Prozess um Brandstiftung in Bietigheim-Bissingen „Die Löcher haben mich fertiggemacht“

Von Petra Häussermann
Ein 50-Jähriger soll 2024 den Brand gelegt haben. Foto: /Martin Kalb

Ein 50-Jähriger steht vor dem Landgericht Heilbronn. Er soll absichtlich seine Wohnung in der Gartenstraße in Bietigheim-Buch im September 2024 in Brand gesetzt haben.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Aus Ärger über seine Vermieter soll ein 50 Jahre alter Mann seine Wohnung in der Gartenstraße in Bietigheim-Bissingen im vergangenen Jahr in Brand gesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft hat ihn deshalb wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Mordes angeklagt. Am Mittwoch wollte sich der gebürtige Syrer selbst am Landgericht Heilbronn äußern und verwarf die vorbereitete Erklärung seines Anwaltes.

Angeklagter äußert sich selbst

„Die Löcher in der Decke haben mich fertiggemacht, und etwa 20 Leute, Arbeiter vom Hausbesitzer, haben mich verfolgt“, sagte der 50-jährige im Gerichtssaal und gestikulierte dabei mit seinen Händen. Ob die Löcher denn nicht von den Lampen kämen, fragte der Vorsitzende Richter der 1. Schwurgerichtskammer, Dr. Martin Liebisch vorsichtig nach. „Aber nein, die Löcher sind neben den Lampen, die habe ich ja weggemacht und geprüft, ob die etwas hineingetan haben, Kameras oder etwas zum Abhören“, berichtete der Angeklagte voller Inbrunst.

Laut Anklage hat der Vater zweier Töchter am Morgen des 9. September 2024 ganz bewusst ein Feuer in seiner Wohnung im 1. Obergeschoss entfacht, um das Mehrfamilienhaus in Bietigheim-Bissingen unbewohnbar zu machen. Dabei hat er der Staatsanwaltschaft zufolge billigend in Kauf genommen, dass vor allen Dingen die Bewohner des Dachgeschosses in Gefahr geraten. Diese Bewohner, eine Frau und ihre beiden Kinder, wurden erst durch einen Anruf der Vermieter aus dem Schlaf gerissen, konnten sich jedoch noch unverletzt in Sicherheit bringen.

Angeklagter zündet Kerze an

„Ich habe im Wohnzimmer eine Kerze angezündet und ein Handtuch an die Flamme gebracht, dass ich dann auf den Teppichboden legte“, erzählte der seit dem Brand in Haft sitzende Mann weiter. „Ich habe nicht die Absicht gehabt, das Haus anzuzünden, ich wollte mich an mir selbst rächen, mir selbst wehtun.“ Tatsächlich aber schnappte er seine beiden Töchter und floh mit ihnen auf das Dach des Nebengebäudes. Am Mittwoch nun hörten die Prozessbeteiligten acht Zeugen, darunter auch die 16 und 22 Jahre alten Töchter und die Frau des Angeklagten, die allesamt von ihrem Recht Gebrauch machten, nicht vor Gericht auszusagen und auch ihre Vernehmungen bei der Polizei nicht freizugeben. Eindringlich beschrieben dagegen die drei Familienmitglieder aus der Dachgeschosswohnung, wie sie das Ganze erlebt hatten.

Dabei stellte sich heraus, dass der Angeklagte bereits am Vorabend des Brandes offensichtlich streitlustig im Haus zwischen der Wohnung der Vermieter im Erdgeschoss und der Wohnung unter dem Dach herumgetigert war. Für die dreiköpfige Familie kam sein Ausbruch an Beleidigungen und Handgreiflichkeiten aus heiterem Himmel: „Ich habe keine Erklärung dafür, warum er das gemacht hat“, sagte die 62 Jahre alte Frau, die ebenfalls aus Syrien stammt. Als er gegen 21 Uhr an ihre Tür klopfte, habe sie zunächst gedacht, vielleicht braucht er etwas, und ihren Sohn zur Tür geschickt.

Bewohner zieht Polizei hinzu

Als der Nachbar sofort von Abhören faselte und den Sohn angriff, schaffte es der junge Mann, die Tür wieder zu schließen. Daraufhin startete der Angeklagte Schläge gegen die Tür und das Türschloss, stieß Beleidigungen aus und schmiss Gegenstände im Flur umher. Der 22-jährige Sohn rief mehrmals die Polizei an, die 45 Minuten später eintraf, den Angeklagten mitnahm, aber in der Nacht wieder gehen ließ.

„Niemand wollte mit mir reden und mir Bescheid über die Löcher geben, da war ich sehr verärgert“, räumte der Angeklagte ein und sagte weiter, „in der Nacht, in der der Brand zustande kam, war so viel Druck, der sich auf mich ausgewirkt hat.“ Als er von der Polizei in der Nacht zurückkam, habe er angefangen zu trinken und am Morgen die Kerze entzündet.

Spurlos ist an keinem der Bewohner des Hauses diese Nacht vorübergegangen. „Wir sind nicht mehr die Gleichen, wie zuvor, meine Mutter schläft kaum noch und ist in ärztlicher Behandlung, und meine Schwester traut sich am Abend nicht mehr allein aus der Wohnung“, berichtete der Sohn den Prozessbeteiligten. Seine Familie sowie die beiden Hausbesitzer nehmen am Verfahren als Nebenkläger teil.

 
 
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