Reaktionen auf den Abbruch der Fußball-Saison Klassenerhalt wäre auch sportlich machbar gewesen

Von Andreas Eberle und Claus Pfitzer
Folgen des Abbruchs: Der SV Kaman Bönnigheim (links) steigt sicher nicht ab, die Spvgg Besigheim hat keine Aufstiegschance über die Relegation. Foto: Richard Dannenmann

Der geplante Abbruch der Saison 2019/20 ist für Vertreter von der Auf- und Abstiegsregelung direkt betroffener Vereine richtig

Der Antrag der baden- württembergischen Fußballverbände auf eine Beendigung der Amateur-Spielzeit 2019/20 zum 30. Juni – also faktisch ein Saisonabbruch – stößt bei vielen Vereinen auf Zustimmung. Dasselbe gilt für die Quotientenregelung, mit der die Aufsteiger ermittelt werden, sowie die Aussetzung des Abstiegs. Die BZ hat sich bei Klubs aus der Region umgehört.

„Das war die sinnvollste und intelligenteste Entscheidung, die der Verband treffen konnte. Jetzt haben die Vereine und Spieler Planungssicherheit“, sagt Christian Werner, Sportdirektor des SGV Freiberg. Als Liga, die unter dem Dach des DFB läuft, muss aber erst noch die Gesellschafterversammlung der Oberliga die angestrebte Wertung für die Spielzeit 2019/20 absegnen, was allerdings als Formsache gilt. Die finale Entscheidung fällt dann auf den drei außerordentlichen Verbandstagen des WFV und der beiden badischen Verbände im Juni (die BZ berichtete).

Die Freiberger Kicker waren als Drittletzter in den Abstiegskampf verwickelt. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Mannschaft und das Trainerteam den Abstieg auf dem Platz vermieden hätte“, stellt Werner fest. Als „unsäglich“ bezeichnet er das Vorgehen Bayerns, dessen Verband und Vereine ab 1. September den Spielbetrieb fortführen wollen. „Letztlich haben wir es hier mit höherer Gewalt zu tun. Das ist eine Situation, die man noch nie hatte und die hoffentlich auch nie mehr kommen wird“, so der SGV-Sportdirektor, der schon immer mit Blick auf Corona betont hatte, dass Gesundheit über allem stehe.

Auch für Trainer Alfonso Garcia vom FSV 08 Bissingen ist ein Abbruch der Saison alternativlos. Die Nullachter hätten durchaus noch eine Chance auf Platz zwei und die Aufstiegsrunde zur Regionalliga besessen. Garcia hätte sich allerdings gewünscht, dass bereits jetzt absolute Klarheit herrscht: „Die Entscheidung kommt zu spät. Das ist für die Vereine schwierig, die ja planen müssen. Es geht ja auch um die Sponsoren und darum, wie viel Geld zur Verfügung steht.“ Dass der Meister aufsteigen und es keine Absteiger geben soll, findet der 08-Coach in Ordnung: „Das ist dass Sinnvollste.“ Dieser Tage will sich der FSV 08 wegen der Hygienemaßnahmen mit der Stadt Bietigheim-Bissingen in Verbindung setzen und dann nach Möglichkeit ab Montag in Kleingruppen wieder mit dem Training am Bruchwald beginnen.

Die Frauen des FV Löchgau würden als Tabellenletzter der Oberliga vom ausgesetzten Abstieg profitieren. „Für uns wäre das natürlich eine ganz glückliche Situation, so  wie wir im Moment dastehen. Wir wären froh, wenn das die Delegierten so entscheiden“, sagt Stefanie Schuster. Die Teamleiterin  der FVL-Frauen ist überzeugt, dass es sportlich mit dem Klassenerhalt geklappt  hätte: „Wir haben eine junge Mannschaft, die im Umbruch ist und Zeit gebraucht hat. Es gab viele enge Spiele, die wir verloren haben. So wie die Vorbereitung nach der Winterpause gelaufen ist, war ich zuversichtlich.“

Ein weiteres Jahr Bundesliga

Chancenlos waren dagegen die B-Juniorinnen des FV Löchgau in der Bundesliga. Mit nur einem Zähler belegen sie den letzten Tabellenplatz. Beim DFB-Bundestag am 25. Mai soll über einen Abbruch der Saison und eine Wertung entschieden werden. Wahrscheinlich ist, dass es keine Absteiger geben wird. „Es haben sich alle Vereine für einen Abbruch ausgesprochen. Das Szenario ist aber noch offen“, berichtet Schuster, die sich freuen würde, wenn die jungen Damen des FVL eine weitere Saison in der Bundesliga dabei sein könnten: „Das wäre eine tolle Geschichte, und wir wären sehr glücklich, noch ein Jahr Bundesliga zu spielen.“ Dann dürften die FVL-Juniorinnen doch noch daheim gegen den FC Bayern München spielen. Denn das nächste Heimspiel vor der Unterbrechung wäre gegen die Münchnerinnen gewesen. „Das ist ein Highlight für unsere Mannschaft“, so Schuster.

