Organspende Nur ein neues Herz hilft Laura noch

Von Frank Ruppert
Laura W. bei ihrem Urlaub in Peru. Vor der Erkrankung reiste sie gern und trieb viel Sport.⇥ Foto: Laura W.

Der Bundestag diskutiert über eine Neuregelung des Transplantationsgesetzes. Am Fall von Laura W. zeigt die BZ, wie es ist, plötzlich auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein.

Einzige Überlebenschance: ein neues Herz. Diese Diagnose seiner 33-jährigen Frau hat den Kornwestheimer Tobias S. (Name der Redaktion bekannt) vergangene Woche dazu veranlasst, auf Facebook die Geschichte seiner Frau zu teilen und so für die Widerspruchslösung (Infokasten), die am Donnerstag im Bundestag debattiert wird, zu werben.

„Früher bin ich gejoggt, bin reiten gegangen, Fahrrad gefahren, die meisten Sportarten haben mir Spaß gemacht. Sport vermisse ich sehr“, erklärt Laura W. im Gespräch mit der BZ. 2018 habe sie dann gemerkt, dass sie ihre Joggingstrecke nicht mehr schafft, schnell aus der Puste war und sich abgeschlagen fühlte. Es folgten ein Arztbesuch und die Diagnose Kardiomyopathie, eine Herzerkrankung, die zur Folge hat, dass das Herz immer schwächer wird. „Das hat mir und meinem Mann den Boden unter den Füßen weggehauen“, erinnert sich W. heute an das Gespräch mit dem Arzt. Man rechne als vermeintlich gesunder Mensch, der sich bisher immer alle Wünsche erfüllen konnte, nicht damit, dass irgendetwas dazwischen kommen könnte, sagt sie. „Und dann sitzt da ein Arzt und sagt einem, dass alles ganz anders kommt, dass man keine Kinder austragen können wird, dass man mit dem eigenen Herz nicht mehr lange leben können wird und eine Transplantation braucht.“

Nach der Diagnose wurde sie erst mal behandelt und medikamentös eingestellt. Es habe gedauert, bis sie Medikamente gefunden habe, die sie gut vertragen habe. Als sich ihr Zustand dann 2019 immer weiter verschlechterte, wurde sie im Juni auf die Transplantationsliste gesetzt. Obwohl sie in Stuttgart lebt und es in Freiburg und Heidelberg Zentren für Herztransplantationen gibt, steht die gebürtige Berlinerin in der Hauptstadt auf der Liste, weil dort ihre Familie lebt. Im Rahmen einer Transplantation sei man monatelang in der Klinik, da sei es für sie wichtig, ihre Familie um sich zu haben.

Vor etwa einem halben Jahr habe sie aufhören müssen zu arbeiten und heute strengen selbst einfachste Tätigkeiten sie über die Maßen an. Das Leben auf der Warteliste fühle sich an, als sei man kaltgestellt und das Leben um einen herum laufe ohne einen weiter. „Man kann durch die Erkrankung ganz viele Dinge nicht mehr tun. Der Gedanke, man könnte es nicht schaffen, dass schon im nächsten Jahr alles vorbei sein kann, der begleitet einen Tag für Tag“, so W.

Wartezeit: sechs Jahre

Wie ihr Mann auf Facebook berichtet, habe ein Arzt ihr 2019 gesagt, dass sie in ein bis eineinhalb Jahren ein neues Herz brauche, die Wartezeit auf ein Organ betrage aber mindestens sechs Jahre. Die Hoffnung nicht zu verlieren, sei eine große Herausforderung. Insbesondere ihr Ehemann helfe da: „Egal wie schlimm es ist, er steht morgens auf, schaut mich an und sagt: ‚Schatz, wir schaffen das.’“

Die Widerspruchslösung könnte natürlich auch ihr helfen, aber es gehe um knapp 10 000 Menschen, von denen täglich drei versterben, weil das lebensrettende Organ fehlt, meint sie. „Die jetzige Regelung ist den Menschen, die auf der Warteliste versterben gegenüber nicht fair“, sagt W.

