Die Ansiedlung eines Lebensmittelmarkts in der Römerstadt bewegt die Bürgerschaft. Dies war am großen Interesse von rund 400 Besuchern in der Sporthalle und von 125 Zuschauern am Livestream deutlich zu erkennen. Die jüngste Oberriexinger Einwohnerversammlung drehte sich alleine um die Frage, ob auf einem 9000 Quadratmeter großen Grundstück in der „Steingrube“ an der Sersheimer Straße ein Penny-Lebensmittelmarkt mit rund 800 Quadratmetern Verkaufsfläche sowie Praxisräumen zur Gesundheitsvorsorge im Obergeschoss entstehen soll.
Oberriexingen Lebensmittelmarkt – ja oder nein?
Gegner und Befürworter der Ansiedlung eines Lebensmittelmarkts in Oberriexingen stellten in einer Einwohnerversammlung ihre Argumente vor.
Zudem will Markus Laier seinen Bäckereibetrieb vom bestehenden Standort an der Hauptstraße in die Steingrube umsiedeln mit einer Backstube, einem Café und einer Betriebsleiterwohnung im Obergeschoss. Auch ein Retentionsbecken und Retentionsflächen für das Niederschlagswasser sind vorgesehen. Dazu findet am 23. Februar ein Bürgerentscheid in Oberriexingen statt. Bei der Einwohnerversammlung kamen nun Befürworter und Gegner des umstrittenen Bauvorhabens zu Wort.
Frage der Wirtschaftlichkeit
Per Losverfahren wurde bestimmt, dass zuerst die Befürworter sich äußern können. „Mein Standort an der Hauptstraße ist nicht mehr zeitgemäß. Die Produktionsstätte ist zu klein und veraltet, es gibt keine Parkmöglichkeiten und wenn 2029 die Hauptstraße saniert wird, kann ich meinen Betrieb an diesem Standort nicht mehr wirtschaftlich weiterführen“, machte Laier deutlich. Er verwies darauf, dass auf dem Grundstück in der Steingrube auch eine Paketstation und ein Geldautomat errichtet werden sollen, was gerade nach der Schließung der Postfiliale in der Römerstadt von Bedeutung sei.
Investor Hasenhündl unterstrich, dass das Areal an der Sersheimer Straße gut erschlossen sei, und der Lieferverkehr nicht über die Ortsdurchfahrt erfolgen müsse. Zudem sei der Standort an das örtliche Radwegenetz angeschlossen und es sei eine ausreichend große Querungshilfe von der Einmündung in die Ringstraße aus angedacht. „1600 Einwohner können den Lebensmittelmarkt fußläufig innerhalb von 500 Metern erreichen. Der Bäckereibetrieb ist dort langfristig gesichert, will sogar eine Drive-in-Bäckerei aufbauen. Das Café kann ein sozialer Treffpunkt sein und für ein medizinisches Versorgungszentrum gibt es sonst keine Flächen in der Stadt“, erklärte Hasenhündl.
Berechnungen stehen noch aus
Bei der anschließenden Fragerunde bezeichnete ein Bürger Oberriexingen als „Schlafstadt“, und zweifelte, ob das Kaufkraftpotenzial für einen Lebensmittelmarkt tatsächlich vorhanden sei. Eine Bürgerin mahnte an, dass in der Schutzkonzeption zum Starkregen, die von den Fachleuten der Stadtwerke in Bietigheim-Bissingen erarbeitet worden sei, auf dem Grundstück des Lebensmittelmarkts ein Erddamm und eine Drosselung des Wasserzuflusses in die Dürre Enz geplant sei.
Investor Hasenhündl erwiderte, dass die bisherige Rückmeldung der Fachleute laute, dass dem Bauvorhaben nichts im Wege stehe. Die genaue Dimension der Regenrückhaltung müsse erst noch berechnet werden.
Bezüglich der Fußwege regte Hasenhündl an, den Bürgerbus „Roter Blitz“ für Einkaufsfahrten zum neuen Lebensmittelmarkt einzusetzen. Weiterhin sah sich der Investor Bürgerzweifeln bezüglich der Ansiedlung von Ärzten gegenüber, da diese von der kassenärztlichen Vereinigung reglementiert sei. „Hausarzt-Sitze sind mit keiner Beschränkung belegt. Ich könnte mir auch kreative Lösungen mit Physio- oder Ergotherapiepraxen vorstellen“, antwortete Hasenhündl.
Ein weiterer Bürger wünschte sich eine Bushaltestelle am neuen Supermarkt mit Anbindung an eine Linie zum Sersheimer Bahnhof. Bürgermeister Keller erläuterte in diesem Zusammenhang, dass eine neue Busverbindung nicht so einfach umzusetzen sei, aber das Bauvorhaben die Chancen darauf eventuell erhöhen könnte.
Die Gegner des Bauvorhabens kritisierten, dass eine Regenrückhaltefläche von rund 500 und ein Retentionsbecken von 900 Quadratmetern nicht ausreichend sei, um das Regenwasser bei Starkregenereignissen aufzunehmen. „Es wäre besser die gesamte Fläche des Grundstücks in der ‚Steingrube‘ für die Regenrückhaltung zu nutzen, als sie zu versiegeln“, betonte Stefan Kriso.
Bereits gut versorgt
Er verwies auch auf die Frischluftschneise, welche diese unbebaute Fläche eröffne. Außerdem stellte Kriso klar, dass es schwierig sei, den geplanten Lebensmittelmarkt fußläufig vom Stadtzentrum aus zu erreichen und per Auto bereits elf Supermärkte in der Umgebung angefahren werden könnten. „Wir sind daher gut versorgt. Wir haben die Metzgerei Langhans, Tante-M und Hofläden in Oberriexingen. Diese innerörtlichen Einkaufsmöglichkeiten werden zugrunde gehen, wenn der Supermarkt kommt“, so Kriso. In der Fragerunde an die Gegner des Vorhabens erinnerte ein Bürger daran, dass nicht alles abfließende Regenwasser, das in die Stadt gelange, von der Steingrube abfließe, sondern auch aus anderen Teilen der Stadt. Eine Bürgerin erklärte, dass nicht jeder Oberriexinger auch im Tante-M-Laden einkaufen könne, da dies zu kostspielig sei.
Auch die Reihenfolge des Verfahrens kam immer wieder zur Sprache. Bürgermeister Keller stellte klar, dass mit dem Investor ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen worden sei, und das betroffene Grundstück erst verkauft werde, wenn das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen sei. Zudem finanziere der Investor das Planverfahren und alle Gutachten, welche die Gemeinde sonst selbst schultern müsse.
„Ich wünsche mir für den Bürgerentscheid, dass das Ergebnis von beiden Seiten akzeptiert wird und wir gemeinsam am besten Ergebnis für Oberriexingen arbeiten können“, zog Bürgermeister Ron Keller abschließend als Fazit. Michaela Glemser