Der VfB Neckarrems zählt in der Verbandsliga ebenfalls zu den Nutznießern – genauso der Aufsteiger TSV Heimerdingen, Die zwei Bezirksvereine standen bis zur Saisonunterbrechung am 12. März auf den Plätzen 14 und 15 und waren akut abstiegsgefährdet. Nun können beide für eine weitere Runde in Württembergs Fußball-Oberhaus planen. „Wir hatten noch die Chance, es sportlich zu schaffen. Die Entscheidung der Verbände akzeptieren wir, aber die Umstände bleiben schwierig“, sagt der Neckarremser Trainer Markus Koch, der den Amateurfußball vor einer ungewissen Zukunft sieht: „Ich hoffe, dass wir in diesem Kalenderjahr überhaupt noch einmal spielen können. Alles steht auf wackeligen Beinen.“

Das Teilnehmerfeld in der Verbandsliga würde in der neuen Saison nach dem aktuellem Stand der Dinge auf 20 Vereine anwachsen. Die Soll-Stärke der Liga liegt bei 16 Klubs. Durch den verschärften Abstieg fürchtet Koch für sein Team „einen Kampf ums Überleben“.

In der Kreisliga A3 belegt die Spvgg Besigheim Platz zwei, wäre nach der Quotientenregelung bei einem mehr ausgetragenen Spiel gegenüber dem TSV Nussdorf hauchdünn Dritter, hätte aber gute Chancen gehabt, die Relegation zur Bezirksliga zu erreichen, die es nun nicht geben soll. Die Besigheimer sind trotz der für sie ungünstigen Konstellation für einen Abbruch. „Ich rechne nicht damit, dass noch gespielt wird. Das wäre utopisch. Wir haben Mitte Mai und wären bis zum 30. Juni ja gar nicht fertig, zumal andere Mannschaften auch noch Nachholspiele haben. Wir gehen ganz klar von einem Abbruch aus. Es ist so, dass es keine Relegation gibt. Wir haben eben eine Ausnahmesituation“, sagt Jürgen Schrempf. „Wir können gar nicht testen, das wäre den Amateurvereinen nicht zumutbar“, so  stellvertretender Abteilungsleiter der Spvgg-Fußballer. Dabei hätten sich die Besigheimer gute Chancen auf Platz zwei hinter dem TASV Hessigheim ausgerechnet. Obwohl es keine Absteiger geben soll, hat Schrempf am Dienstag den Antrag gestellt, die zweite Mannschaft der Spvgg für die kommende Saison in die Kreisliga  B zu versetzen. Der Aufsteiger verlor in der Kreisliga A 2 alle 17 Spiele und weist ein Torverhältnis von 13:111 auf. „Die Mannschaft ist in der Kreisliga A hoffnungslos verloren“, nennt der Besigheimer einen einleuchtenden Grund.

Problem ist  verschärfter Abstieg

„Die Lösung ist gut und schlecht“, bewertet Yüksel Köylü den Beschluss des WFV. „Dass der Tabellenerste aufsteigt ist richtig, da es aber keine Absteiger geben soll, kommt in der nächsten Saison der verschärfte Abstieg“, gibt der Vorsitzende des A-Ligisten SV Kaman 91 Bönnigheim zu bedenken. Der Aufsteiger belegt einen Abstiegsplatz mit drei Zählern Rückstand auf einen gesicherten Rang. „Wir hätten es lieber sportlich entschieden und hätten das auch geschafft. Es freut mich zwar, dass wir nicht absteigen, aber so ist es wie geschenkt“, sagt der Kaman-Chef. Er ist  trotz der Bedenken ein Befürworter des Abbruchs: „In dieser Lage hat es keinen Sinn, weiterzuspielen.  Es geht um die Gesundheit, und die wäre nicht gewährleistet. Aber viele Vereine werden Probleme bekommen, denn sie sind auf Zuschauer und den Verkauf von Essen und Getränken angewiesen.“ Köylü hofft, dass der Verband „eine Sonderreglung erarbeitet und die Vereine bei Spielerwechseln schützt“.

 
 
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