreißen und eine Einkaufsmall (mit „selbstreinigenden Toiletten“) errichten, das wird ihr von der bösen roten Königin (Marylin Massari) eingeflüstert. Dagegen kann auch Asssitentin Janet (Emma Rieke) nichts machen.
Alice und ihre Gefolgschaft müssen handeln, denn der Brunnen ist das Tor zum Wunderland der Fantasie und der Kreativität. Mithilfe von Tom (Mateo Gutierez Pockrandt), Alices Mutter (Sophia Myers) und der weißen guten Königin (Maxima Haug) wollen sie verhindern, dass in Bietigheim die Fantasie verloren geht.
Das ist das Personal, das das Musical zu einem Erlebnis macht. Jede und jeder Einzelne ist es wert, namentlich genannt zu werden. Jede der Schauspieler und Schauspielerinnen ist mit Herz und Leidenschaft bei der Sache, singt und tanzt gleichzeitig, schreit sich die Seele aus dem Leib oder gibt humorvolle Einlagen. Das Team hinter dem Ensemble hat mit der Auswahl jeder einzelnen Rolle einen Haupttreffer gelandet – da kann man Texthänger oder falsche Einsätze aus Nervosität bei der Premiere gerne verzeihen.
Selbst geschriebene Text auf bekannte Popsongs
Fantasievoll unterlegt mit Musik bekannter Popmusiker wie Peter Fox, Shirin David, Cro oder Andreas Bourani und anderen bekommt das Musical im Laufe der Aufführung immer mehr Fahrt, sodass auch das Publikum begeistert mitklatscht. Vor allem die, von den jugendlichen Ensemblemitgliedern zum Teil selbst geschriebenen Texte sind es, die die Handlung immer wieder verdeutlichen: Es geht um die Botschaft, dass es nicht unbedingt zwei Welten braucht, um Fantasie zu haben und kreativ sein Leben zu gestalten. Auch in der realen Welt kann man mit Mut, Herz. Liebe und Zusammenhalt viel erreichen.
Das Musical hat auch deshalb inhaltlich so viel Gewicht, weil die Jugendlichen eine Bühne bekommen, um ihre Befindlichkeiten zu verdeutlichen. Da wird das Thema Hate Speech im Internet zu persönlichem Leid: „Warum hört mich niemand“. Die Einsamkeit von Jugendlichen trotz Social Media zeigt sich deutlich, aber auch: „So lange ihr träumt, ist nichts verloren“.
„Will kämpfen da draußen statt mit mir selbst“
Gemeinsam stark zu sein, „wie ein Mann“ und Realisten wie die Bauunternehmerin, die alle Fantasie zerstören will, „nach Freudental zu verbannen“, ist eine Lösung, das „Chaos im Kopf“ zu entwirren. „Will kämpfen da draußen statt mit mir selbst“ ist eine Lösung, die die Jugendlichen selbst aufzeigen, auch, um den Erwachsenen, die alles Fantasievolle mit ihrem Realismus zerstören, Einhalt zu gebieten: „Ich will gesehen werden.“ Und so wird das Musical zu einem unterhaltsamen Lehrstück der Jugendlichen und zu einer Aufforderung, mal genau hinzuhören und hinzusehen, welches Chaos im Kopf der Kinder sich befindet – an dem die Erwachsenen oft Anteil haben.
Und so erreichen im Musical die Jugendlichen mit „Liebe und Verzeihung“, dass der Hass aus den Herzen der roten Königin und der Bauunternehmerin verschwindet. Die Grinsekatze wird zum TikTok-Star und die Jugendlichen nutzen Social Media, um fantasievoll mit der Realität umzugehen. Es braucht gar kein Wunderland, um auch in Bietigheim-Bissingen zu träumen und gemeinsam „Auf uns“ von Andreas Bourani oder „Einmal um die Welt“ von Cro zu singen.