Petra Tür aus Bietigheim arbeitet als Schöffin „Gesunder Menschenverstand reicht“

Von Claudia Mocek
Zwölf Fällen pro Jahr begleitet Petra Tür aus Bietigheim-Bissingen als ehrenamtliche Schöffin am Landgericht Heilbronn.⇥ Foto: Martin Kalb

Schöffen sollen in Verhandlungen den Blick der Berufsrichter ergänzen. Die Bietigheimerin Petra Tür übt ihr Amt  schon seit 2013 am Landgericht Heilbronn aus.

Wir haben das volle Stimmrecht, genau wie der Richter“, sagt Petra Tür. Die 51-Jährige aus Bietigheim-Bissingen arbeitet seit 2013 als Schöffin am Landgericht in Heilbronn – und ist begeistert. In den Verhandlungen, an denen sie bisher als ehrenamtliche Richterin beteiligt war, ging es zum Beispiel um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, schwere Körperverletzung, Drogenhandel oder Betrug.

Der Tandempartner

Während der Verhandlung müsse sie manchmal schlucken, gibt sie zu. Über die Geschichten, die man zu hören bekommt, und auch darüber, welche Wendungen das Leben manchmal nimmt. Vor allem bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sei es ihr schon so gegangen. Dennoch ist sie auch während ihrer zweiten Amtszeit überzeugt dabei. Das liege vor allem an den Richterinnen und Richtern. „Alle sind zwar sehr unterschiedlich, aber sie gehen stark auf die Angeklagten ein und versuchen, ihnen zu helfen“, lobt Tür, die gemeinsam mit einem weiteren Schöffen und drei Berufsrichtern Verhandlungen der Großen Strafkammer des Schwurgerichts begleitet.

Die Zusammenarbeit mit ihrem Schöffen-Tandempartner mache ihr viel Spaß, „wir kommen sehr gut miteinander aus“, sagt sie. Ein Jahr lang arbeiten zwei Schöffen als feste Partner bei Gericht zusammen. Besonders beeindruckt hat Petra Tür auch ihre Einführungsveranstaltung 2013, die damals im Heilbronner Gefängnis stattfand. Die Schöffen konnten dabei einen Blick in eine Zelle werfen. Petra Tür fand das wichtig, um einen Einblick darin zu erhalten, was einem Angeklagten drohen kann.

Aktenstudium ist kaum nötig

Ein großes Aktenstudium sei im Vorfeld einer Verhandlung eher selten, sagt Tür. Auf der Homepage des Landgerichts informiere sie sich in der Prozessvorschau über die Anklagepunkte, denn aus der Ladung, die die Schöffen erhalten, gingen diese nicht hervor.

Bei umfangreichen Prozessen bekommen die Schöffen vorab Akten ausgehändigt, die vor dem Prozess gelesen werden müssen. Teilweise erhalten die ehrenamtlichen Richter auch Akten zum Selbststudium in Sitzungspausen während einer laufenden Verhandlung.

Bevor ein Prozess beginnt, sprechen sich die ehrenamtlichen Richter mit dem Berufsrichter kurz ab. Längere Besprechungen seien nicht nötig, da der Richter alles, was für die Verhandlung nötig sei, vorlese. „Eine rechtliche Vorbildung ist für Schöffen nicht nötig“, sagt Tür, „es reicht der gesunde Menschenverstand“. Als Vertreter des Volkes sollen die Schöffen nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Rechtliche Vorbildung sei ausdrücklich nicht erwünscht.

Bei der Urteilsfindung tauschen sich Schöffen und Richter aus. Dabei skizziere der Berufsrichter den groben Rahmen, der für die Straftat angemessen ist. In der Diskussion sind sich die beiden Schöffen und die Richter meistens einig, sagt Petra Tür, auch wenn über das Urteil diskutiert wird.

Und wie wird man Schöffe? Als Petra hörte, dass Schöffen gesucht werden, hat sie sich auf die Vorschlagsliste der Stadt Bietigheim setzen lassen, erzählt Petra Tür. Einmal zur Schöffin bestellt, werden die Gerichtstermine ausgelost, zwölf Termine pro Jahr. „Diese muss man sich dann freihalten“, sagt sie.

1000 Euro Strafe werden fällig

Auch der Arbeitgeber müsse einen dafür freistellen. „Die Arbeitszeit bekomme ich gut geschrieben“, sagt Tür, die im Hauptberuf Beamtin im gehobenen Dienst bei einer Sozialversicherung ist. Wer als Schöffe bei einem Termin unentschuldigt fehlt, müsse bis zu 1000 Euro Strafe zahlen.

Im ersten Coronajahr 2020 habe es so gut wie keine Gerichtstermine gegeben, seit 2021 laufen die Verhandlungen wieder normal. Deshalb freut sich Petra Tür auf den nächsten Termin im Mai, wenn sie ihrer Verpflichtung als ehrenamtliche Richterin endlich wieder nachkommen kann.

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