Der Zweitligist SG BBM Bietigheim hat vor wenigen Monaten mit Alexander Velz einen vielversprechenden Spielmacher verpflichtet, der in den ersten beiden Testspielen der SG gegen Basel und den Bundesligisten HSG Wetzlar sein großes Talent zumindest schon einmal angedeutet hat. Um herauszufinden, was den 23-Jährigen so besonders macht, hat sich die BZ bei zwei Trainern erkundigt, die es wissen müssen.

Wohl kein anderer Trainer kennt Velz so gut wie der ehemalige Bundesliga-Torwart und Nationalspieler Jürgen Brandstaeter (u.a. TuS Hofweier, VfL Gummersbach, TV Niederwürzbach). Von der C-Jugend bis zur A-Jugend-Bundesliga hatte der heute 60-Jährige den talentierten Spielmacher beim HTV Meißenheim gecoacht – genau wie übrigens SG BBM-Kreisläufer Jonathan Fischer, der wie Velz ebenfalls aus Meißenheim stammt.  „Dann habe ich Alexander zwei Jahre in Ruhe gelassen, bevor ich ihn 2019 zu mir zum TV Möhlin geholt habe“, sagt der Meißenheimer Brandstaeter im Gespräch mit der BZ.


Beim Schweizer Zweitligisten avancierte der vom Drittliga-Absteiger SG Köndringen-Teningen losgeeiste Velz auf Anhieb zum Führungsspieler und Toptorjäger – trotz seiner damals gerade einmal 20 Jahre. „Mein Manager hat mir damals zugesagt, dass ich mir einen Spieler aus Deutschland holen könnte. Da fiel die Wahl schnell auf Alex. Die Möglichkeiten, die er hat, habe ich in der Schweiz gebraucht“, erinnert sich Brandstaeter an die Velz-Verpflichtung. „Er hat auch gleich geliefert und pro Spiel im Schnitt elf Tore geworfen. Mit großem Vorsprung ist er dann Torschützenkönig der Liga geworden.“


140 Kilometer zum Training


„Bei uns hatte Alex sämtliche Freiheiten“, sagt Brandstaeter, der zusammen mit seinem jungen Regisseur vier Mal wöchentlich die 140 Kilometer mit dem Auto über die A5 von Meißenheim in den Kanton Aargau zum Training zurückgelegt hat. Wenn es irgendwann zwischen 17 und 18 Uhr in Richtung Schweiz losging, hatte Velz schon einen langen Arbeitstag in der Firma von Brandstaeters Cousin hinter sich, wo er für den Einkauf zuständig war. Dieser Cousin war es auch, der es Velz ermöglichte, sich schließlich bei der SG BBM ganz auf den Handball zu konzentrieren. „Er ist genauso handballverrückt wie ich. Er hat Alex erlaubt, sich auszutoben und sechs oder sieben Jahre Pause zu machen, um dann in die Firma zurückzukommen“, plaudert Brandstaeter aus dem Nähkästchen.


Die Zweite Liga traut „Branne“ dem ehemaligen Junioren-Nationalspieler, der in seiner Jugend auch schon Angebote von Vereinen wie dem VfL Gummersbach, Bayer Dormagen oder der HSG Konstanz gehabt haben soll, „auf jeden Fall zu“. „Auf Rückraum-Mitte kann er es sogar in der Bundesliga packen“, sagt Brandstaeter über seinen langjährigen Schützling. „In allen meinen Teams war er immer der beste und torgefährlichste Spieler. Zudem hat er eine Mordsübersicht und füttert die Kreisläufer mit 15 Bällen pro Spiel“, erklärt Brandstaeter, worauf sich Velz-Spezi Jonathan Fischer am Kreis in der kommenden Saison freuen kann.


Insgesamt sieht der Ex-Profi bei Velz große Parallelen zu einem anderen ehemaligen Bietigheimer. „Auch wenn er nicht so oft in den Kraftraum geht, ist Alex schon ein bisschen ein Mimi Kraus-Verschnitt. Er macht unerwartete Dinge. Und wenn man ihm das Vertrauen schenkt, zahlt er es immer zurück“, so Branne, der Velz nach seinem Abschied aus Möhlin eigentlich mit zum Schweizer Erstliga-Aufsteiger RTV Basel – im Rahmen des Trainingslager in Meißenheim Gegner der Bietigheimer im ersten Testspiel – nehmen wollte, bevor ihn ein Herzinfarkt ausbremste.


