Neue Flüchtlingsunterkunft in Sachsenheim „Wir müssen handeln“

Von Martin Hein
Auf dem Platz im Vordergrund werden zwei Wohngebäude für die Anschlussunterbringung gebaut. In anderthalb Jahren Bauzeit sollen die Gebäude erstellt werden, die Fertigstellung ist für Ende 2024 vorgesehen. Foto: /Martin Kalb

Die Stadt Sachsenheim braucht mehr Platz für Geflüchtete. Der Gemeinderat hat nun den Bau von zwei Wohngebäuden für die Anschlussunterbringung in der Steingrube beschlossen. 

Angesichts nicht abreißender Flüchtlingsströme wird der Platz für geflüchtete Menschen in der Stadt Sachsenheim knapp.

Die Aufnahmeverpflichtung der Stadt hat sich gegenüber dem Vorjahr von 45 Personen auf insgesamt 110 Personen im laufenden Jahr mehr als verdoppelt. Von Januar bis April wurden bereits 24 Personen aufgenommen. Weitere 24 Geflüchtete kommen bis Ende Mai hinzu. Somit müssen von Juni bis Dezember weitere 62 Personen in der Stadt untergebracht werden. Die Aufnahmeverpflichtung für geflüchtete Menschen aus der Ukraine wird gesondert berechnet. Bis Juni muss die Stadt keine weiteren Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen, wobei noch keine Prognosen für die zweite Jahreshälfte vorliegen.

Seitens der Stadt rechnet man jedoch mit einem erneuten Anstieg. Sachsenheim verfügt derzeit über 28 Objekte zur Obdachlosen- und Flüchtlingsunterbringung. 15 Objekte gehören der Stadt, weitere 13 sind angemietet.

Aktuell 425 Plätze in der Stadt

In der Summe sind dies aktuell 425 Unterbringungsplätze davon gehören 319 der Stadt, 106 Plätze sind in den angemieteten Unterkünften. Wegen auslaufender Mietverträge werden zum Jahresende 67 Plätze weniger zur Verfügung stehen. Bis Ende 2024 fallen nochmals weitere 33 Plätze weg.

Falls keiner der auslaufenden Verträge verlängert wird, hätte die Stadt für 86 Personen, die untergebracht werden müssen, lediglich noch 52 Plätze zur Verfügung. Die Stadtverwaltung rechnet angesichts der weltpolitischen Lage auch in den nächsten Jahren nicht mit einer Entspannung der Flüchtlingssituation.

Bürgermeister Holger Albrich betonte, dass deshalb in Sachsenheim weiterer Wohnraum für Geflüchtete benötigt wird. Der Flüchtlingsstrom habe stark zugenommen. Man habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Deshalb wolle man einen bereits 2017 gefassten Beschluss zum Bau zweier Gebäude in der Steingrube für Geflüchtete wieder aufgreifen.

Michael Miorin-Bellermann, Teamleiter Hochbau, wies darauf hin, dass erfahrungsgemäß immer wieder einzelne Wohneinheiten oder auch ganze Gebäudeteile beispielsweise wegen Wasserschäden saniert werden müssen und deshalb die davon betroffenen Unterbringungsplätze für längere Zeit nicht zur Verfügung stehen. Miorin-Bellermann warb dafür, die alte Baugenehmigung zu aktivieren und zwei Gebäude für insgesamt 53 Personen mit einem kleinen Kinderspielplatz samt Außenanlagen in der Steingrube zu errichten. Bei einer Zustimmung des Gemeinderats sei mit einer Bauzeit von anderthalb Jahren zu rechnen. Die Fertigstellung wäre demnach Ende 2024 möglich. Bürgermeister Albrich wies darauf hin, dass man für dieses Projekt 400 000 Euro Förderung bekomme.