Funktionsoberarzt Alexander Kempf ist seit Anfang des Jahres Transplantationsbeauftragter an den RKH Kliniken im Landkreis. Für ihn wäre die Widerspruchslösung deshalb begrüßenswert, weil die Menschen dann gezwungen wären, sich mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen und sich Gedanken zu machen, was sie wollen. Zudem sei es eine Entlastung für Angehörige, wenn sie nur noch gefragt würden, ober der Patient sich gegen eine Organspende ausgesprochen habe. Aktuell müssten sie noch erklären, ob er eine Organspende gewollt hätte. Das bürde den Angehörigen in einer ohnehin schwierigen Situation noch mehr auf. Im Landkreis gebe es pro Jahr fünf bis zehn potentielle Spenderfälle. Vor Ort wird nur die Entnahme erledigt, das Einsetzen des Organs geschieht in speziellen Zentren und nach den Vorgaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).

Auch die DSO sieht die Widerspruchslösung als Chance. Mit 11,2 Spendern pro einer Millionen Einwohner sei Deutschland im internationalen Vergleich eines der Schlusslichter. Mit 10,6 Spendern liegt Baden-Württemberg sogar noch unter dem Bundesdurchschnitt. Jeder der bundesweit 932 Spender hat im Durchschnitt mehr als drei schwerkranken Patienten eine neue Lebenschance geschenkt, so die DSO.

Gleichzeitig waren zum Jahresende jedoch mehr als 9000 Menschen für eine Transplantation registriert. Der tatsächliche Umfang der Patienten, die von einer Organtransplantation profitieren könnten, sei jedoch weitaus größer. So fielen jährlich 1000 Patienten wegen der Verschlechterung ihrer Gesundheit von der Transplantationsliste. Außerdem könnte etwa der Hälfte aller Dialysepatienten mit einer neuen Niere geholfen werden, wenn die Wartezeit von derzeit im Schnitt acht Jahren verkürzt werden würde.

Das denken die Abgeordneten aus dem Landkreis über die Doppelte Widerspruchslösung

Nach dem Gesetzentwurf zur doppelten Widerspruchslösung gilt jede Person als Organ- oder Gewebespender, es sei denn, es liegt ein erklärter Widerspruch oder ein entgegenstehender Wille vor. Ist dies nicht der Fall, ist, anders als bei der bisherigen Entscheidungslösung, eine Organ- und Gewebeentnahme bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zulässig. Für die Widerspruchslösung soll auch ein neues Register eingeführt werden, in dem die Bürger ihre persönliche Erklärung zur Organspende eintragen lassen können.

Für ein Register ist auch ein abweichender Gesetzentwurf von einer anderen Gruppe von Abgeordneten. Diese wollen aber keine Zustimmung in der Nichtregistrierung sehen, sind aber für verstärkte Information über das Thema.

Die BZ hat die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis gefragt, wie sie abstimmen werden. Eberhard Gienger (CDU) gehört zu den Unterzeichnern des Widerspruchlösung-Entwurfs: „Ich unterstütze den Gruppenantrag zur sogenannten Doppelten Widerspruchslösung. Die Zahl der Organspender ist die letzten Jahre tendenziell gesunken, während rund 10 000 Menschen auf eine Organspende warten.“ Der Vorteil des neuen Entwurfs sei, dass die Menschen über das Thema nachdenken müssen.

Martin Hess (AfD) sagt: „Die AfD-Bundestagsfraktion lehnt die Widerspruchslösung der Bundesregierung ab. Dass sich die Mehrheit der Bürger bislang nicht zur Organspende bereit erklärt, liegt nicht an mangelnder Regulierung, sondern an mangelndem Vertrauen.“

Sein Parteikollege Marc Jongen sieht das ähnlich: „In Übereinstimmung mit der Generallinie meiner Partei lehne ich es entschieden ab, dass jeder automatisch bis auf Widerspruch Organspender wird. Der staatliche Zugriff auf das Individuum geht mir hier entschieden zu weit. Ich unterstütze die aktuelle Regelung, allerdings mit einigen Modifikationen.“

Gegen die Widerspruchslösung ist auch Steffen Bilger (CDU): „Ich möchte, dass diese Entscheidung eine freiwillige Entscheidung bleibt, die ausdrücklich erklärt werden muss. Auch ich sehe Handlungsbedarf, denn die Zahl der Organspenden ist noch lange nicht ausreichend. Deswegen unterstütze ich den Gesetzentwurf ,zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende’, der dafür sorgen wird, dass sich die Bürger regelmäßig mit der Thematik auseinandersetzen müssen.“

 
 
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