Natur im Landkreis Ludwigsburg Förderung soll Streuobstwiesen retten

Von Heidi Falk
Eine Streuobstwiese braucht Pflege, etwa durch das Beschneiden der Obstbäume. Das kann man beim Obst- und Gartenbauverein Bönnigheim lernen. Von links: Dietmar Kux (Zweiter Vorsitzender), Hans Burk, Peter Allmendinger (Vorsitzender), Brigitte Rabe und Eberhard Mann. Foto: /Oliver Bürkle

Es gibt immer weniger Streuobstwiesen in Baden-Württemberg. Das Land setzt als Maßnahme die „Streuobstkonzeption 2030“ auf. Doch auch im Landkreis Ludwigsburg wird einiges für den Erhalt getan.

Streuobstwiesen sind für die Kulturlandschaft Baden-Württembergs prägend, außerdem haben sie einen großen ökologischen Nutzen. Dennoch sind die Bestände in den vergangenen zehn Jahren um gut 17 Prozent zurückgegangen. Für den Landkreis Ludwigsburg wurden 2018 in der Streuobsterhebung 216.467 Bäume ermittelt, 2008 waren es noch 399.370, teilt das Landratsamt Ludwigsburg auf Nachfrage der BZ mit.

Viele Gründe für den Rückgang

Die Gründe für den Rückgang sind vielseitig: Die Bewirtschaftung ist zeitaufwendig, außerdem fehlt oft der Nachwuchs bei den Bewirtschaftern, sodass ein Pflegedefizit an den Bäumen entsteht. Außerdem kämpfen die Obstbäume mit Überalterung, Mistelbefall sowie heißen und trockenen Sommern. Nicht zu vergessen dem Schwarzen Rindenbrand (Diplodia), eine neue Pilzerkrankung, welche die Streuobstbestände stark befallen hat und vielerorts zum Absterben der Bäume führt.

Dem möchte das Land Baden-Württemberg entgegenwirken. Dafür hat es im Juni die „Streuobstkonzeption 2030“ verabschiedet (siehe Infobox) und möchte unter anderem durch Mittel aus dem Haushalt motivieren, die Obstwiesen zu erhalten.

Für Andreas Fallert, den Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverband Landkreis Ludwigsburg e.V. (LEV), liegt das Hauptproblem des Rückgangs der Streuobstwiesen auf der Hand: Die Bewirtschaftung lohne sich rein wirtschaftlich betrachtet nicht. „Der Aufwand übersteigt bei weitem die Einkünfte, wenn man Most- und Tafelobst in Betracht zieht.“ In normalen Jahren bekomme man zwischen fünf und 15 Euro pro Doppelzentner. Der Aufwand (Bäume schneiden, Wiese mähen, Äpfel auflesen, sortieren, transportieren, alte Bäume entfernen, neue Pflanzen und pflegen) liege aber zwischen mindestens 25 und 35 Euro pro Doppelzentner, selbst wenn man mit Auflesemaschine und Kleintraktor mit Mulcher arbeiten könne, „was bei den meisten Stücklebesitzern nicht der Fallt ist“, kritisiert Fallert und weiter: „Wer Äpfel und Birnen, Apfel- und Birnensaft ganzjährig billig beim Discounter kaufen kann, wird von selbst nicht auf die Idee kommen, eine Streuobstwiese zu pachten und zu bewirtschaften.“

Dabei sei die Streuobstwiese aus ökologischer Sicht ein Lebensraum mit sehr hoher struktureller Vielfalt, so der LEV-Chef. Denn es treffen Waldaspekte (Einzelhochstämme, Beschattung) auf Steppenstrukturen (artenreiche Wiese, feucht bis trocken und offen). Gerade deshalb sei der Artenreichtum besonders groß. So findet man zum Beispiel Steinkauz, Wendehals, Gartenrotschwanz, viele Wildbienen, Langfühlerschrecken, Laufkäfer und die besonders artenreichen, zum Teil mageren, Flachland-Mähwiesen (FFH). Daher sei es wichtig, Streuobstwiesen zu pflegen und damit zu schützen, so Fallert.

Revitalisierungsprogramm

In naturschutzfachlich besonders bedeutsamen Bereich, zum Beispiel im FFH- und Vogelschutzgebiet „Stromberg“, kommt das Revitalisierungsprogramm des LEV zum Einsatz, durch das die Streuobstbesitzer professionelle Hilfe bei der Baumpflege bekommen. So wurden seit 2020 rund 1102 Streuobstbäume in naturschutzwichtigen Gebieten im Kreis revitalisiert oder einem fachgerechten Mistelschnitt unterzogen, so Fallert.

„Wir können für jede Person dankbar sein, die bereit ist, diese aufwändige und zum Teil nicht ungefährliche Arbeit zu leisten. Der LEV kann hier, trotz der großzügigen Unterstützung des Landkreises nur einen sehr kleinen Teil des Pflegebedarfs abdecken.“ Fallert wünscht sich mehr Wertschätzung für lokal und naturgerecht produzierte Lebensmittel.