Zur Aufnahme verpflichtet

Für diese Entscheidung haben viele kein Verständnis, sagte Gemeinderat Ralf Nägele (FWV). „Wir sind dazu verpflichtet, diese Flüchtlinge aufzunehmen“ so Nägele weiter. Wenn genügend Platz für Geflüchtete vorhanden sei, müsse man die städtischen Hallen dafür nicht nutzen. Diese stünden dann wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Albrich unterstrich, dass man zur Aufnahme verpflichtet sei. „Was die Ehrenamtlichen da leisten sei unvorstellbar“ lobte der Sachsenheimer Bürgermeister. Die Aufnahme der Geflüchteten stelle die Kommunen vor große Herausforderungen. Eine Anpassung der Verteilerschlüssel sei notwendig. Baden-Württemberg habe mehr Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen als ganz Frankreich, so Albrich und wies darauf hin, dass die Baugenehmigung für die zwei Wohngebäude zur Anschlussunterbringung in der Steingrube seit Jahren vorliege und bat die Gemeinderäte um Zustimmung.

Lars Weydt (CDU) erinnerte daran, dass damals diskutiert wurde, dort über 200 Personen unterzubringen. Soweit sei es zum Glück nicht gekommen und signalisierte: „Von uns gibt es Zustimmung zu diesem Beschlussvorschlag“.

Günstiger Wohnraum für später

Helga Niehues (SPD) war auch der Ansicht, dass der Flüchtlingsstrom nicht abreißt. Mehr Platz sei auch weniger psychische Belastung für die Menschen. Später könne man diese Gebäude eventuell als günstigen Wohnraum für die eigene Bevölkerung nutzen.

An dieser Stelle möchte er keine Unterkunft haben, sagte Lothar Makkens (FWV), „ich stimme dem nicht gerne zu, aber – es geht nicht anders“, so der FWV-Gemeinderat.

Man müsse der Zuteilung Rechnung tragen, sagte FDP-Stadtrat Thomas Bay. 400 000 Euro Zuschuss stünden Gesamtkosten in Höhe von rund 3 Millionen Euro gegenüber. Das übersteige die Möglichkeiten der Stadt. „Wir belasten die Bürger, und nachher lehnt das Landratsamt den Haushalt der Stadt Sachsenheim wegen Überschuldung ab“ gab Bay zu Bedenken.

„Wir überschulden uns deshalb nicht“ widersprach Günter Dick (GLS). Man müsse eben an anderer Stelle kürzer treten. Dick fragte ob die Kapazitäten bis zur Fertigstellung 2024 reichen, um alle Pflichten zu erledigen. „Gute Frage, ich hoffe, dass es reicht“, antwortete der Bürgermeister .

„Wenn sich die Zahlen so entwickeln, wie das prognostiziert wird, reicht das nicht“, erwiderte Günter Dick und bat die Stadtverwaltung zu prüfen, ob das Landratsamt eventuell Aufschub gibt.

Thomas Wörner (GLS) verkündete, dass er dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen werde und betonte, dass dies nichts mit den Geflüchteten zu tun habe und verwies auf Argumente, die er in nichtöffentlicher Sitzung vorgetragen hat. Wörner mahnte eine gleichmäßige Verteilung an und forderte die anwesenden Kreisräte Albrich, Michael Ilk und Hans-Günther Neumann auf, sich dafür einzusetzen.

Albrich konterte, dass man keinen Einfluss auf die Verteilung habe. Die Zuteilung erfolge im Landkreis streng nach den Einwohnerzahlen.

Daniel Benneweg (FWV) wollte wissen, ob es eine Bindefrist für die Förderung gebe. Albrich versprach, diese Information nachzureichen. „Wir müssen handeln“ so Albrich, man müsse schnell Wohnraum schaffen, und bat erneut um Zustimmung.

Der Gemeinderat beschloss mit 19 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und drei Nein-Stimmen die Baugenehmigung vom 26. September 2019 für zwei Wohngebäuden für die Anschlussunterbringung in der Steingrube in die Wege zu leiten. Bürgermeister Albrich sagte, er wolle mit den dort ansässigen Vereinen sprechen.

 
 
- Anzeige -