Neuland Vorbereitung


Allerdings hat Velz-Experte Brandstaeter auch Defizite beim Bietigheimer Neuzugang ausgemacht: „Handballerisch ist er der Beste“, so der Coach, der auch schon gestandene Bundesliga-Größen wie Tim Suton (TBV Lemgo) oder Peter Strosack (TuS N-Lübbecke) unter seinen Fittichen hatte. „Aber er ist auch der faulste Spieler, den ich je trainiert habe.“ Die Schwächen sind laut Brandstaeter körperlicher Natur. „Sein Gewicht, dass ihm ja auch beim Überzieher hilft, muss er jetzt noch in Muskulatur umwandeln.“ Abzuwarten bleibe laut Brandstaeter wie Velz die harte Vorbereitung mit der SG BBM wegsteckt. „Er hatte noch nie eine richtige Vorbereitung. So etwas kennt er nicht.“ Doch seinem Nachfolger in Sachen Velz, Iker Romero, traut der 60-Jährige in der Angelegenheit viel zu. „Von Iker kann er noch eine ganze Menge lernen“, sagt Branne und schiebt mit einem Lächeln nach. „Und mit Jonathan Fischer hat er einen Mitspieler, der seinen Dialekt versteht.“ Brandstaeters Fazit über Velz könnte jedenfalls kaum positiver ausfallen: „Alex ist noch nicht so Internats-versaut, sondern bringt eine Straßenhandball-Mentalität mit. So kann er als Rechtshänder auch mit links werfen. Wenn er gut trainiert und Spielanteile bekommt, wird es bei ihm zum Selbstläufer.“


Ähnliche Lobeshymnen auf seinen ehemaligen Schützling singt auch Ole Andersen im Gespräch mit der BZ. Der einstige dänische Nationaltrainer coachte Velz nicht nur unmittelbar vor dessen Wechsel nach Bietigheim beim Drittligisten TV Willstätt, sondern auch zwischen 2018 und 2019 bei der SG Köndringen/Teningen, die neben SG BBM-Kreisläufer Jonathan Fischer auch schon andere große Namen wie den ehemaligen Bietigheimer Keeper Domenico Ebner (TSV Hannover-Burgdorf) oder Rückraum-Shooter Pascal Bührer (Eulen Ludwigshafen) hervorgebracht hat. „Alexander ist ein absoluter Ausnahmespieler. Wenn es darum geht, eiskalt zu sein, ist er genau der richtige Mann“, sagt Andersen über Velz, der den TV Willstätt mit zwölf Toren am letzten Spieltag in Pforzheim gewissermaßen im Alleingang zum Klassenverbleib geworfen hatte. „Er hat nicht gezittert und keine Nerven gezeigt. Er hat uns gerettet“. weiß Andersen, bei wem er sich für eine weitere Spielzeit in der Dritten Liga bedanken darf. „Er kümmert sich nie um die Konsequenzen. Das macht ihn so stark. Denn wenn du im Profisport anfängst zu denken, hast du verloren. Und Alexander denkt nicht nach.“ Was den Regisseur so stark macht, umreißt Andersen mit wenigen Worten: „Nach einem Sieg oder einer Niederlage ist Alexander immer der Gleiche. So nach dem Motto, es muss weitergehen, denn man kann es ja eh nicht mehr ändern.“


Auch wenn Velz laut Andersen  aufgrund des Qualitätsunterschieds der Dritten zur Zweiten Liga womöglich Anlaufschwierigkeiten haben könnte und vor allem in der Abwehr noch  nachlegen muss, führe auf Dauer kein Weg am 23-Jährigen vorbei. „Er war mit 17 schon so wie jetzt. Er konnte immer schon das Spiel an sich reißen“, so der Däne. „Ich traue ihm zu, ein Führungsspieler in der Zweiten Liga zu werden.“ Zugutekommen dürfte Velz dabei der Umstand, dass er sich in Bietigheim allein auf den Handball konzentrieren kann. „Bei uns hat er nebenbei acht Stunden am Tag gearbeitet. Das ist eine viel größere Kunst.“

Wie schon Brandstaeter sieht auch Andersen den „Faktor Fischer“ als wichtigen Baustein dafür an, dass Velz in Bietigheim der Start gelingen wird. „Wenn einer etwas braucht, ist der andere für ihn da“, sagt der Däne über die langjährigen Freunde Jonathan Fischer und Alexander Velz. „Jonathan hat schon gezeigt, dass es klappen kann. Und jetzt ist es für beide ein bisschen wie bei der Tour de France. Alleine zu fahren ist hart. aber zusammen geht es viel leichter.“