Oberriexingen Einige offene Fragen zum Energiepark

Von Michaela Glemser
Das Windrad in Ingersheim misst rund 180 Meter Höhe. Die geplanten Anlagen im „Weitfeld“ wären wesentlich höher. Foto: Martin Kalb

Gemeinderatsgremium und Bürger befassen sich mit den acht vorgesehenen Windkraftanlagen im Gewann „Weitfeld“, vermissen bei den Plänen bis dato jedoch eine gewisse Transparenz.

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ilke Rau war aufgebracht und verließ mit noch vielen offenen Fragen die öffentliche Gemeinderatssitzung der Römerstadt am Dienstagabend. Über eineinhalb Stunden hatten sich die rund 100 anwesenden Besucher, die Gemeinderäte, die Vertreter der Stadtverwaltung und des Projekts „Energiepark Weitfeld“ dem Areal mit seinen rund 170 Hektar Fläche gewidmet, auf dem zwischen Oberriexingen, Sersheim und Kleinglattbach insgesamt acht Windkraftanlagen entstehen sollen.

Bereits vor rund einem Jahr hatte Benjamin Boy vom Unternehmen „Stromernte“, welches dieses Projekt gemeinsam mit den Stadtwerken Stuttgart als Hauptpartner realisieren möchte, das Vorhaben dem Oberriexinger Ratsgremium ausführlich vorgestellt. Inzwischen wurden die Standorte der Windräder noch einmal angepasst und dabei die Vertreter der betroffenen Kommunen jedoch nicht immer transparent informiert. Entsprechend skeptisch bezüglich der künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten war Oberriexingens Rathauschef Ron Keller.

„Verfahren kritisch begleiten“

„Die vor einem Jahr vorgestellten Windräder waren noch jeweils zehn Meter niedriger, wir würden als Verwaltung und Gemeinderäte gerne dieses Projekt mitgestalten, aber wir können leider nicht direkt eingreifen. Wir werden das Verfahren aber kritisch begleiten und keine negativen Auswirkungen auf Oberriexingen und Sersheim zulassen“, sagte Keller.

Rund 40.000 Haushalte sollen mit den prognostizierten 110 Millionen kWh erzeugtem Windstrom der acht Anlagen mit einer Gesamthöhe von je 262 Metern versorgt werden. Eine Windkraftanlage soll dabei auf dem Zweckverbandsgebiet „Eichwald“ errichtet werden. Ob für die Stromeinspeisung in die vorhandene Hochspannungsleitung ein eigenes Umspannwerk notwendig ist, soll sich erst im weiteren Planungsprozess zeigen. Zur Wohnbebauung in Sersheim mit seinen Aussiedlerhöfen besteht ein Mindestabstand von rund 664 Metern, zu Oberriexingen hin sind dies mindestens 699 Meter.

Gemeinderätin Anja Schäberle fragte nach, ob die Abstände angepasst würden, wenn sich die Windräder nochmals erhöhten. Robert Bäuerle und Matthias Nowak von den Stadtwerken Stuttgart verwiesen darauf, dass diese Windradhöhen derzeit Standard seien und die rechtlichen Vorgaben zu den Abstandsflächen genau eingehalten werden.

Bürgermeister Keller fügte hinzu, dass die Abstandsflächen in Bayern zum Beispiel viel dynamischer behandelt werden und nach diesen Statuten solch hohe Windräder im Energiepark „Weitfeld“ gar nicht gebaut werden dürften. „Am Ende sind die Windräder sogar 20 Meter höher und keiner will davon mehr etwas wissen“, so der Oberriexinger Bürgermeister.

Transparentes Verfahren

Pressesprecher Nowak von den Stadtwerken Stuttgart machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass er ein transparentes Verfahren anstrebe. Dafür sollen die aktuellen Unterlagen zu diesem Vorhaben auch zeitnah der Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung gestellt und in den kommenden Wochen eine entsprechende Visualisierung der Anlagen erstellt werden. Die Fotomontagen, welche die beiden Bürgermeister Keller und Jürgen Scholz aus Sersheim in Auftrag gegeben und veröffentlicht hatten, zweifelte Nowak aufgrund geänderter Standorte an.

0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugter Strom, insgesamt rund 200.000 Euro, sollen jährlich an die Kommunen im Umkreis des neuen Energieparks fließen. Auch Beteiligungsmodelle für die Bürger werden derzeit ausgearbeitet, so Nowak. Wenn die auf 20 Jahre festgeschriebene EEG-Einspeisevergütung länger erhalten bleibt, können sich die beiden Vertreter der Stadtwerke auch eine Nutzungsdauer der geplanten Windräder über 20 bis 25 Jahre hinaus vorstellen. Sonst sollen die Windräder und die rund 0,4 Hektar versiegelte Fläche pro Anlage wieder vollständig zurückgebaut werden. Ein entsprechender Ausgleich für die versiegelte Fläche soll in der Region erfolgen.

„Was haben wir als Anwohner in Oberriexingen von diesem Projekt? Für vielleicht letztlich 20.000 Euro im Jahr, die in unserer Stadt bleiben, kaufen wir uns viele Nachteile wie den Wertverlust unserer Immobilien oder die Lärmbelastung ein“, empörte sich Bürgerin Silke Rau. Auch die Belange der benachbarten Flugplätze der Segel- und Modellflieger kamen zur Sprache, ebenso wie die Einschränkungen durch den Infraschall, den Abrieb der Rotorblätter und durch den Schattenwurf der Anlagen.

Immer wieder wurde auch bemängelt, dass die Stadtwerke Stuttgart als Hauptpartner mit ins Boot geholt wurden und keine Stadtwerke aus den beiden betroffenen Gemeinden. Unternehmenssprecher Nowak erläuterte dies so, dass das Unternehmen „Stromernte“ einen verlässlichen Partner gesucht habe und mit den Stadtwerken ein gutes Verhältnis pflege.

Dass einer der Geschäftsführer des Unternehmens „Stromernte“, Benjamin Boy, bis zum Jahr 2022 für die Grünen im Stuttgarter Stadtrat saß und damit auch als Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke Stuttgart, wurde allerdings öffentlich nicht berichtet.

 
 
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