Streuobst-Förderung vor Ort

Auch der Obst- und Gartenbauverein Bönnigheim (OGV) unterstützt Streuobstwiesenbesitzer. Unter anderem bietet er Winter- und Sommerschnittkurse an, aber auch Kurse extra für Frauen. Das zeige seine Wirkung. „Wir sind derzeit 135 Mitglieder, haben aber auch jedes Jahr neuen Zuwachs“, sagt der OGV-Vorsitzende Peter Allmendinger.

Das regelmäßige Beschneiden der Obstbäume sei wichtig. Die Triebe, die zu viel sind, müssten entfernt werden, damit ausreichend Licht, aber auch Luft an die Bäume und damit auch die Früchte komme. „Der Regen muss ordentlich abtropfen können, sonst breiten sich Pilzkrankheiten aus.“ Auch für den Ertrag sei der Schnitt essenziell. Starkregen macht den Obstbäumen übrigens nicht so viel aus, sagt Allmendinger, wohl aber Hagel und Trockenheit. Gerade in jüngster Zeit leiden viele Obstbäume im Kreis unter zu wenig Regen, sagt er. Aktuell seien es durchaus viele junge Menschen, die die Wiesen von den Eltern übernehmen. „Das Apfelsaftpressen ist für junge Familien wieder attraktiv“, will der Vereinsvorsitzende beobachtet haben. Es sei eben etwas ganz anderes, den Saft seiner eigenen Äpfel mit nach Hause nehmen zu können.

Dafür sorgt eine mobile Obstpresse, die seit gut zehn Jahren regelmäßig nach Bönnigheim auf den städtischen Bauhof kommt. Das nächste Mal am 17. September. „Seit vier Jahren haben wir auch eine Kooperation mit dem OGV Kleinsachsenheim.“ Das Tolle daran: Die Obstpresse kommt etwa drei Wochen später nach Sachsenheim, sodass die Bürger aus beiden Orten sowohl die frühen als auch die späteren Sorten pressen lassen können.

Noch etwas habe Allmendinger beobachtet: Nicht nur das Interesse am eigenen Apfelsaft sei in den letzten Jahren gestiegen, „auch immer mehr junge Menschen bauen wieder Most aus.“

Kreis investiert in Streuobst

Der Landkreis setzt sich für den Erhalt der Streuobstwiesen ein. So stellt er der Obst- und Gartenbauberatungsstelle des Kreises jährlich 3000 Euro zur Verfügung. Die Beratungsstelle bietet Schnitt- und Fachwartkurse an, informiert aber auch mehrmals im Jahr Obst- und Gartenbauvereine zu aktuellen Sonderthemen, beispielsweise Biodiversität, Trockenheit, Krankheiten oder Schädlingen.

Ebenso wird der LEV, bei dem der Kreis Mitglied ist, aus dem Kreis-Etat bezuschusst (siehe Infobox). Daraus werden verschiedene Projekte finanziert, so auch „Die Streuobstwiese – Unser Klassenzimmer im Grünen“: Um jungen Menschen einen Zugang zum Thema Streuobstwiese und deren Bedeutung zu vermitteln, bietet der LEV gemeinsam mit dem Kreis und der Kreissparkasse Ludwigsburg das Projekt an. „Wertschätzung entsteht durch Wertevermittlung“, meint Fallert vom LEV. Seit 2018 wurden 2800 Streuobst-Unterrichtseinheiten an über 30 Grundschulen im Kreis durchgeführt.

Weitere Informationen

Was macht der LEV im Kreis Ludwigsburg?
Der Landschaftserhaltungsverband Landkreis Ludwigsburg e.V. (LEV) ist ein gemeinnütziger Verein mit derzeit 48 Mitgliedern. Der Vorstand ist zu gleichen Teilen von Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen besetzt. Vorsitzender ist der Landrat. Eine Schwerpunktaufgabe ist der Erhalt des Kulturguts und Lebensraums Streuobstwiese und der darin lebenden Arten. Für diese und andere Aufgaben stellt der Kreis Ludwigsburg jährlich seit 2020 30.000 und seit 2024 40.000 Euro zur Verfügung.

Aus der Landes-Streuobstkonzeption 2030
In der Streuobstkonzeption 2030 sind sieben Handlungsfelder verankert, denen jeweils konkrete Maßnahmen zugeordnet sind. Diese sollen unter Vorbehalt der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel schrittweise umgesetzt werden.

Aktion: Bodenprobe untersuchen lassen
Regelmäßiger Baumschnitt, Förderung der Nützlinge, Jungbaum-Pflege und Sortenvielfalt stärken die Streuobstwiese, eine ausgewogene Ernährung der Bäume und der Humuserhalt der Böden sind elementar. Die Beratungsstelle Obst- und Gartenbau organisiert daher eine landkreisweite Bodenproben-Mitmach-Aktion und wendet sich an Streuobstwiesenbesitzende aus dem Kreis.

Vom 2. bis 13. September können Bodenproben aus Streuobstwiesen am Landratsamt, Fachbereich Landwirtschaft (Hindenburgstraße 30/1), abgegeben werden. Die Kosten für die Grundnährstoffanalyse tragen die Teilnehmer (12,50 Euro netto/Probe), die Kosten für die Humusanalyse übernimmt die Beratungsstelle. Infos und Anmeldung unter: www.ludwigsburg.landwirtschaft-bw.de.

 
 
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