PKC Freudental Als beinahe die Synagoge brannte

Von Susanne Yvette Walter
Viele Besucher kamen am Abend des 10. November zur ehemaligen Synagoge nach Freudental, um an die Ereignisse Foto: /Oliver Bürkle

Schüler führen am Ort des Geschehens die jüdische Leidensgeschichte vor.

Als es dunkel wird am Freitagabend umgibt ein Lichtermeer die ehemalige Synagoge in Freudental. Es entsteht, weil Dutzende Bürger aus Freudental und Umgebung Kerzen hochhalten, Kerzen gegen das Vergessen.

Schüler aus zwei Schulen erinnern an die Geschehnisse

Am 10. November 1938 sollte die Synagoge in Freudental abgefackelt werden. 85 Jahre später erinnern Schüler der Geschichts-AG an den Ellental-Gymnasien in Bietigheim-Bissingen und Schüler der Kirbach-Werkrealschule Hohenhaslach an die Schreckensnacht und ihre Folgen vor der ehemaligen Synagoge. Sie führen den Umstehenden vor Augen, wie Kinder plötzlich vom Sport ausgegrenzt und diskriminiert wurden. Sie verfolgen die Leidensgeschichte jüdischer Mitbürger bis zur Endstation Konzentrationslager in verteilten Rollen.

„Wir kooperieren mit acht Schulen und zwei davon engagieren sich heute hier“, erklärt Michael Volz, Leiter für Pädagogik und Kultur im Pädagogisch-Kulturellen Centrum Ehemalige Synagoge. Das Anspiel erinnert daran, wie vor 85 Jahren SA-Leute in Zivil aus Ludwigsburg vor den Augen vieler Freudentaler dem Bürgermeister und dem Schulleiter folgten und das Dach der Synagoge einschlugen, das Mobiliar beschädigten. „Jüdische Männer wurden gezwungen, Gebetsbücher herauszubringen und Thorarollen. Zusammen mit dem Holz aus der Dachkonstruktion der Synagoge wurde alles auf dem Sportplatz verbrannt“, lässt Michael Volz die Umstehenden wissen. Nur den ehemaligen Nachbarn der Synagoge war es zu verdanken, dass diese nicht abgebrannt wurde, aus Sorge, dass das Feuer auf die nebenstehenden Häuser übergreift.

„Jüdische Ärzte dürfen lediglich jüdische Mitbürger behandeln“, ruft ein Schüler ins Gedächtnis. Die Schüler auf den Treppen zur Synagoge zeigen auch, wie sich die Spirale des Hasses damals nach oben schraubte: „Wir wurden geschlossen auf das Rathaus geführt, mussten die Staffel hinauf gehen und schreien: Wir Juden sind alle Verbrecher und müssen zum Teufel gejagt werden“, heißt es in einer Quelle des Juden Julius Stein von 1947, die ein Schüler zitiert.

Zur Analyse der Judengeschichte gehört auch, die geschönte Bilanz des Deutschen Reichs nicht zu verschweigen. Lediglich von 91 Mordfällen ist die Rede, dafür aber von mindestens 267 zerstörten Synagogen und von 7500 zerstörten Geschäften. Transportzahlen ins Konzentrationslager werden genannt und geschönt und machen noch immer Gänsehaut.

Sich gegen Hass und Gewalt einsetzen

Schweigend wandert die Menschentraube mit Bürgermeister Alexander Fleig und PKC-Leiter Michael Volz zum Rathaus. Im Raum steht die Frage: Warum sind Sie heute hier? „An diesem historischen Tag denken wir an diese Zeit des Leides und des Schmerzes. Der 10. November ist eine Mahnung, sich gegen Ausgrenzung, Antisemitismus, Hass und Gewalt einzusetzen. Für die grausamen Verbrechen der Nazis können wir alle nichts. Wir tragen aber eine große Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert und deshalb stehe ich heute hier“, erklärt Bürgermeister Alexander Fleig an der Schwelle zum Rathaus. Ihm folgt Gemeinderätin Karlin Stark: „Wir müssen aus der Geschichte lernen, und wir dürfen nicht mehr in die Ausgrenzung verfallen. Deshalb stehe ich heute hier.“ Bürgermeister Albrecht Dautel aus Bönnigheim gehört ebenfalls zu den Rednern.

„Die aktuelle Situation in Israel ist erst Gegenstand der nächsten Veranstaltung“, sagt Michael Volz und weist auf einen Vortrag über die politische Geschichte des Nahen Ostens hin am Sonntag, 26. November, um 18 Uhr im PKC Freudental. Der Orientalist Matthias Hofmann beleuchtet aktuelle Entwicklungen, seitdem der Krieg im Gaza-Streifen ausgebrochen ist.  Susanne Yvette Walter

 
 
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