Offener Brief an Klinikleitung Wegfall der Palliativbetten macht Hospizgruppen wütend

Von Jürgen Kunz
Bis zum 1. April gab es noch für fünf Palliativbetten im Krankenhaus Bietigheim. ⇥ Foto: Martin Kalb

Mehrere Hospizgruppen protestieren gegen die Schließung der Palliativstation. Die RKH Kliniken antworten nun auf einen offenen Brief.

Wir protestieren aufs Schärfste gegen die Schließung der Palliativstation im Krankenhaus Bietigheim“, schreiben die Leitungen der Hospizgruppen Besigheim, Bönnigheim-Erligheim-Kirchheim, Pleidelsheim, Schwieberdingen und Vaihingen am 27. April in einem offenen Brief an den Geschäftsführer der RKH-Kliniken, Professor Dr. med. Jörg Martin. Sie reagieren damit – mit etwas zeitlicher Verzögerung – auf die Verlegung dieser Betten für Schwerstkranke ins Krankenhaus Ludwigsburg. Auf BZ-Nachfrage erläutert Alexander Tsongas, Pressesprecher der RKH-Kliniken, die Beweggründe und verweist auf die landkreisweite spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) sowie den palliativmedizinischen Dienst, der eine Mitbetreuung von schwerstkranken Patienten während des stationären Aufenthalts auf allen Stationen der Klinik gewährleiste. Außerdem biete die Palliativstation in Ludwigsburg Platz für zwölf Patienten, die in Doppel- und Einzelzimmern untergebracht werden.

Ein Vorwurf, den die Hospizgruppen in ihrem offenen Brief formulieren, ist, dass die Palliativstation im Krankenhaus Bietigheim „zum 1. April 2021 geschlossen wurde, still und leise, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.“ Sie habe mehr als zehn Jahre bestanden und verfügte über sieben bis neun Betten, so Anita Eret, Leiterin der Hospizgruppe Bönnigheim-Erligheim-Kirchheim, gegenüber der BZ. „Eine Palliativstation ist eine selbstständige Einheit eines Krankenhauses, in der Menschen mit einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung betreut werden. Das Hauptziel ist nicht mehr Heilung, sondern Erhaltung der Lebensqualität durch Symptom-Linderung und liebevolle Zuwendung. Die Dauer des Aufenthaltes ist begrenzt; die Menschen werden entweder nach Hause, in ein stationäres Hospiz oder aber auch in ein Pflegeheim entlassen. Viele von ihnen versterben auch auf der Palliativstation“, heißt es in dem Brief weiter.

„Im Vorfeld gab es Gespräche“, sagt Tsongas, aber es habe eine Entwicklung gegeben, über Jahre hinweg. Dabei sei ein Punkt entstanden, an dem es eine Entscheidung geben musste – eben der Wegfall der Palliativbetten in Bietigheim und deren teilweise Verlegung nach Ludwigsburg. „Die Palliativeinheit in Bietigheim wurde so wenig in Anspruch genommen, dass nur wenige Betten belegt waren“, so der Pressesprecher. Die zurückgehende Nachfrage sei ein „langsam schleichender Prozess“ gewesen, weshalb dazu auch die Öffentlichkeit nicht informiert wurde.

„Die Tatsache, dass die Palliativstation geschlossen wurde, macht uns ratlos – und wütend“, schreiben die Hospizgruppen. Die Station im Krankenhaus Ludwigsburg sei zwar von neun auf zwölf Betten aufgestockt worden, das seien jedoch insgesamt vier bis sechs Betten weniger im Landkreis. Weiter heißt es: „Nicht zu vergessen der lange Anfahrtsweg für Bewohner des nördlichen Landkreises. Auch auf Palliativstationen möchten Menschen besucht werden. Deshalb ist es unabdingbar, bestehende ortsnahe Angebote zu erhalten.“

Tsongas verweist darauf, dass bei den Palliativpatienten „der große Wunsch besteht“, bis zum Lebensende zu Hause zu bleiben. Diesem Wunsch sollte man nach Möglichkeit entsprechen. Wenn dies nicht möglich sei, gebe es die Hospize. Eine wichtige Begleitung von Schwerstkranken übernehme die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), die es seit zehn Jahren gibt und die sich an Patienten im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung, die unter einer ausgeprägten Symptomatik leiden oder eine aufwändige Versorgung benötigen. Ein Team aus Pflegekräften und Ärzten begleitet dabei die Patienten und ihre Angehörigen so, dass kein ungewollter Krankenhausaufenthalt nötig ist.

Darüber hinaus verweist Tsongas auf den palliativmedizinischen Dienst, den es seit Frühjahr dieses Jahres in den Krankenhäusern Bietigheim und Ludwigsburg gibt, und der eine Mitbetreuung von schwerstkranken Patienten mit lebensbegrenzenden Erkrankungen während des stationären Aufenthaltes auf allen Stationen der Klinik ermöglicht. „Eine ganzheitliche Betreuung gewährleisten speziell ausgebildete Palliativärzte und Fachkrankenschwestern gemeinsam mit einem interdisziplinären Behandlungsteam aus den Bereichen Psychoonkologie, Seelsorge, Physiotherapie, Ernährungsberatung und Sozialdienstmitarbeitern. Im Vordergrund steht hierbei die Erhaltung und nach Möglichkeit Verbesserung der Lebensqualität für den Patienten“, heißt es dazu auf der Internetseite der RKH-Kliniken.

Für die Hospizgruppen ist dieses Palliativteam jedoch kein Ersatz für eine Palliativstation, „wo Menschen in einer Krisensituation nicht nur schmerzlindernd behandelt werden, sondern auch die Ruhe finden, ihre Diagnose wahrzunehmen und zu überlegen, wie es weitergeht“. Das falle in einem Dreibettzimmer auf einer Pflegestation ziemlich schwer.

Die Hospizgruppe appelliert in ihrem offenen Brief an den Geschäftsführer der RKH-Kliniken, die Palliativstation in Bietigheim wieder einzurichten: „Der Bedarf an stationären palliativen Angeboten wird in Zukunft steigen. Menschen haben auch auf ihrem letzten Lebensweg einen Anspruch auf bestmögliche Versorgung. Palliativstationen stehen dafür – ebenso wie wir von den ambulanten Hospizdiensten.“

 
 
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