Prozess zu Tat in Freiberg Rauferei oder versuchter Totschlag?

Von Henning Maak
Tatort S-Bahnhof Freiberg. Der Angeklagte steht im Verdacht, einen Kontrahenten aufs Gleis werfen zu wollen.⇥ Foto: Oliver Bürkle

Ein 20-Jähriger Mann soll versucht haben, einen Gleichaltrigen vor die S-Bahn zu werfen.

Was genau ist am Abend des 5. Oktober 2021 am S-Bahnhof in Freiberg passiert? Das versuchen Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung seit Dienstag in einem Prozess vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart herauszufinden. Auf der Anklagebank sitzt ein 20-jähriger Mann, die Staatsanwaltschaft wirft ihm vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung vor sowie versuchten Totschlag. Laut Anklage soll der Großbottwarer in der S-Bahn Streit mit seiner Freundin gehabt und diese auch geschlagen haben. Als sich ein anderer 20-Jähriger aus Pleidelsheim eingemischt habe, sei er gegen diesen ebenfalls handgreiflich geworden. Er habe ihm gedroht, in der videoüberwachten S-Bahn nichts zu tun, ihn am Bahnhof Freiberg aber „zu ficken“.

Dort angekommen, habe der Angeklagte sein Opfer zunächst geschubst und fast eine Treppe heruntergestoßen. Dieser sei dabei gestürzt und am Boden geschlagen und getreten worden. Als jemand gerufen habe, „die S-Bahn fährt ein“, habe der Angeklagte den Entschluss gefasst, seinen Kontrahenten umzubringen. Er habe den Pleidelsheimer in Richtung der Bahnsteigkante geschleift, wo ihn zwei Männer von hinten weggezogen hätten. Diese habe er ebenfalls mit Schlägen verletzt.

Angeklagter streitet ab

„Ich wollte nie jemanden umbringen. Ich war wochenlang schockiert, als ich das gehört habe“, erklärte der Angeklagte. Es sei ihm an dem Tag nicht gut gegangen, weil sein Bruder große Probleme gehabt habe. In der S-Bahn habe er seine hysterische Freundin nur beruhigen wollen. Als sich dann der 20-Jährige eingemischt habe, habe er ihm gesagt, er solle sich verpissen.

In Freiberg sei es zu einer Rangelei gekommen, er habe den anderen getreten und geschlagen und als dieser am Boden lag wieder hochzuziehen versucht, damit man weiter kämpfen könne. Dann sei er von hinten gewürgt worden und habe sich mit einem Schlag befreit, weil ihm schwarz vor Augen geworden sei. Er habe den Pleidelsheimer nie vor die Bahn werfen wollen.

Dieser erklärte jedoch, als er in Richtung der Bahnsteigkante geschleift worden sei, habe er auf Überlebensmodus umgeschaltet. „Ich dachte, wenn ich gleich runterfalle, muss ich mich von der Bahn wegdrehen“, erzählte er. Neben Prellungen an Brust und Rücken sowie Schürfwunden habe er Schlafstörungen gehabt, der Albtraum kehre bis heute immer mal wieder zurück. Der Angeklagte bat ihn um Entschuldigung. Der Prozess wird am 5. April fortgesetzt.

 
 
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