Porsche Consulting zur Zukunft der Arbeit „Das Arbeiten wird attraktiver“

Von Claudia Mocek
Das Arbeiten wird künftig flexibler, was Ort und Zeit angeht. Außerdem wird es in den Unternehmen weniger hierarchisch als bisher zugehen.⇥ Foto: Google

Wie wird das Arbeiten von Morgen aussehen? Zum Tag der Arbeit hat die BZ mit einem Experten für Veränderungsprozesse gesprochen.

Mit Dr. Wolfgang Freibichler von der Managementberatung Porsche Consulting in Bietigheim-Bissingen  hat die BZ über flexibleres Arbeiten, den Stellenwert von Gehalt, den Abbau von Hierarchien und anderen Trends gesprochen.

Wie wird der Arbeitsalltag in zehn Jahren aussehen?
Dr. Wolfgang Freibichler: Das Arbeitsleben wird deutlich attraktiver für die Mitarbeitenden werden. Die Generation der Babyboomer, die sich vorrangig über die Karriere definierte und oft einem hohen Maß an Stress ausgesetzt war, verabschiedet sich in den Ruhestand. Die Generation ihrer Kinder möchte mehr Freude am Beruf und eine inspirierende, zukunftsorientierte Arbeitswelt erleben – auch mit Blick auf die eigene Gesundheit.

Zu beobachten ist ein starker Trend hin zu einer Flexibilisierung – des Ortes und der Zeiten von Arbeit. Außerdem ändert sich die Organisation – es wird weniger hierarchisch, bürokratisch und viel dynamischer. Dadurch kann sich der oder die Einzelne besser einbringen. Auch das Verhältnis zum Vorgesetzten wird ein anderes sein, es wird partnerschaftlicher und nicht mehr so direktiv. Die Führungskräfte müssen stärker auf jeden einzelnen Mitarbeitenden schauen und dafür sorgen, dass man den Teammitgliedern im Sinne des Unternehmens gerecht wird.

Woher kommt das?
Auf der einen Seite findet ständig technologischer Wandel statt. Der Innovationsdruck steigt. Jedes Unternehmen muss schneller werden. Dabei kann man nicht immer alles planen und kontrollieren. Auf der anderen Seite sind dies die Erwartungen der Menschen an ihren Arbeitsalltag. Um attraktiv zu sein, müssen sich Unternehmen dem stellen, was den Menschen wichtig ist.

Wie kann das gelingen?
In den Chefetagen muss in drei Bereichen ein Umdenken stattfinden: Bei den Kompetenzen, der Arbeitsorganisation und der Führung. Zu den Kompetenzen: Die Zeiten, in denen man eine Ausbildung gemacht hat und damit ein Berufsleben lang durchgekommen ist, sind vorbei. Jetzt geht es um lebenslanges Lernen. Dafür brauchen die Unternehmen ein hochwertiges innerbetriebliches Weiterbildungsangebot.

Der zweite Aspekt betrifft die Arbeitsorganisation: Es wird immer weniger so sein, dass man alleine an einer Aufgabe arbeitet oder nur im eigenen Team. Die Arbeitsorganisation wird zu einer weit übergreifenden Netzwerkstruktur. Das heißt: Es geht weg von der klassischen Pyramide, bei der die Aufgaben von oben nach unten verteilt werden.

Der dritte Punkt betrifft den Wandel in der Führung. Der Chef verteilt nicht mehr Arbeitsaufträge als ,So-wird-es-gemacht‘-Ansagen: Er entwickelt Arbeitsweisen und Veränderungen partnerschaftlich mit seinem Team. Das zeigt auch unsere repräsentative Forsa-Umfrage: Das Risiko, dass Belegschaftsmitglieder ein Unternehmen verlassen, ist fast viermal so hoch, wenn die Führungskraft gar nicht an der Meinung der Mitarbeitenden interessiert ist. Wenn der Chef wenig lobt, ist es dreimal so hoch.

Hat die Arbeit einen anderen Stellenwert als früher?
Nein, das sehe ich nicht. Das Arbeitsleben wird sich grundsätzlich ändern. In der Breite wird es unternehmerischer. Das hat für die Belegschaft Vorteile, weil es mehr Freiheiten bedeutet. Aber es fordert auch viel von ihnen. Das lebenslange Lernen ist etwas, was extrem herausfordernd sein kann. Und wenn man zum Beispiel in Netzwerken arbeitet und unterschiedliche Führungskräfte mit verschiedenen Prioritäten hat, dann ist das schwerer, als wenn der Chef sagt: Das ist deine Aufgabe, kümmere dich darum.

