Bietigheim-Bissingen Letztes Kino der Stadt schließt

Von Heidi Vogelhuber
Karin und Jürgen Graf in ihrem Kinosaal. Der schwere Vorhang hinter ihnen fällt zum Jahresende das letzte Mal.Fotos: Martin Kalb Foto:  

Zum Ende des Jahres schließt das Bissinger Kino der Betreiber Karin und Jürgen Graf. Das Gebäude, das im Besitz der Familie Graf ist, wird verkauft. Ob sich noch ein neuer Kinobetreiber findet, ist unklar. Damit stellt das letzte Lichtspielhaus in Bietigheim-Bissingen den Betreib ein.

Als Kind stand ich schon hier neben meinem Vater im Vorführraum und durfte durch das Loch den Film schauen“, erinnert sich Jürgen Graf und schaut sich im Raum um. In diesem kleinen Zimmer steht Kinotechnik aus mehreren Jahrzehnten. Neben dem Filmprojektor aus den 1970ern der Marke Bauer, ehemals ein namhafter Stuttgarter Hersteller von Filmprojektoren, und dem etwa zehn Jahre alten Projektor, der heutzutage genutzt wird, auch zahlreichen Filmrollen, ein massiver Umspultisch aus den 1980er-Jahren und die später zum Einsatz gekommenen Festplatten, die noch auf den Server überspielt werden mussten. Mittlerweile gibt es eine Standleitung, der Film wird via Internet geschickt.

Viel hat Jürgen Graf an technischen Weiterentwicklungen miterlebt. Bereits sein Vater und davor sein Großvater betrieben das Bissinger Kino Olympia und Paradies, das die Familie Graf 1951 aufbaute. Jetzt aber soll Schluss sein, berichtet der 64-Jährige im Gespräch mit der BZ.

Nicht mit Gram schließe er. „Das hier“, sagt er und schaut sich um, „das hat mir immer Spaß gemacht. Ich habe mich immer mit viel Leidenschaft um alles gekümmert.“

Das Bissinger Kino schließt zum Jahresende

60 bis 70 Stunden pro Woche habe er regelmäßig hier verbracht, „und seien wir ehrlich, wegen dem Geld macht man das nicht.“ Nun jedoch musste sich der Filmliebhaber, der das Kino schon mit der Muttermilch einsaugte, entscheiden und einen Schlussstrich ziehen. „Jeden Tag, an dem ich noch offen habe, mache ich Verluste.“ Zum Ende des Jahres wird die Tür zum letzten Mal abgeschlossen und Jürgen Graf und seine Frau Karin, die auch immer engagiert anpackte im Kino, werden sich auf ihre Enkel konzentrieren. „Die sind unser Sonnenschein“, sagt Graf.

Die Begründung ist ein Kind ihrer Zeit: Nach den erschwerten Bedingungen während der Corona-Pandemie trifft aktuell die Energiekrise die energieintensive Branche schwer (siehe auch Text unten). „Die Gaskosten haben sich verzehnfacht, Strom kostet das dreifache“, berichtet Graf. Auch habe er keine Mitarbeiter mehr gefunden. „Wenn man mehr ausgibt als man einnimmt, muss man etwas ändern“, fasst Graf zusammen. Natürlich falle es ihm schwer, gerne erinnere er sich zurück, wie sein Vater im Vorführraum stand, seine Mutter an der Kasse saß und er sich als Kartenabreißer nützlich machte. Aber sein Kino habe seine Zeit nun hinter sich.

Was nun mit dem Lichtspielhaus passiert? Ungewiss. Fest steht, dass die Familie Graf – das Kinogebäude gehört Jürgen Graf und seinen Brüdern – verkauft. Ob noch mal ein Kinobetreiber sich dem Olympia und Paradies annimmt, könne er nicht sagen. Zwar habe er schon Gespräche geführt, jedoch sei es einfach eine schwere Zeit für Lichtspielhäuser. Die Stadt jedenfalls habe kein Interesse am Haus angemeldet. „Als Kinobetreiber hat man eben auch eine 7-Tage-Woche. Das will auch keiner mehr.“ Auch gebe es viel Arbeit um die Filmvorführungen herum, wie Aufräumen und die Planung.

2011 stand das Kino schon einmal vor dem Aus

Schon einmal hatte sich die Familie aus dem Kino zurückgezogen. Jürgen Graf lernte Industriemechaniker, erlangte den Meister, arbeitete in der Branche. 1991 übernahm Stefan Schaich, der das Delta-Kino in Bietigheim betrieb, auch das Bissinger Kino von der Familie Graf. 2005 übernahm dann Martin Krutzke.

„2011 stand das Kino schon einmal vor dem Aus. Ich habe dann zu meiner Mutter gesagt, dass ich es wieder übernehme. Das hat ihr dann schon auch gefallen“, erinnert sich Graf zurück. Seitdem steckten er und seine Frau Karin viel Leidenschaft ins Lichtspielhaus, investierten in zehn Jahren 250 000 Euro für einen neuen Projektor, Sitze, eine Klimaanlage.

Die letzten Filme, die in Bissingen noch gezeigt werden, sind der Marvel-Film „Black Panther: Wakanda forever“ und Karoline Herfurths „Einfach mal was Schönes“. Welche Filme Graf am liebsten schaut? „Ich mag optimistische Unterhaltungsfilme. Mir gefiel ‚Ziemlich beste Freunde’ gut.“ „Der mit dem Wolf tanzt“ sei ein ganz großer Film, ebenso die James-Bond-Reihe. Ein Geheimnis verrät Graf zum Schluss noch: „Ich habe nicht alle Filme angeschaut, die ich über die Jahre gezeigt habe“, sagt er und lacht.

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