Patientenversorgung – Wie viele Ärzte braucht die Region? (Teil 1) Ziel der Ärzteplanung: Sparen

Von Claudia Mocek
Die meisten medizinischen Bereiche sind im Kreis Ludwigsburg überversorgt – auf dem Papier.⇥ Foto: dpa

Wieviele Ärzte sich im Kreis niederlassen dürfen, wird berechnet. Doch diese bundesweite Planung ist kompliziert – und umstritten.

Frauen-, Augen- und Kinderärzte: Der Kreis Ludwigsburg ist in fast allen medizinischen Ausrichtungen gut aufgestellt. Das behauptet zumindest die aktuelle Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KV): 17 von 21 Fachbereiche enthalten Werte über 110 Prozent und gelten damit als „überversorgt“. Aber wie kann es dann sein, dass Frauenärzte im Kreis keine neuen Patientinnen aufnehmen oder man auf einen Termin beim Facharzt lange warten muss?

Die Antwort weiß KV-Sprecher Kai Sonntag: „Es war nie das Ziel der Bedarfsplanung, dass jeder Patient rasch einen Arzttermin bekommt.“ Das Ziel der Planung, die in den 1990er-Jahren eingeführt wurde, war es, Kosten zu sparen. Man habe die Zahl der niedergelassenen Ärzte beschränkt, um zu verhindern, dass Patienten zu oft zum Arzt gehen – „eine künstliche Verknappung von Ressourcen“, sagt Sonntag.

Gesetzlich vorgegeben

Aber, so stellt er klar, „das ist keine Schikane der KV, sondern gesetzlich so vorgegeben.“ Ein Bundesausschuss aus KV, Ärzten, Krankenhäusern und Patietenvertretern entscheide über die Planungen. Die Art der Berechnung des Arzt-Einwohner-Verhältnisses sei mehrfach angepasst worden, „ob sie damit besser ist, ist eine andere Frage“, sagt Sonntag. Sie ist „so richtig, wie sie falsch ist“ – weil es keinen wissenschaftlich abgesicherten Modus der Berechnung gebe.

Die Bedarfstabelle werde dreimal pro Jahr aktualisiert. Derzeit ist der Kreis zum Beispiel in den Fachausrichtungen Augenärzte (112 Prozent), Frauenärzte (115,9 Prozent) und Kinderärzte (113,1 Prozent) überversorgt. Lediglich in den Bereichen Psychotherapie, Jugendpsychiater, Nuklearmedizin und Rehamedizin gibt es eine Unterversorgung.

Ob durch diese Bedarfsplanung Kosten eingespart werden, „weiß kein Mensch“, gibt Sonntag zu. Die Zahlen würden exakt klingen, seien aber nur Annäherungen. Ein Frauenarzt, der in einer Kinderwunschpraxis arbeitet, behandle im Schnitt weniger Patientinnen, als ein Frauenarzt ohne diese Spezialisierung. Aber darauf nehme die Tabelle keine Rücksicht.

Die Bedarfsplanung werde kontrovers diskutiert, sagt Sonntag. Für die KV sei es das verbindliche Planungsinstrument. Eines, das auch vieles erschwere, etwa eine Praxisübergabe. Für manche Ärzte wirke sich das Planungsinstrument aber auch positiv aus, weil es Konkurrenz fernhalte.

Von einer Überarbeitung der Vorgaben hält Sonntag nicht viel. Die letzte Reform habe fünf Jahre gedauert, und danach sei es nicht besser geworden als zuvor. Selbst wenn die Verhältniszahl halbiert würde, „stehen die Frauenärzte bei uns dann nicht Schlange“. Aber auch die Patienten verhalten sich nicht wie geplant, wenn sie etwa Ärzte in anderen Landkreisen aufsuchen.

AOK: Wartezeiten unter dem Durchschnitt

Auch wenn es Wartezeiten bei Fachärzten gibt, sieht die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) in Ludwigsburg laut einer Sprecherin darin kein „generelles und flächendeckendes Problem, sondern unterschiedlich nach Region oder Fachgruppe“. Im internationalen Maßstab seien die Wartezeiten in Deutschland weit unterdurchschnittlich. Im Südwesten habe die AOK mit Hausärzteverband und Mediverbund den ambulanten Zugang durch die Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) verbessert. Dies vermindere unkoordinierte Arzttermine von Patienten – als eine Ursache von Wartezeiten.

 
 
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