Die Augen brennen, die Nase ist dicht, das Atmen fällt schwer: Wenn Pflanzen blühen und sprießen, leiden Allergiker. Warum die menschliche Gesundheit manchmal schwer mit dem Artenschutz zu vereinbaren ist, zeigt ein Beispiel aus Kornwestheim.
Pollensaison im Kreis Ludwigsburg Zwiespalt Blühflächen: Warum Städte auf Kosten der Artenvielfalt mähen müssen
In Kornwestheim wurde zum Ärger einer Anwohnerin ein lebendige Blühfläche abgemäht. Doch die Lage ist komplex – die Interessen von Natur und Mensch stehen sich gegenüber.
Ein kleines Idyll hat Kirsten Feth vor wenigen Wochen in der Hermannstraße entdeckt. In einem städtischen Beet vor der Seniorenwohnanlage sah sie Gräser und Pflanzen wie Salbei und Flockenblumen. „Es hat gesummt, wenn man die Straße entlanggelaufen ist“, sagt sie. Bienen, Hummeln und Schmetterlinge tummelten sich dort. Auch Distelfinken hat die Kornwestheimerin beobachtet. Doch wenige Tage später musste sie feststellen, dass radikal gemäht wurde, bevor die Blüten Samen ansetzen konnten. „Nun gibt es nur noch Müll und Hundekot“, sagt Feth bedauernd.
Zu viele Pollen für die Anwohner
Zum zweiten Mal in Folge hat die Kornwestheimerin das Phänomen beobachtet. Sie ist ratlos über das Vorgehen der Stadtgärtnerei. „Gerade in der Nähe des Bahnhofs, wo viel zugepflastert ist, war es vorher schön grün“, meint die Anwohnerin. Wollte die Stadt sich nicht für den Naturschutz einsetzen? Wie geht das zusammen?
Hintergrund der Mähaktion sind Beschwerden von Bewohnern der Seniorenwohnanlage, darunter Menschen mit Lungenkrankheiten. Sie haben sich an die Stadtgärtnerei gewandt und über die Pollenkonzentration beklagt, erklärt Christian Lang, der Leiter der Stadtgärtnerei. In dem Staudenbeet habe es einen hohen Anteil an Wildsamen gegeben. Während der langen Trockenheitsphase hätten die Anwohner über Atemprobleme geklagt. Um ihnen Linderung zu verschaffen, wurde schnell gemäht.
Beet soll umgestaltet werden
„Natürlich soll die Fläche nicht brach liegen“, sagt Lang. Ziel sei es, sie im Herbst umzugestalten und dort Pflanzen mit geringerer Pollenintensität anzusiedeln, die ebenfalls eine Bereicherung für die hiesigen Lebewesen sind. Eine entferntere Grünfläche in der Hermannstraße war von der Aktion nicht betroffen.
Wie der Leiter betont, spielt die biologische Vielfalt bei der Arbeit der Stadtgärtnerei insgesamt eine wichtige Rolle. „Ein zentrales Anliegen ist es, Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und neu zu schaffen“, heißt es auf Anfrage. Rasenflächen werden inzwischen deutlich seltener gemäht, damit Insekten, Vögel und sonstige Kleintiere Lebensraum und Nahrung finden. Bereiche, auch versiegelte Flächen, werden in naturnahe Blumenwiesen umgewandelt, in diesem Jahr unter anderem im Obstgarten, in der Güterbahnhofstraße und der Stuttgarter Straße.
Auch Ludwigsburg und Marbach nehmen auf Allergiker Rücksicht
Wie eine Anfrage unserer Zeitung zeigt, muss das Thema Artenvielfalt zugunsten der menschlichen Gesundheit auch in anderen Städten zurückstecken. In Marbach wird bei Neupflanzungen auf städtischen Flächen darauf geachtet, dass pollenintensive Bäume und Gehölze wie Birke, Erle, Haselnuss und Esche nicht mehr zum Einsatz kommen.
Das sei vor allem bei Schulen und Kindergärten der Fall. Dort und auf den Friedhöfen werde der Rasen zudem häufig gemäht. Allerdings plant die Schillerstadt dennoch, die Zahl der artenreichen Blühwiesen auszuweiten. Solche gibt es bereits in den Parkanlagen auf der Schillerhöhe und beim L’Isle-Adam-Park beim Bahnhof.
Auch in der Stadt Ludwigsburg setzt die Grünpflege in sensiblen Bereichen wie rund um Schulen und Kitas auf häufigeres Mähen und weniger pollenintensive Pflanzen. Zu Beschwerden von Allergikern und Lungenkranken komme es aber nur selten. „Bislang liegen uns in diesem Zusammenhang nur vereinzelt Anfragen vor – vor allem im Hinblick auf Bäume, die vor Wohngebäuden gepflanzt wurden“, teilt die Pressestelle mit.
Für die biologische Vielfalt werden auch in der Barockstadt Lebensräume für Insekten geschaffen, aus Platzgründen jedoch vorwiegend in Parks und in Randbereichen außerhalb der Innenstadt.