Spielt die Bezahlung künftig eine andere Rolle als bisher?
Dass das Gehalt nicht mehr ganz so wichtig ist, gilt erst ab einem gewissen Gehaltsniveau. Es gibt viele Leute, die primär für das Geld arbeiten, insbesondere um den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Es gibt bei den Besserverdienenden aber auch diejenigen, für die Geld nicht der Hauptmotivator ist.

Wie wird sich die höhere Flexibilität beim Arbeiten gesellschaftlich auswirken – Stichwort Care-Arbeit?
Das örtlich und zeitlich verteilte Arbeiten ist auch für dieses Thema eine Riesenchance, weil nicht mehr erwartet wird, dass man für alles ins Büro kommt und man zum Beispiel den Kindern deshalb Mittagessen machen kann. Die Herausforderung: Es gibt eine engere, bedarfsorientierte Vermischung zwischen Privat- und Arbeitsleben. Ein gutes Beispiel für den stärkeren unternehmerischen Anteil beim Arbeiten: Der Unternehmer hat noch nie gesagt, es ist Punkt 17 Uhr, ich höre jetzt auf zu arbeiten. Er hat aber auch keinen Urlaub nehmen müssen, wenn er unter der Woche zwei Stunden etwas Privates gemacht hat. Das ist das, was dann für alle im Betrieb gilt. Die Herausforderung wird sein, mit dieser Komplexität und Selbstbestimmtheit umzugehen. Das ist eine Kompetenz, die man lernen muss.

Fällt größeren Firmen die Umstellung leichter?
Große Unternehmen haben den Luxus, dass sie Zeit und Menschen haben, die Strategien für die Zukunft entwickeln. Dort hat sich schon viel getan. Im Mittelstand ist man häufig bis zur obersten Ebene im Tagesgeschäft gefangen, so dass für diese Themen die Zeit fehlt. Das ist aber eine Spirale. Wenn die Führungskraft sich weiter um alles kümmert, Hierarchien nicht abgebaut werden und nicht delegiert wird, dann wird sich kein Wandel einstellen. Vielen kleinen, auch Inhaber geführten Unternehmen, fällt es jedoch schwer, das zeigen unsere Untersuchungen: Beim Abbau von Hierarchien sind sie deutlich weniger erfolgreich als andere.

Inwiefern sind diese Entwicklungen nötig, um den Mangel an Fachkräften zu bewältigen?
Der Punkt ist extrem wichtig. Die Unternehmen, die den Wandel nicht meistern, sind nicht mehr attraktiv für Fachkräfte. Das erleben wir jetzt schon. Einigen Familienunternehmen gelingt es sehr gut, ihre Werte, die ja in der Regel ein guter Kompass sind, neu zu interpretieren. Bei anderen Familienunternehmen aber gibt es noch ein relativ traditionelles, konservatives Verständnis davon, wie gute Arbeit funktioniert. Das muss man neu interpretieren, weil es die junge Generation einfordert. Manchen gelingt das sehr gut, viele andere kämpfen damit – vor allem dort, wo die alte Generation nicht loslässt.

Haben Familienunternehmen künftig das Nachsehen?
Nein. Andere Unternehmen können von ihnen auch lernen. Wir haben Führungskräfte danach befragt, wie sie die Kommunikation bewerten. 35 Prozent der Führungskräfte in Familienunternehmen haben sie mit „sehr gut“ bewertet und bei Nicht-Familienunternehmen waren es nur 19 Prozent.

Die Frage, wie gut die Führung ist, haben 45 Prozent der Führungskräfte aus Familienunternehmen mit „sehr gut“ beantwortet und bei anderen Unternehmen waren es nur 23 Prozent. Das zeigt, dass das Thema Unternehmenskultur eine große Bedeutung hat. Je weniger direktiv geführt wird, umso mehr dient sie als wichtige Orientierung für alle. Eine solche natürlich gelebte Kultur haben viele Familienunternehmen. Aber sie müssen aufpassen, dass sie nicht als altmodisch wahrgenommen werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

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